Kritik – Seite 25 – Jazzclub Biberach e.V.

04.03.2016: Daktarimba

Daktarimba d‘ Afrique im überfüllten Jazzkeller

Mit augenzwinkernder Nostalgie zu lebendiger Avantgarde

BIBERACH – Von der schlichten Eindringlichkeit des sympathischen Kameruner Sängers und Perkussionisten Njamy Sitson zum intelligenten, wenn nicht gar intellektuellen Spiel mit den verschiedenen Genres und Sujets durch die beiden „European Jazzmasters“ Walter Lang (Klavier) und Wolfgang Lackerschmid (Marimbaphon), so Sitson in seiner Anmoderation, war es ein erstaunlich kurzer Weg. Ausstrahlung und Überzeugungskraft des in Augsburg lebenden Afrikaners, der nicht nur optisch im Mittelpunkt stand, vermittelten einen authentischen Weg in die Jazz-Avantgarde und faszinierten das Publikum in dem aus allen Nähten platzenden Jazzkeller.

Nicht als pittoreskes Alibi einer falsch verstandenen Exotik im Rahmen einer glattpolierten, massentauglichen „Weltmusik“, sondern als unerschöpfliche Kraftquelle in einer tiefsinnigen künstlerischen Auseinandersetzung der unterschiedlichen Kulturen geriet das Freitagskonzert des Jazzclubs zu einer überzeugenden Synthese, zur perfekten Integration, zur fruchtbaren Symbiose von Intellekt und Emotion. Standen auf der afrikanischen Seite die oft im entspannten Falsett in Medumba dargebotenen schlichten Melodien und einfachen formalen Strukturen innerhalb einer durchaus komplexen Rhythmik, fanden sich auf der mit starkem Jazzidiom aufgebrochenen klassisch geprägten Seite eine vielschichtige Harmonik und abwechslungsreiche, gestaltkräftige Melodien und einprägsame, ostinate Begleitpatterns mit teils hochchromatischen Einschüben vor allem in den oft hochvirtuosen, improvisierten Solopartien. Trotz einem transparenten Klangbild kam in den einfallsreichen Eigenkompositionen der drei Akteure nicht der Hauch minimalistischer Reduktion auf.

So macht etwa die Dekonstruktion von Jazzstandards oder Musicaltiteln („Mandela“) verbunden mit dem „Rückbau“ auf die afrikanischen Wurzeln in meisterlicher Form deutlich, dass ein echtes Miteinander nicht nur möglich ist, sondern auch außerhalb afroamerikanischer Historie allemal interessantere Ergebnisse zeitigt, als das bloße Zitieren und collageartige Übereinanderschichten unverbundener Musik-Schnipsel. Aber auch der umgekehrte Weg, die unverkrampfte Akzeptanz folkloristischer Wurzeln und deren sensible Aufbereitung und Aufwertung zu zeitgenössischen künstlerischen Preziosen unter gelegentlicher Einbindung von Zitaten („Daktarimba“, „Teno“) wirkt überaus überzeugend und sinnfällig.

Selten hat das Etikett einer Musik, „Daktarimba“, soviel mit deren Inhalt zu tun. Der ebenso treffende wie einprägsame Name der weitgereisten bayrischen Trio-Formation entstand als Kunstwort aus der Synthese von „Daktari“ und „Marimbaphon“. Mit „Daktari“, dem Titel einer Fernsehserie aus einer längst vergangenen Zeit, in der die Exotik der afrikanischen Wildnis noch verklärt und durch Einsatz eines warmherzigen Dschungeldoktors geschützt und erhalten werden sollte, assoziiert man unwillkürlich die ursprüngliche afrikanische Volksmusik, die hier nicht á la „Dschungel-Camp“ als bloße Kulisse plakativ vermarktet wird. Eines der afrikanischsten Melodieinstrumente, das aus gestimmten Holzplatten bestehenden „Marimbaphon“, liefert dazu die authentischen, gleichermaßen warmen und perkussiven Klangfarben. Das künstlerische Resultat verdient durchaus die Bezeichnung „magisch“ – ein euphorisiertes Publikum, mehrere Zugaben und der reißende Absatz der mitgebrachten CDs sprechen eine deutliche Sprache.

