21.01.2022: Laura „Quiet Land“ – Jazzclub Biberach e.V.

21.01.2022: Laura „Quiet Land“

LAURA sings – Quiet Land

Mit Schwung aus der kulturellen Depression

BIBERACH – Überaus freudige, erwartungsvolle Gesichter eines aufmerksamen Publikums in der locker entspannten Atmosphäre des Biberacher Jazzkellers korrespondierten zum Auftakt der neuen Konzertsaison mit drei hochmotivierten, spielfreudigen Künstlern um die aufstrebende junge Jazzsängerin Laura Kipp. Mit ihrem 2021 von Jens Loh und Cornelius Claudio Kreusch produzierten Debut-Album „LAURA QUIET LAND“ schaffte es die aus Reutlingen stammende, gefeierte Newcomerin innerhalb kürzester Zeit in die TOP 2 der Amazon Bestseller Charts im Bereich „Vocal Jazz“. Genau dieses taufrische Album präsentierte Laura nun Live im bereits Tage vorher ausverkauften Jazzkeller (pandemiebedingt leider nur mit 50% der üblichen Gästezahl und 2G+) und obwohl Weihnachten schon vorbei ist, ging das handsignierte Album nach dem Konzert weg wie warme Semmeln.

Jens Loh, nach mehreren Auftritten im Biberacher Jazzkeller in der örtlichen Szene beileibe kein Unbekannter mehr, gilt nicht umsonst als einer der besten Kontrabassisten Deutschlands. Als Komponist, gefragter Sideman, Bandleader und Produzent hat er sich einen großen Namen gemacht und diesem im inspirierten Live-Act jetzt mal wieder alle Ehre. Seine unnachahmlichen, teils akkordischen, teils plastisch-melodischen und häufig durch seine Singstimme gedoppelten Improvisationen atmen zeitgenössischen Jazz in Reinform.

Der in Chicago gebürtige Schlagzeugdozent der Stuttgarter Musikhochschule, Eckhard Stromer, erwies sich als nimmermüdes Kraftwerk und Energiezentrum des illustren Quartetts. Zuletzt vor knapp drei Jahren mit dem hochdekorierten Axel-Kühn-Trio in Biberach zu hören, ließen besonders seine temperamentvollen quirligen Soli die Augen größer, die Ohren weiter und den Beifall lauter werden.

Der klassisch ausgebildete, französische Jazzmusiker und Bill Evans Schüler William Lecomte zauberte mit seinem zupackenden, variantenreichen Klavierspiel und hochvirtuosen Improvisationen mehr als nur einen Hauch der großen, weiten Welt in den gut abgestimmten Bandsound. Relaxte, balladenhafte Patterns, dynamische Funky-Rhythmen, rasante Skalen oder vollgriffige Riffs in der Komplexität elaborierter Klavierkonzerte ließen einen schon vom Zuhören schwindelig werden.

Mit diesem hochkarätigen Klaviertrio allein wäre eigentlich bereits ein niveauvolles und inspirierendes Konzert angesagt gewesen. Die Bühnenpräsenz, das Outfit, die natürliche und doch wandelbare Stimme, und vor allem die Energie und künstlerische Überzeugungskraft von Laura Kipp vermochten es nicht nur, die ausgebufften Profis dieser Truppe zu bändigen und allzeit die Strippen in der Hand zu halten. Ohne dominant zu wirken, ließ sie sich von ihren Männern auf Händen zu veritablen Höchstleistungen tragen und faszinierte mit einer verblüffenden Stilsicherheit und Reife, außerordentlicher Expressivität, traumwandlerischer Intonation und prickelnden Groove.

Die vielseitigen Kompositionen des neuen Albums „Quiet Land“ von Jens Loh mit den Texten von Laura Kipp vermitteln eine warmherzige, positive Lebensfreude, die sich auch an den kleinen, alltäglichen Dingen des Lebens entzündet. Ein erholsamer Gang durch den „Jardin de Luxembourg“ in Paris und Lauras, von ihrer zweiten Wahlheimat Paris inspirierte Eigenkomposition „Meme si tu dors“ gehen ebenso unter die Haut wie die Vokalise-Passagen und entspannten Scatsilben in „Still“ oder „S’goed Niet Goed“. Eingängiges Musical- oder Latin-Feeling, der durch den Einsatz einer Clavietta (William Lecomte) mit französischem Esprit angereichte Song „All we ever tried“, das als Hommage an ihren anwesenden Bruder gedachte „Little Stevie“ und besonders der bereits für das nächste Album vorgesehene, komplexe und vielversprechende Titel „Oh, I could write a book“ lassen einen gereiften Stil erkennen, der trotz seiner stilistischen Bandbreite keinen Gedanken an Eklektizismus aufkommen lässt.

Nach einem solchen Saisonauftakt dürfte es trotz renommierter Namen für die Bands der monatlich nachfolgenden Jazzkonzerte heuer nicht leicht werden. Der Weg aus der kulturellen Depression ist jedoch mit großem Schwung beschritten und die Hoffnung ist groß, dass der Silberstreif nicht in einem erneuten Lockdown versandet.

Text und Fotos: Helmut Schönecker