08.04.2022: Rainer Böhm & Norbert Scholly – Jazzclub Biberach e.V.

08.04.2022: Rainer Böhm & Norbert Scholly

Rainer Böhm und Norbert Scholly im Jazzkeller

Mit Warp-Antrieb durch die Galaxis

BIBERACH – Unprätentiös, mit nur wenigen erklärenden Worten dafür aber mit vielen Tönen, durchmaßen die beiden Musiker in Überlichtgeschwindigkeit einen wahren Kosmos an musikalischen Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten. In schwindelerregender Virtuosität oder, wie Norbert Scholly in seiner Hommage an Käpt’n Kirk und dessen Enterprise in Star Trek anmerkte, mit futuristischem Warp-Antrieb, startete das Duo aus der ungewöhnlichen Kombination von Klavier und Gitarre seine höchst kreative Reise durch Raum und Zeit. Die Idee, den Raum zu krümmen um durch einen Raum-Zeit-Tunnel weit entfernte Ziele binnen eines Lidschlages zu erreichen, geht auf Einsteins Relativitätstheorie zurück. Die Manipulation der Zeit oder wenigstens unseres Empfindens davon, ist jedoch auch eine Kernaufgabe von Musik, der sich das Duo in besonderem Maße verschrieben hatte: Die Zeit verging während des Konzertes im Jazzkeller tatsächlich wie im Flug und die Phantasie des begeisterten Publikums durchmaß unendliche Weiten.

Der gebürtige Ravensburger Rainer Böhm, Inhaber zweier Professuren in Nürnberg und Mannheim und mit unzähligen nationalen und internationalen Preisen bedacht, hat mit Norbert Scholly einen kongenialen Partner gefunden. Lehraufträge für Jazzgitarre in Mainz und Weimar, europäische Solistenpreise, Kompositionsaufträge und unzählige Tourneen als Solist und gefragter Sideman markieren seine ungewöhnliche Karriere als Gitarrist mit einem charakteristischen Personalstil aus kammermusikalischer Intensität und plastischer Phrasierungsgabe.

Aus der Vielfalt der gestalterischen Mittel ragte bei beiden Künstlern eine permanente Metamorphose der Begleitfiguren, oft in rhythmisch-permutativer Ausgestaltung heraus. Die vielfältigen Kombinationen der Stilmittel führten dabei nicht etwa zu einer Beliebigkeit oder Oberflächlichkeit sondern forderten bewusstes, strukturelles Hören geradezu heraus. Perlende Läufe am Kawaiflügel und gestaltkräftige Melodielinien auf der Gitarre in ständiger Interaktion und nonverbaler Kommunikation wechselten mit rasanten, beeindruckend synchronen Unisonopassagen, die nur gelingen können, wenn beide Musiker auf derselben Wellenlänge funken. Auch ungerade Taktarten, 5er oder 7er, ja selbst die Überlagerung verschiedener Metren konnten die beiden Magier in ihrem Spielfluss und ihrer geradezu überschäumenden Spielfreude nicht ausbremsen.

Neben gleichermaßen eleganten, rasanten und temperamentvollen Stücken wie „El Movimiento del Gato Negro“ von Norbert Scholly fanden auch kontemplative Titel wie „Kennys World“ von Rainer Böhm als Hommage an Kenny Wheeler ihren Weg unter die Haut des begeistert applaudierenden Publikums. Beide Titel finden sich, wie die meisten anderen Stücke des Abends auf der jüngsten CD des Duos, die sich als Mitbringsel für den Osterhasen nach der inspirierten und inspirierenden Zugabe von „Georgia on my mind“ großer Beliebtheit erfreute.

Text und Fotos: Helmut Schönecker