gez. H. Schönecker

19.02.2016: The Ropesh

„The Ropesh“ bringen frischen Wind in den Jazzkeller

Deutsch-italienische Hochdruckreiniger für verstopfte Gehörgänge

BIBERACH – Die junge, international besetzte Band „The Ropesh“ um den Wahl-Berliner Schlagzeuger und Komponisten Mathis Grossmann blies bereits mit ihrem rund 15minütigen Opener „Slowrenzo“ den angenehm überraschten Besuchern im Biberacher Jazzkeller etwa vorhandenen Staub oder gar Spinnweben aus den Gehörgängen. Traditionelle Hörgewohnheiten und -schablonen führten in der Tat zunächst zu verblüfften oder verhaltenen Reaktionen. Die ungewohnten aber unmittelbar sinnfälligen neuen Strukturen fanden aber schnell Anklang und stießen schließlich im zweiten Set auf einhellige Begeisterung.

Die Gewinner des Jungen Deutschen Jazzpreises 2013 und Finalisten des „European Jazz Contest“ unterstrichen bereits mit ihrem skurrilen Equipment den besonderen Zugang zu den Sujets des modernen Jazz. Die Integrationskraft dieser avantgardistischen Musikrichtung, die seit ihren Anfängen Innovationen gegenüber immer aufgeschlossen war, bleibt ungebrochen. Sorgte der eigens aus Italien angereiste Filippo Macchiarelli mit seinen druckvollen und treibenden E-Bass-Grooves für funkiges Hiphop-Feeling im Untergrund, unterstützte Lorenzo Colocci mit elektronisch aufgepeppten Flötensounds in Kombination mit Apples bekannter Macbook Soundmaschine und weiteren DJ-Techniken wie „Cutting“, „Phasing“ oder „Scratching“. Den experimentellen Charakter unterstützte er auch durch die Kreation eines neuen Musikinstrumentes. Seine Querflöte, ohne Mundstück aber unter Verwendung eines Waschmaschinen-Abflussschlauches mit einem Klarinettenmundstück verbunden, erzeugte so völlig neuartige Klänge irgendwo zwischen Saxophon und Abflussrohr. Durch ein längeres, unbegleitetes und durchaus virtuoses Solo konnte sich auch das Publikum an die neue Klangästhetik gewöhnen. Ob er mit seinem neuen Sound allerdings viele Nachahmer finden wird, darf bezweifelt werden.

Neben dem Flötisten Lorenzo Colocci wirkte Marcus Franzke an der Posaune, mal als gewiefter Improvisator aber meistens beteiligt an der Gestaltung einprägsamer melodischer Begleitpatterns und Riffs, die mitunter chaconneartige Strukturen annahmen oder über die Technik des permanenten Atems zu schier endlosen Orgelpunkten verschmolzen. Auch Franzke verfremdete über ein elektronisches Effektgerät seine Klangfarben und verband natürliche Tonerzeugung und Spieltechnik organisch mit modernen Klangfarben. In dieselbe Kerbe schlug auch Apollonio Maiello an den Tasteninstrumenten. Sein Mo8-Synthesizer spielte neben den glitzernd perlenden Tonkaskaden auf dem Kawaiflügel jedoch nur eine dienende Rolle als gelegentlicher Sound- und Patternlieferant.

Neben Macchiarelli, der auch die meisten Kompositionen zum Programm beisteuerte, war es der Bandleader Mathis Grossmann am Schlagzeug, der rhythmisch und strukturell „den Laden zusammenhielt“ und wenigstens anfangs noch gelegentlich mit ordnender Hand in das Geschehen eingriff. Seine musikalisch-rhythmischen Qualitäten sind über alle Zweifel erhaben. Über seine klanglichen Ambitionen darf jedoch gerätselt werden. Sein, wie zusammengebastelt wirkendes Drumset schien direkt aus der Kinderstube zu kommen und konnte in klanglicher Hinsicht kaum überzeugen. Vielleicht wollte er dadurch aber auch nur einen Kontrapunkt zu den blinkenden Hightech-Welten von Apple und Yamaha setzen. Dem Gesamteindruck einer hochenergetischen, frischen, unkonventionellen Musik auf der Höhe unserer Zeit konnte dies jedoch keinen Abbruch tun.

gez. H. Schönecker

31.01.2016: Drums à gogo (Trommlergipfel)

