Jazzclub Biberach e.V.

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Joo Kraus Quintett

Am 23.05.2025 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach

Beschreibung

Über den echoprämierten und hochdekorierten Ulmer Crossover-Jazztrompeter im nahegelegenen Biberach viele Worte zu machen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Sein im September 2024 bei Jazzhaus Records erschienenes genresprengendes Album „No Excuse“ ist eine bunte Tüte, Briefmarken-Sammelalbum ,gesellschaftspolitischer Diskurs & vor allem eines: good vibes! Musik, die mal an den Rock von Nick Cave and the Bad Seeds erinnert, mal an den Soul der Commodores und mal an die Psychedelic Vocals von Pink Floyd. Das neue Album ist ein Mix an Genres und Stimmungen, der einfach nur Spaß macht! Die Songs sind bunt, vielfältig, spannend, experimentell, fernab von musikalischer Konvention und doch unverkennbar Joo Kraus! Gute Laune garantiert. No Excuse! Mit im Gepäck in Biberach hat er das „Who’s Who“ der baden-württembergischen Jazzszene.

Joo Kraus – Trompete/Vocals
Jo Ambros – E-Gitarre
Ralf Schmid – (E-)Piano
Veit Hübner – Kontrabass
Torsten Krill – Schlagzeug

www.jookraus.com

Eintritt: 22 Euro, Jazzclub-Mitglieder 18 Euro, Studierende 10 Euro,
freier Eintritt für Biberacher Schülerinnen und Schüler

Foto: Rob Stirner

09.05.2025: Lukas Mohl Trio

Krachender Paukenschlag der jungen Jazz-Generation

Lukas Mohl Trio – Sternstunde des neuen Jazz

BIBERACH – Die Live-Präsentation der ersten CD „Speaking From The Heart“ des jungen Komponisten und Pianisten Lukas Mohl im Freitagskonzert des Biberacher Jazzclubs ging vor ausverkauftem Haus unmittelbar unter die Haut. Auch wenn die lokale Fangemeinde und angereiste Verwandtschaft des gebürtigen Untersulmetingers nicht mit Vorschusslorbeeren geizte, konnten die von Mohl mit einleitenden Worten erläuterten Stücke ästhetisch unmittelbar überzeugen. Bereits vor Abschluss seines Bachelor-Studiums in den Niederlanden schaffte es der aufstrebende junge Künstler mit seinem Album in die CD-Reihe „Next Generation“ des Magazins „JazzThing“ aufgenommen zu werden. Sein Weg führt ihn vom Gastspiel in der alten Heimat nun weiter zum Master-Studium nach Bern und wohl bald auch auf die Konzertbühnen der Welt.

Bezeichnenderweise ist sein ehemaliger Dozent für Komposition an der UdK im niederländischen Arnheim, Jasper Somsen, jetzt Mitglied von Mohls Klavier-Trio und spielt auf seinem Kontrabass mit sichtlicher Begeisterung die Kompositionen seines ehemaligen Schülers. Und die haben es durchaus in sich. Ein vielschichtiges Feuerwerk an Einfällen umschreibt das kreisende Suchen nach einer stimmigen Kernaussage. Natürlich lebt manches vom experimentellen Charakter oder dient der Klangerweiterung des Instrumentes (präparierte Klaviersaiten à la John Cage), was für den Jazz jedoch kein Nachteil sein muss. Die überwiegend von einer eher „fröhlichen“ Melancholie durchzogenen Stücke wirken oft impressionistisch, verträumt und nachdenklich, sind aber auch in den eher lyrisch-kontemplativen Teilen voller Leidenschaft und von einer mit Händen zu greifenden Spielfreude durchwirkt.

Den Zuschnitt seiner Stücke erklärte Mohl in Analogie zu einem Vortrag in freier Rede, der sich lediglich an einer Stichwortliste orientiert um nichts Wichtiges zu vergessen und in der Spur zu bleiben. Nach seinem Musikverständnis kennzeichnet eine abwechslungsreiche Mischung aus klar konturierten, auskomponierten Teilen und freieren Improvisationsteilen einen lebendigen Jazz, der auch und gerade in der Interaktion mit Mitmusikern und Publikum seine Spontanität und Überzeugungskraft gewinnt.

