Jazzclub Biberach e.V.

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Der Biberacher Jazzpreis ist ein international ausgeschriebener Preis für den Jazznachwuchs.

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Rolf Richie Golz

Am 01.12.2023 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach

Beschreibung

Nachdem das Jazzkonzert mit seinem Trio im Rahmen der Biberacher Heimattage Anfang des Jahres in Windeseile ausverkauft war und viele Fans in die Röhre schauen mussten, gibt es jetzt eine Neuauflage mit seinem aktuellen Piano Solo-Programm „Bilder für Klavier“. Der Biberacher Pianist Rolf Richie Golz stellt auf Einladung des Jazzclubs im Jazzkeller eine Reihe ausnotierter, bildhafter Titel mit unterschiedlich umfangreichen Improvisationsanteilen vor. Sein individueller Stilmix aus Pop-, Rock-, Jazz- und klassischen Elementen führt in eine kreative „Cross Over Piano Music“ mit pittoreskem Erlebnischarakter, ohne dabei in das Genre der „Programm-Musik“ abzugleiten.

Foto: Steffen Dietze

Eintritt: 19 Euro / Jazzclub-Mitglieder 15 Euro / Studenten 10 Euro / Biberacher Schüler frei

17.11.2023: Andy Herrmann Quartett

Andy Herrmann Quartett präsentierte „Sincerity“

BIBERACH – Bereits zum zweiten Mal im Rahmen der diesjährigen Konzertreihe des Jazzclubs anlässlich der Biberacher Heimattage stand Andy Herrmann auf der Bühne des erneut vollbesetzten Jazzkellers. Diesmal mit seinem seit 2016 bestehenden Quartett aus Arne Huber am Bass, Samuel Leipold an der Gitarre und Bastian Jütte am Schlagzeug und mit seinem neuesten Projekt „Sincerity“ im Gepäck. Stand bei seinem letzten Konzert noch das traditionelle „All American Songbook“ im Mittelpunkt des Geschehens, so war dieses Mal der aktuelle New-York-Stil, inspiriert von Pat Metheny und Lyle Mays, angereichert mit diversen europäischen Gestaltungselementen Gegenstand der erlesenen Darbietungen.

Polymetrisch angelegt, nach dem Vorbild einer spätmittelalterlichen Praxis in der „Mensuralmusik“ und gleichermaßen verwandt mit der komplexen afrikanischen Rhythmik, die ebenfalls die Gleichzeitigkeit verschiedener, sowohl gerader als auch ungerader Metren, zusammengehalten nur durch einen „Timekeeper“ kennt, waren die ungewöhnlichsten und wohl auch interessantesten Kompositionen des Bandleaders. Eine Reihe von Titeln erinnerten an die für Musiker besonders schwierige, für Komponisten oft aber auch recht produktive Coronazeit. „Omikron“ und vor allem das zupackende „Deltakron“ in seiner beinahe schon verstörenden Komplexität boten davon einen, von manchem jedoch eher als zwiespältig empfundenen Nachgeschmack. Weitere Nummern aus der Debüt-CD des Quartetts, „The Child in Me“ lockerten das Programm auf.

In der „Mensuralmusik“ der frühen Renaissance, aus der Zeit noch vor der Einführung von Taktstrichen, gab es das dreiteilige tempus perfectum, durch einen Kreis dargestellt und das durch einen Halbkreis dargestellte zweiteilige tempus imperfectum (eine Reminiszenz dazu ist das heute noch übliche C als Symbol für den 4/4 Takt). Im Zusammenwirken beider metrischer Ebenen entstand ein abwechslungsreiches, eigenartig schwebendes, besonders die niederländische Vokalpolyphonie charakterisierendes, relativ freies Rhythmusgefühl, welches dort vor allem durch die differenziertere Wortausdeutung seine Berechtigung fand. Die Transformation dieses Prinzips auf die stilistisch komplexe Gegenwartsmusik führt bei Andy Herrmann ebenfalls zu einer schwebenden Leichtigkeit und zu einer prickelnden, vielseitigen Rhythmik. Diese bildet eine durchaus willkommene Abwechslung zu den eher gleichförmig hämmernden Dance-Beats der letzten Jahre und Jahrzehnte. Ein 13/8-Takt kombiniert mit einem 13/4-Takt im fliegenden Wechsel mit einem 7er-Takt in den Improvisationsteilen und gleichzeitig unterlegten geraden Rhythmen im Schlagzeug scheint nur auf den ersten Eindruck konstruiert und steril. Wenn aber alle Mitwirkenden auf einer Wellenlänge zusammengefunden haben, ergibt sich daraus ein faszinierender und stimmiger Groove, der sich über den bloßen Tanzcharakter vieler moderner Rhythmen erhebt und gepaart mit der erweiterten Tonalität und Harmonik des Modern Jazz auf den Hörer eine befreiende Wirkung ausübt.

