Klassepianist Jörg Hegemann im Jazzkeller
Mit Volldampf „Boogie-Woogie“
Das Cover seiner neuesten CD „Steam Driven Boogie“ ziert eine alte Dampflokomotive. Wer aber der Meinung auflag, hier einen nostalgischen Bummelzug in die 20er und 30er Jahre besteigen zu müssen, der wurde beim ersten Konzert des Biberacher Jazzclubs in der neuen Saison im Jazzkeller rasch eines Besseren belehrt. Inspiriert durch den neuen Flügel „mit Biss“, durch ein übervolles Haus mit einem immer bereitwilliger mitgehenden Publikum und voll sprühender Begeisterung für seine eigene Musik legte der Wittener Boogie-Woogie-Pianist Jörg Hegemann, völlig zurecht als einer der Besten seines Fachs in Deutschland gefeiert, vom ersten Stück an eine unglaubliche Dynamik vor. Durchaus vergleichbar mit der Dynamik eines, mit über 100 Stundenkilometern durch die Gegend donnernden, 100 Tonnen schweren Dampflokomotiven-Ungetüms hämmerte Hegemann über zwei Stunden lang pure Stimmung in den Saal und gab damit ein überzeugendes Debut im oberschwäbischen Süden Deutschlands. „Mehrere Kilo Gewichtsverlust während eines solchen Solokonzertes“, so Hegemann, „sind bei mir durchaus normal“. Genügte Louis Armstrong noch ein großes, weißes Taschentuch, so musste bei Hegemann ein großes Handtuch die Schweißbäche trocknen. Besonders unterhaltsam gestaltete er die diversen Solobreaks: die kurzen, oft nur eintaktigen Pausen in der Begleitstimme genügten um mit einem blitzschnellen Handgriff die verrutschen Augengläser zurechtzurücken. Schwer zu entscheiden ob künstlerische oder physische Notwendigkeit die Anordnung der durchaus überzeugenden und stiltypischen Breaks verursacht haben. Oder sollte auch die historische Entstehung dieser stimulierenden Breaks solch profane Ursachen gehabt haben?
Im Stil der „Boogie Kings“ der 30er Jahre, Albert Ammons, Meade Lux Lewis und Jimmy Yancey, mit großer pianistischer Akkuratesse und fulminantem „Drive“, gestaltete Hegemann aber nicht nur die Oldies, sondern eben auch seine eigenen Kompositionen, wie „Djangos Groove“ – ein witziger Shuffle zu Ehren seines Bassisten Reinhard Kroll. Die Wucht seines kraftvoll pulsierenden Klavierspiels teilte sich dem Publikum unmittelbar mit. Kaum jemand konnte sich dem Mitwippen, Fingerschnippen oder gar Mitklatschen entziehen und die mitgebrachten CD’s waren schneller weg als warme Semmeln. Selbstverständlich durfte Hegemann nicht ohne zahlreiche Zugaben den Klavierdeckel zuklappen. That’s Boogie-Woogie!
Gez. Helmut Schönecker