David Helbock’s Random/Control mit Fola Dada im ausverkauften Jazzkeller
Lyrische Lautmalereien und moderner Groove mit Biss
BIBERACH – Quasi Unerhörtes erklang im völlig ausverkauften Freitagskonzert des heimischen Jazzclubs. Gedichte von Emily Dickingson und William Blake bis Erich Fried und Charlotte Forten Grimké, vertont und am Flügel zelebriert von David Helbock auf einer Parforcejagd durch das gesamte Klangspektrum des Instrumentes, stimmlich interpretiert von Fola Dada in einer Spanne von Body Percussion und Beatboxing über Sprechgesang zu Vokalise und expressivem Blues- und Jazzgesang in inniger Interaktion mit Andreas Broger an Querflöte, Bassklarinette, Sopran- und Baritonsaxophon, dessen Geräusche, Laute und Töne irgendwo zwischen heißer Luft, perkussiven Schnalzlauten und sonorem Wohlklang changierten.
Wie der Bandname bereits vermuten ließ, wurde all dies kontrolliert durch den Zufallsgenerator gejagt und mit der Anmutung des Experiments zum faszinierenden Erklingen gebracht, kontrolliertes Chaos sozusagen. Mit Hilfe elektronischer Helferlein wurde sogar die Raumakustik und der Klangraum variiert und kontrolliert, vom knackig trockenen Klang einer Besenkammer bis hin zu minutenlangen Delays sakraler Großbauten gab es alle Abstufungen. Augen- oder besser Ohrenfällig war hier etwas ganz Neues zu vernehmen: Ambitionierter Avantgarde-Jazz des 21. Jahrhunderts. Den Besuchern gefiel es, wie der tosende Applaus und mehrere Zugaben bewiesen.
Wäre der Multiinstrumentalist Johannes Bär am Konzertabend nicht mit Fieber im Bett geblieben, hätten die zahlreichen Besucher – die letzten mussten gar auf den Treppenstufen Platz nehmen – noch diverse Blechblasinstrumente, Trommeln und Mouth Percussion in einem ohnehin bereits dichten Dschungel aus Klängen und Effekten vernommen. Dass darüber auch Melodien, Harmonien und Rhythmen nicht gänzlich verloren gingen, war der intelligent berechneten Kontrolle der Sujets zu verdanken. So schimmerte trotz aller Verfremdung in „Like A Prayer“ doch noch Madonnas Original durch, dank natürlicher Stimmgebung und deutlicher Aussprache Fola Dadas waren die Texte der Gedichte zumeist gut zu verstehen und besonders in Erich Frieds „Freiheit“, die natürlich nicht „herrscht“, sowie in Grimkés „Digital Utopia“ von zwingender Eindringlichkeit und Expressivität, einen ordentlichen Schuss Zeit- und Gesellschaftskritik inbegriffen.
Dem Fehlen von Johannes Bär war es wohl auch zu verdanken, dass neben den klingenden Exponaten der brandneuen CD in der unfreiwillig reduzierten Besetzung auch einige Standards in kammermusikalischer Transparenz Eingang ins Programm fanden. „Round Midnight“ von Thelonious Monk oder „In A Sentimental Mood“ von Duke Ellington hatten, außerhalb umfänglicher Intros, Zwischenspielen und Endings, durchaus einen traditionellen Touch. Entschlackt von allzu konventionellem Beiwerk nahmen die Stücke dadurch eine zeitlose Frische an, erwachten gewissermaßen zu neuem Leben. Hier inspirierte die lebende Kraft der Tradition hörbar die Gegenwart und sei es mit der Intention, den melodiösen Aspekten des Jazz vielleicht auch in Zukunft wieder einmal etwas mehr Bedeutung zukommen zu lassen.
Text und Fotos: Helmut Schönecker