Kritik – Seite 7 – Jazzclub Biberach e.V.

29.11.2019: Axel Kühn Trio

Mehrfach preisgekröntes Axel Kühn Trio im Jazzkeller

Kraftvoll, überzeugend und authentisch

BIBERACH – Die drei bestens aufeinander eingespielten Musiker hatten eindeutig etwas mitzuteilen, eine Botschaft, die aus tiefstem Herzen kam und überaus kraftvoll nach außen drängte. Dabei fühlte sich das Trio um Axel Kühn beim Freitagskonzert im gut besuchten Jazzkeller sichtlich wohl, die Funken sprangen unmittelbar auf das Publikum über und die Spannungskurve ließ bis zum dreifachen Finale nicht einen Moment nach. Kräftig zupackend aber auch in entrückter Transzendenz fanden die Stücke, die meist aus der Feder des Bandleaders am Kontrabass stammten und sich größtenteils auf der neuen CD „Zeitgeist“ befinden, offene Ohren und großes Wohlwollen. Gleich zwei Zugaben rundeten einen erfüllten Abend ab.

Axel Kühn, mehrfach prämierter Jazz-Kontrabassist und -Komponist, verleugnete dabei keinesfalls seine Vorliebe auch für andere Musikstile. Schon der Umstand, dass er seine Musik selbst als Grunge-Jazz bezeichnet, lässt darauf schließen, dass er seine ästhetischen Wurzeln in den frühen 1990er Jahren im Umfeld von Kurt Cobain und „Nirvana“ hat. So fand sich unter vielen Eigenkompositionen auch der Coversong „Cats in the cradle“, im Original zwar von Harry Chapin in den 70ern komponiert, nach Johnny Cash in den späten 80ern, erst Mitte der 90er jedoch von Ugly Kid mit großem Erfolg in die Rock-Charts gebracht. Axel Kühn strickte daraus mit viel Herzblut eine durchaus überzeugende neue, eigenständige Version, die Spuren der Vorgängerversionen enthielt, Respekt vor dem Original zeigte und dennoch gänzlich neue Perspektiven herausarbeiten konnte.

Ebenso fanden die „Giant Steps“ des stilbildenden Jazz- und Saxophon-Giganten John Coltrane in Axel Kühns „Step by Step“ eine neue Heimat. Ein raffiniertes Konstrukt aus abwechslungsreichen, teilweise hochvirtuosen und komplexen Versatzstücken kulminierte in einem finalen Ostinato von Kontrabass und Klavier (Ull Möck) über dem der glänzend disponierte Schlagzeuger Eckhard Stromer, in Chicago geborener Schlagzeugdozent der Stuttgarter Musikhochschule, ein Füllhorn von rhythmischen Einfällen ausschüttete. Saubere Triolen auf der Hihat, kombiniert mit vertrackten 16tel-Rhythmen auf Snare und Becken und kontrapunktiert mit synkopierten Akzenten auf der Bassdrum ließen auch manchen fachkundigen Zuhörer fast schwindelig werden.

Einer der Höhepunkte des Abends war die Kühn’sche Version der Ballade „Don’t Cry“ von Axl Rose, Axel Kühns Namensvetter von den „Guns N‘ Roses“. Vom ursprünglichen Hard Rock blieben das geradlinig zupackende Moment und das ungekünstelte Sentiment, aus der Jazzperspektive die Variabilität, Komplexität und die Freiheit der Improvisation und – typisch auch für alle Eigenkompositionen Kühns – die Seele des Ganzen. Mit großem musikalischen Feingefühl vermag es Axel Kühn seinen Stücken das mitzugeben, was nur die ganz Großen in der Musik haben: Tiefgang und Überzeugungskraft. Der Finalist beim Biberacher Jazzpreis im Jahr 2006, Landesjazzpreisträger in Baden-Württemberg 2009 und Gewinner des europäischen Nachwuchsjazzpreises Burghausen hat mittlerweile nicht nur seinen eigenen Stil gefunden, in welchem er den Zeitgeist wie in einem Brennglas eingefangen hat, er beginnt Jazzgeschichte zu schreiben.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