Spitzenleistungen beim ersten Biberacher Trommel- und Perkussionsgipfel

„Drums á gogo“ finden rauschenden Beifall

BIBERACH – Der erste Biberacher Trommel- und Perkussionsgipfel unter dem Motto „Drums á gogo“ geriet zu einem vollen Erfolg. Nach den Erfolgen der lokalen Pianisten- und Gitarristentreffen des Jazzclubs in den zurückliegenden Jahren war dies fast schon erwartet worden. Die Idee, dieses Jahr diversen regionalen Musikern aus der Rhythmus-Branche ein Forum zu bieten, die Natur der beteiligten Instrumente, der Wunsch eine repräsentative Auswahl zu bieten und die erhoffte Publikumsresonanz hatten den Veranstalter bewogen, eine Örtlichkeit mit großer Bühne und ausreichend Platz für die Besucher zu suchen. In der WG-Aula war man fündig geworden und das breite Interesse an der Matinee am Sonntagmorgen zeugte davon, dass die Rechnung wohl aufgegangen ist.

 

Gefühlt weit über 100 Rhythmus- und Perkussionsinstrumente vom lateinamerikanischen Agogo über afrikanische Djemben oder einem Muschelhorn zum modernen (E-) Drumset und zur digitalen Loop-Maschine, ergänzt um diverse Stabspiele vom Glockenspiel zum Bass-Marimbaphon zauberten eine immense Klangvielfalt. Rhythmische Patterns aus Rumba, Bolero oder Samba bis zum komplexen Son Cubano und Salsa, rhythmisch-melodischen Variationen über eine Folia aus der Renaissancezeit oder druckvolle und fetzige zeitgenössische Dance- und Hiphop-Grooves in Kombination mit komplexen afrikanischen Djembepatterns boten in dem fast dreistündigem Programm einen kurzweiligen Einblick in das weite Spektrum rhythmischer, klanglicher und spieltechnischer Möglichkeiten einer Instrumentengattung, die in vielen Musikstilen eher stiefmütterlich behandelt wird.

 

Fulminant und mit großer Besetzung eröffnete das Percussion-Ensemble des „Drum & Percussion Studios Warthausen“ unter Leitung von Markus Merz den musikalischen Reigen, überwiegend mit Stücken in lateinamerikanischen Rhythmen, teils mit eigens arrangierten Jazznummern, teils aber auch mit solistischen Beiträgen. So stellte Malte Wiest seinen diesjährigen Wettbewerbsbeitrag zu „Jugend musiziert“ vor, eine Eigenkomposition seines Lehrers Markus Merz als Hommage an dessen alten kubanischen Schlagzeuglehrer. Was da an komplexen Schlagfolgen auf das erweiterte Drumset und das verblüffte Publikum einprasselte war mit den Augen nicht und mit den Ohren kaum mehr zu verfolgen. Rauschender Beifall war der Lohn, den der junge Künstler noch gar nicht so recht genießen konnte, flüchtete er sich doch ohne sichtbare Reaktion in die Präliminarien der nächsten Komposition in der sein ebenfalls mehrfach preisgekrönter Bruder Finn Wiest auftrumpfen konnte.

 

Nach der Pause eröffnete der aus Biberach stammende Jazzschlagzeuger und –komponist Matthias Daneck seinen eher experimentellen Part mit Kompositionen für Schlagzeug und live erstellte Schleifen auf der Loopmaschine. Obwohl als Solist auf der Bühne, türmten sich durch die digitale Unterstützung komplexe Gebilde übereinander, aus denen die Variationen über ein harmonisches Grundmuster oder ostinates Bassmodell der Renaissancezeit, eine „Folia“ als Vorform der barocken Passacaglia, herausragte. Druckvolle Dance-Grooves von „Habama Music“, den beiden afroeuropäischen Söhnen des durch seine Djembeschule und eigene konzertante Tätigkeit bestens bekannten Uhuru Uhl, fetzten schließlich – mit Vater Uhuru als „special guest“ dem großen Finale aller Mitwirkenden inklusive einiger Gäste aus dem Rhythmus-Workshop vom Vortag entgegen: „Oye como va“ – uuh, aah.