Der aus Südkorea stammende Schlagzeuger Min Won, seit Beginn seines Studiums in Freundschaft mit Lukas Mohl verbunden, prägte durch sein äußerst farbiges Schlagzeugspiel das kollektive Zusammenwirken in enger Verzahnung mit seinen Mitmusikern. Gekennzeichnet eher durch klangliche, tonmalerische und ungewöhnlich ausdrucksstarke Elemente in freier Rhythmik als durch vorgefertigte Standard-Patterns, wechselte er nahtlos zwischen hochsensibler Begleitung und feinsinnigen solistischen Einlagen. In Verzückung versunken schien er in einem eigenen Universum zu verweilen, quasi telepathisch mit einem gehörigen Maß an Empathie mit den Mitspielern verbunden.

In Mohls Stücken spiegeln sich in bester Tradition seine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen im Spannungsfeld zwischen der ländlichen Heimat und einer komplexen urbanen Erlebniswelt sinnfällig wider. In „Twilight Cruise“, der letzten Seefahrt eines Schiffes vor dem Abwracken, dominieren Melancholie und Retrospektive, in „The Soul At 3 A.M.“ umschreibt er das unablässige nächtliche Kreisen der Gedanken um eigentlich völlig nebensächliche Dinge des Alltags, die sich dadurch aber übermächtig in den Vordergrund drängen und einen vom Schlafen abhalten. Eine Reise zu den Eltern seines Schlagzeugers Min Won nach Südkorea und die dortige Speisenfolge inspirierten ihn zu dem völlig kontrastierenden Stück „Palate Cleanser“, zu Deutsch „Gaumenreiniger“. Dieser wird gerne zwischen den Hauptgängen gereicht und dient auch als Appetitanreger. Musikalisch wirkte das klanglich, dynamisch und strukturell völlig andersartige Stück als „Game Changer“, öffnete die Ohren, bot willkommene Ausblicke und Auswege aus der ansonsten eher tiefsinnig, melancholisch oder impressionistisch unbestimmten, schwebenden Charakteristik der Kompositionen. Mit dem Stück „Ouroboros“, dem altägyptischen Symbol einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt und damit den ewigen Kreislauf des Lebens symbolisiert, wendet sich das musikalische Geschehen danach aber gleich wieder den nachdenklichen, grüblerischen, suchenden Perspektiven der Musik zu. Das begeisterte Publikum schloss sich bereitwillig dem an und spürte wohl auch die Ernsthaftigkeit der ästhetischen Sinnsuche. Langanhaltender Applaus, eine Zugabe, ein glückselig und zufrieden wirkendes Lukas Mohl Trio und ebensolche Veranstalter beschlossen einen runden Konzertabend.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Schwarz-Weiß-Galerie: Wolfgang Volz

11.04.2025: Ray Gallon Trio (mit Finn Wiest)

Musikalische Grüße aus der Welthauptstadt des Jazz

Ray Gallon Trio mit deutschen Young Lions

BIBERACH – Mit dem seit drei Jahren in New York lebenden Jazzschlagzeuger Finn Wiest aus Biberach und Jakob Obleser am Kontrabass hatte der renommierte New Yorker Jazzpianist Ray Gallon auf seiner Deutschlandtournee zwei junge Ausnahmetalente im Gepäck. Das bereits seit Wochen ausverkaufte Konzert im Jazzkeller konnte die Erwartungen mehr als erfüllen. Unter der dezenten Regie und einer launig-entspannten Moderation des routinierten Jazzcollege-Professors, nach einer knappen Begrüßung in drolligem Deutsch, natürlich auf Amerikanisch gehalten, liefen die Protagonisten zur Hochform auf. Rasante Up-Tempo Stücke, stimmungsvolle Jazz-Balladen, blueslastige Nummern, allesamt klar durchstrukturiert und dabei locker swingend und groovend, in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen auskomponierten und improvisierten Teilen ließen nichts anbrennen.