15.11.2019: Autschbach & Illenberger

Gefeierte Gitarrenpäpste lassen nichts anbrennen

Duo Autschbach-Illenberger stößt auf großen Wiederhall beim Publikum

BIBERACH – Bereits im Vorverkauf riss das Gitarren-Duo Autschbach-Illenberger, welches nach sechs Jahren wieder einmal in Biberach gastierte, alle Dämme ein. Schon Tage vor dem Konzert im Jazzkeller waren alle Karten ausverkauft. Der Ansturm auf die Tickets war ebenso hoch wie die Erwartungen an die Weltklassemusiker. Obwohl in manchen Ankündigungen zu lesen war, dass es sich bei den Eigenkompositionen und Improvisationen nicht unbedingt um Jazz handelt, wurde da oder dort doch eine gewisse Verwunderung darüber laut, dass Jazz bei dem Gitarrenkonzert doch eher eine Randerscheinung blieb.

Irgendwo zwischen Easy Listening, mittelalterlichem Lautenspiel und romantischem Virtuosentum angesiedelt, mit Einsprengseln aus der Folklore oder aus dem Rock- und Blues-Genre erwiesen sich die abwechslungsreichen Stücke als durchweg sehr eingängig, überaus einfühlsam und mit viel Liebe zum perfekten Sound interpretiert. Eine stupende Spieltechnik, ein außerordentliches Maß an Virtuosität und ein nahezu perfektes Zusammenspiel der beiden Künstler ließen eigentlich nichts zu wünschen übrig. Dennoch fehlte manchen Gästen etwas der Biss oder auch die kraftvolle Authentizität in vielen Stücken. Etwas mehr Experimentierfreudigkeit, mehr Tiefe und Intensität, wie etwa in dem von Autschbach solistisch, singend und musizierend, herausragend dargebotenen „Suitcase Blues“ über oft nicht ganz so saubere Hotelzimmer, die dem reisenden Musiker das Leben unnötig schwer machen, hätte auch manch anderem Titel gut getan.

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25.10.2019: Fessele Knudsen Streit Trio

Fessele-Knudsen-Streit-Trio lockt die Massen in den Jazzkeller

Leas Charmeoffensive

BIBERACH – Übervolles Haus im Jazzkeller, voller Einsatz auf der Bühne, volle Begeisterung beim Publikum. Von Anfang an auf 100 Prozent ließ die agile Frontfrau des noch jungen Trios, die dänische Sängerin Lea Knudsen, keinen Augenblick die Zügel schleifen und schlug das Publikum mit ihrem offensiven Charme sofort in ihren Bann. Seit vielen Jahren ist Ulm und Oberschwaben ihre Wahlheimat. Dennoch ist diese Bandkonstellation mit dem Jazzpianisten Joe Fessele und dem Multiinstrumentalisten und Sänger Norbert Streit noch keine zwei Jahre alt und sprudelt geradezu über von Ideen auf der Suche nach einem eigenen Stil. „Symbiosis“ heißt ihre neue CD und dieser Titel ist gleichzeitig auch Programm. Wie im Fluge vergingen die beiden Sets, abwechslungsreich, unterhaltsam und recht breit gefächert.

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18.10.2019: Andrea Cerrato Trio

Piemontesisches Temperament flutet den Jazzkeller

Cantautore Andrea Cerrato versöhnt Poesie mit Melodie

BIBERACH – In einer Kooperation mit dem Verein „Städte Partner Biberach“ hat der Jazzclub im Rahmen der italienischen Woche in der Reihe seiner Freitagskonzerte ein eher ausgefallenes Konzertereignis mit dem jungen italienischen Liedermacher Andrea Cerrato ausgerichtet. Der Publikumszuspruch und eine Bombenstimmung bei allen Beteiligten übertrafen dabei die Erwartungen der Veranstalter bei weitem. Das überschäumende Temperament, eine durch sympathische Natürlichkeit bestechende Stimme, ein ausgeprägter Sinn für Poetik und der wohl angeborene Hang zum italienischen Melos des aus Asti stammenden „Cantautore“ Andrea Cerrato schlugen die Besucher von Anfang an in ihren Bann.