Apropos Groove. Der typische aus der Dance-Szene bekannte Drum-’n‘-Bass-Groove war ebenfalls eine der Inspirationsquellen, der Andy Herrmann ein Experiment mit dem Einsatz zweier zusätzlicher Keyboards und entsprechender Computersoftware bzw. einem Sequenzer im „Groovy Song“ widmete. Der hochdekorierte Münchner Drummer Jütte schien dabei allerdings deutlich unterfordert. Das Zusammenspiel mit den elektronischen Taktgebern wirkte angespannt und war nicht wirklich erfrischend. Immerhin trauten sich die Künstler nach elektronischer Tempovorgabe dem Stück ein „unbegleitetes“ Intro voranzustellen und schafften es doch tatsächlich, sich durch den späteren Einsatz der KI nicht völlig aus dem Takt bringen zu lassen. Handgemacht und analog hat wohl im Live-Betrieb durchaus noch seine Vorzüge. Eine KI-freie Polymetrik ist der elektronisch getakteten Polyphonie künstlerisch allemal überlegen. Gewissermaßen als Wiedergutmachung durfte Jütte danach aber noch ein ausgedehntes, hoch-virtuoses und entsprechend umjubeltes Schlagzeugsolo zelebrieren.

Als Hommage an Herrmanns anwesende Mutter erklang gegen Ende des kurzweiligen Konzertes noch der Titel „First Date“. Zuvor verarbeitete er in dem eindrucksvollen und eindringlichen Titel „Hambuscht“ über den gleichnamigen Kinderschreck aber noch ein frühes Kindheitstrauma auf einem Äpfinger Bauernhof, bei dem auch eine Spieluhrmelodie eine dominierende Rolle spielte. Danach erklang als Zugabe noch eine stimmungsvolle Komposition von Pat Metheny, „Straight On Red“.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Rootbears | Weihnachts-Jazz

Am 22.12.2023 um 20:00 Uhr

Ort: Biberach, Schützenkellerhalle

Beschreibung

Das Rootbears Weihnachtskonzert. Für nicht wenige Biberacher ist es als Auftakt für die Feiertage unverzichtbar. Seit mehr als 30 Jahren gestalten die fünf Musiker einen Abend für Familie, Freunde und Musikinteressierte, der in der Biberacher Musikszene seinesgleichen sucht. Handgemachter Jazz, witzige Einlagen, A-cappella-Gesang und jedes Jahr neue, teils absurde Überraschungen warten auf die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Besetzung: Rüdiger Przybilla (sax), Hanspeter Schmid (tb), Magnus Schneider (acc, p), Martin Schmid (b), Thomas Kleinhans (dr)

Foto: Manfred Fakler

Eintritt: 16 Euro, ermäßigt 10 Euro

10.11.2023: Open The Box Trio

OpenTheBox statt Büchse der Pandora

„Unperfect Buildings“

BIBERACH – Selten oder gar noch nie zuvor dürfte es eine künstlerische Hommage an das „Unperfekte“ gegeben haben. Selten oder gar einzigartig ist auch der musikalische Weg, den Christian Krischkowsky mit dem neuen Album „Unperfect Buildings“ und seinem neu gegründeten Trio eingeschlagen hat. Gemeinsam mit dem Regensburger Gitarristen Andreas Dombert und dem Tübinger Kontrabassisten Axel Kühn hat der Ulmer Komponist und Schlagzeuger nun in einem CD-Release-Konzert im Jazzkeller dieses ungewöhnliche Projekt vorgestellt. Die Publikumsresonanz war durchweg positiv, die gebotene Musik frisch, authentisch und unvergleichlich.