Mit einer Reminiszenz an Duke Ellingtons „Drop Me Off In Harlem“ aus dem Jahr 1933, setzte das Eröffnungsstück von Ray Gallons aktueller CD „Grand Company“ gleich zum Auftakt des ausverkauften Jazzkonzertes einen Markstein seines ästhetischen Anliegens und Empfindens und definierte gleichzeitig den Ort des künstlerischen Geschehens. Harlem, der quirlige Stadtteil New Yorks, aus dem seit Jahrzehnten immer wieder neue künstlerische Ideen sprudeln, ist „Hot Spot“ und „Melting Pot“ des Jazz, New York, der „Big Apple“, seine Hauptstadt. Ganz klar dem Swing und der Tradition verpflichtet aber auch offen für neuere und neueste, stark bebop-affine Einflüsse, spielte Gallon virtuos mit dem Sujet, entlockte ihm ganz neue Facetten, zertrümmerte das Überkommene und generierte daraus eine neue, zeitgemäße Form des Jazz. Die stilistische Offenheit und starke Differenziertheit seiner Kompositionen und Arrangements werden vor allem zusammengehalten durch elaborierte, synkopisch rhythmisierte und farbig harmonisierte, zerrissen wirkende Strukturelemente, in welchen die melodischen Fragmente des Originals versteckt sind. Fröhliches, vorösterliches Ostereiersuchen für die eingefleischten Jazzfans, die mit dem Original vertraut sind, für ungeübte Hörer durchaus eine Herausforderung.

Die weiteren Titel der neuen CD waren überwiegend Eigenkompositionen, teilweise inspiriert durch persönliche Erlebnisse, die Ray Gallon in seinen Moderationen als Verständnishilfe knapp erläuterte. Manche Nummern waren dabei eher programmatisch zu verstehen, ein pittoresker Wasserfall auf Hawaii rauschte im Glissando über die Tastatur, andere Titel (Zombette) führten mit Ganztonskalen aus der Tonalität heraus oder spielten auf „aus den Fugen geratene“ Strukturen an (Out of Whack) und waren unverkennbar mit Hintergedanken auf die aktuelle amerikanische Politik und Gesellschaft versehen. Wiederkehrendes Element und Kennzeichen von Gallons Personalstil waren jedoch metrisch vielschichtige, von Pausen durchsetzte, komplexe Rhythmen, vielfach in unsymmetrischen, zusammengesetzten Taktarten, gerne in ostinaten, vamp-artige Begleitstrukturen und Patterns eingebettet und durch kürzere oder längere Improvisationen verbunden und aufgelockert.

Dass diese vermeintliche Zerrissenheit als Spiegel unserer Gegenwart in einem kleinen, für eine kurze Tournee ad hoc zusammengestellten Ensemble völlig synchron verläuft und dabei noch munter groovt, setzt eine außergewöhnlich hohe Meisterschaft und Virtuosität der Mitspieler voraus. Waren es bei dem aus Marbach stammenden Jakob Obleser vor allem die rasanten Walking-Bässe, glänzte der junge Ex-Biberacher Weltklasse-Drummer Finn Wiest durch kleinsträumige, feinsinnig differenzierte, sich niemals wiederholende, in höchster Präzision und enger Interaktion mit den Mitspielern eingebundene, filigrane Rhythmen, die in ihrer dezenten Virtuosität dem Meister am Kawaiflügel kaum nachstanden. Von diesem Finn Wiest wird auch künftig noch zu hören sein.

In der Gewissheit, sich am musikalischen Puls der Zeit zu befinden, geizte das begeisterte Publikum nicht mit Applaus, genoß aber auch die ruhigen, entspannten Momente in den wenigen Balladen, blueslastigen oder von relaxten, lateinamerikanischen Rhythmen geprägten Stücken. Diese vermittelten in all dem Trubel die Hoffnung auf bessere Zeiten mit dem Wissen, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde. Hoffnung, die sich in der kulturellen Vielschichtigkeit und Komplexität unserer Zeit versteckt und die geduldig auf fröhlich-zuversichtliche Ostereiersucher und steigende Aktienkurse wartet.

Text und Fotos: Helmut Schönecker