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11.10.2019: M.E.A.N

M.E.A.N – Mit Siebenmeilenstiefeln ab durch die Mitte

Gediegenes Chaos als musikalische Frischzellenkur

BIBERACH – Mut zum Andersartigen fehlte der rotzfrechen Formation M.E.A.N aus dem Wilden Osten bestimmt nicht. Und den Mut zum Risiko scheuten die vier ebenfalls nicht auf ihrem Parforceritt durch die stilistische Mannigfaltigkeit zeitgenössischer Musik beim Freitagskonzert des Jazzclubs. Zwischen virtuosen Rock-Improvisationen voll ekstatischer Wildheit auf verzerrter Stratocaster-E-Gitarre und tropischen Wirbelstürmen der höchsten Kategorie auf dem leidenschaftlich traktierten Schlagzeug vermittelten filigrane und intelligente Jazz-Patterns vom Kontrabass und lyrisch-kontemplative Trompetentöne gleichermaßen. Kompromisse gab es nur, wenn das Ganze aus den Fugen zu geraten drohte. Das Publikum zeigte sich von dem Farbenreichtum und der breiten Ausdruckspalette der vitalen aber stilistisch nur schwer zu fassenden Musik entzückt und begeistert.

Ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle verabreichten die vor ungebremster Spielfreude sprühenden Musiker ihren alten und neuen Fans. Der bayrische Trompeter Martin Auer war bei seinem dritten Auftritt in Biberach beileibe kein Unbekannter mehr. Mit seinem eigenen Quintett und dem Gewinner des Biberacher Jazzpreises Florian Trübsbach überzeugte er schon vor bald 20 Jahren seine oberschwäbischen Zuhörer. Die kompromisslos in der Gegenwart verwurzelte und dem permanenten Wandel verpflichtete Truppe mit ihrem leidenschaftlichen Zugriff auf kontrastierende Stiltendenzen scheute dabei auch nicht das Bekenntnis zu „Helden aus einer fernen Zeit“, so der Titel der ersten gemeinsamen CD von M.E.A.N aus dem Jahr 2013.

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20.09.2019: GBBJ – Gee’s Back Beat Jazz

Fulminanter Auftakt der Jazzclub-Herbstsaison

GBBJ auf neuen Wegen

BIBERACH – Die konzertante Herbstsaison des Biberacher Jazzclubs begann im bestens besuchten Jazzkeller der Bruno-Frey-Musikschule mit gleich fünf musikalischen Schwergewichten der Extraklasse, verborgen hinter dem Kürzel GBBJ, „Gee’s Back Beat Jazz“. Gleich drei baden-württembergische Jazzpreisträger, neben der preisgekrönten Bandleaderin, der koreanischen Jazzpianistin Gee Hye Lee, spielten Alexander „Sandi“ Kuhn am Saxophon und Sebastian Schuster am Kontrabass. Dazu kamen Peter Lübke, Ex-Drummer von Udo Jürgens sowie  Frank Kuruc, renommierter Professor für Jazzgitarre an der Musikhochschule Mannheim. Sie beglückten, nicht nur mit der lautstark geforderten Zugabe „Happiness“, ein durchaus anspruchsvolles Publikum.

Zahlreiche Musiker aus der Region hatten sich unter das Publikum gemischt und erwiesen so den renommierten Kollegen ihre Referenz und nutzen in den Pausen und nach dem eindrucksvollen Konzert auch die Gelegenheit für fachliche Gespräche. Genau diese intime Club-Atmosphäre, mit den Musikern auf Tuchfühlung, die großartigen Künstler gewissermaßen zum Anfassen, macht das Erleben der Live-Musik zu etwas ganz Besonderem. Nebenbei konnte man aus Gee’s Anmoderation erfahren, dass dieses Konzert den Auftakt zu einer Konzerttournee nach Südkorea, gewissermaßen die Generalprobe dazu, bildete. Und es wurde auch gleich offenkundig, dass die Musiker bestens vorbereitet und hoch motiviert waren.

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