„Helmut“ hieß der Opener des Konzertabends, „Franz-Josef-Land“ der Titel des zweiten Stückes, beide Nummern an Krischkowskys Jugendjahre in München erinnernd. Aber nicht Helmut Schmid und auch nicht Franz Josef Strauß werden darin hofiert. „Helmut“ steht für Helmut Dietl, den von Krischkowsky so bewunderten Regisseur, Drehbuchautor und Schöpfer des bis zur Komik bodenständigen Münchner Stenz „Monaco Franze“, dargestellt von dem Schauspieler Helmut Fischer. Dessen Motto „Ein bisserl was geht immer“ und dessen skurrile Authentizität passen durchaus auch zu Krischkowskys Musik. Dessen Bekenntnis zu Thelonious Monk im Titel „Please, Hold The Line, Thelonious!” verdeutlicht weiterhin seinen ästhetischen Ansatz. Monk, von seinen Zeitgenossen oft als introvertierter Exzentriker beschrieben, revolutionierte als Autodidakt mit seinem unkonventionellen Stil den Jazz wie kaum ein anderer vor ihm. Und tatsächlich interpretiert auch der Ulmer Komponist mit den „Unperfect Buildings“, wie in seinem Press-Reader angekündigt, den Kanon des Jazz ziemlich neu und ungewöhnlich.

Elaborierte Kompositionen, minutiös ausnotiert und im perfekten Timing ausgeführt erinnern an die klassische Moderne. Komplexe Rhythmen, überraschende Wendungen, plötzliche Tempo- und Dynamikwechsel sowie hoch differenzierte Formstrukturen sind ohne detaillierte Notation kaum zu meistern. Und dennoch verschafften sich die drei Protagonisten immer wieder den jazztypischen Freiraum für kreative Improvisationen, oft in spannender Interaktion zwischen einem sehr melodisch gespielten Kontrabass und meist kuschelig weichen Gitarrenklängen. Letztere klanglich aufpoliert durch verschiedene Effektgeräte.

Plastisch und anschaulich dargestellt fanden die „Dolphins near Venice“, die während der coronabedingten Produktionspause der italienischen Industrie überraschend schnell den Weg in die nun weniger schmutzige Lagune fanden, auch ihren leichten und beschwingten Weg in die Musik. Weit gespannte Melodielinien über komplexer Rhythmik in „Bird on a cherrytree“ erzeugten eine heitere, schwebende Leichtigkeit über permutatorisch organisierten Begleitfiguren in der Gitarre im Stil der „Minimal Music“. Die sehnsüchtige Suche nach dem Sinn des Lebens verbirgt sich wohl hinter dem schwermütigen „Un Giorno“ während „Strange Night In Paris“ durch zahlreiche Takt- und Rhythmuswechsel tatsächlich eine befremdliche Wirkung erzielt.

Die nach anhaltendem Applaus als Zugabe gespielte Cover-Version von „Under the Bridge“, einem der erfolgreichsten Songs der kalifornischen Crossover-Band „Red Hot Chili Peppers“, handelt im Original von dem einsamen Kampf eines Drogenentzuges. Die emotionale Tiefe und kammermusikalische Transparenz der Trioversion war völlig untypisch für eine Zugabe und unterstrich schlussendlich nochmal den unkonventionellen Zuschnitt der „unperfekten Gebäude“ und Krischkowskys bewusste „Gegen-den-Strich-Ästhetik“. Im Unterschied zur Büchse der Pandora lässt sich diese „Box“ getrost öffnen.

Text und Fotos: Helmut Schönecker