 

gez. H. Schönecker

30.01.2016: Jazz & Rhythm Workshops

Jazz- und Rhythmus-Workshops am Wieland-Gymnasium

 

In einer Kooperation zwischen der Fachschaft Musik des Wieland-Gymnasiums und dem Jazzclub Biberach e.V. fanden am 30. Januar 2016 in der Aula und im Ensembleraum der Schule diverse Workshops mit professionellen Dozenten und Musikern statt. Kaum jemand von den 20 Teilnehmern am „Jazz- und Rhythmus-Workshop“ hatte aber wohl damit gerechnet, dass er beim „1. Biberacher Trommel- und Perkussionsgipfel“ am darauffolgenden Tag bereits mit den Profis auf der Aula-Bühne stehen würde. Gleichwohl haben es eine ganze Reihe der Teilnehmer, obwohl überwiegend noch rhythmische Anfänger, tatsächlich auf die Bühne geschafft. Der Grundlagenkurs in afro-lateinamerikanischer Rhythmik machte nicht nur Spaß, er führte – neben vereinzelt angeschwollenen Fingern und Händen – auch kurzfristig zu erstaunlichen Erfolgen.

Mit Markus Merz, dem Leiter des „Drums & Percussion Studios Warthausen“ und Kopf der Formation „Latin Love Affair“ sowie dem peruanischen Perkussionisten Cesare Gomero waren zwei ausgewiesene Fachleute für latein-amerikanische Rhythmen als Dozenten am Start. Auf Congas und Cajons wurde gruppenweise die Basis für grundlegende rhythmische Begleitpatterns und Schlagfolgen gelegt. Mit dem gebürtigen Biberacher Matthias Daneck (WG-Abitur 1984), professioneller Jazzschlagzeuger und Dozent in Freiburg und Basel, war darüber hinaus ein rhythmisches Multi- und pädagogisches Naturtalent im Einsatz. Ihm gelang es durch speziell zusammengestellte Grooves in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, die Teilnehmer auf unterschiedlichstem Niveau zu kleinen Ensembles zu kombinieren und zum gemeinsamen Timing zu führen. Immer wieder setzte er sich dazu auch selbst ans Drumset, stützte wo nötig die einzelnen Spieler und vervollständigte die Rhythmen zu komplexen, klangvollen Gebilden.

Konzentrierte aber auch freudige Gesichter bei den Teilnehmern zeigten, dass Anspannung und Spaß durchaus Hand in Hand gehen können. Dass bei dem Workshop nicht nur Schüler einer Altersstufe sondern etwa auch erwachsene Teilnehmer vom Biberacher Jazzchor oder vom Spielmannszug der TG problemlos zusammenarbeiteten und sich gegenseitig unterstützten ließ aus den Workshops ein generationsübergreifendes fruchtbares Miteinander werden, aus dem alle Teilnehmer auch viele Erfahrungen mit in den Alltag nehmen konnten.

Am Folgetag nutzte eine Reihe von Workshop-Teilnehmern die konzertante Darstellung der Dozenten im Rahmen des gut besuchten „1. Biberacher Trommel- und Perkussionsgipfels“ in der WG-Aula um ihre Kenntnisse zu vertiefen und zu erweitern. Viele waren dabei überrascht, wie virtuos, komplex und faszinierend voll ausgeprägte rhythmische Strukturen sein können, welche musikalischen Möglichkeiten Schlaginstrumente bieten und wie kurzweilig ein immerhin fast dreistündiges Konzert sein kann. Hier war dann auch zu erleben, wie sich die afrikanischen Grooves und modernen Dance-Patterns von „Habama Music“ anhörten. Leider war im Vorfeld offenbar der Respekt vor der Komplexität und dem Anspruch dieser Rhythmen so groß, dass sich nur wenige, zu wenige Teilnehmer für dieses Genre gemeldet hatten. Ergänzt um Vater Uhuru Uhl zeigten Habib und Amadou was auf Djemben, Steeldrum, (E-) Drumset und Orgel-Fußpedal alles möglich ist. Die Begeisterung des Publikums äußerte sich in langanhaltendem rauschendem Beifall.

Zum Finale des Trommelgipfels standen schließlich alle Mitwirkenden, vom großen Percussion-Ensemble des Warthausener „Drums & Percussion Studios“ unter Leitung von Markus Merz über die Jungs von „Habama Music“ mit Uhuru Uhl, Matthias Daneck und den Teilnehmern des Workshops gemeinsam zur großen Schluss-Session auf der Bühne und hätten vor Begeisterung am liebsten gar nicht mehr aufgehört.

 

Text: Helmut Schönecker

 

29.01.2016: Matthias Daneck Trio

Mit frischem Schwung zu „alten“ Meistern

Matthias Daneck Trio mit swingenden Preziosen

BIBERACH – In der Swingära feierte der Jazz nicht nur kommerziell seine größten Erfolge. Ohne Swing sind auch der moderne Jazz und selbst die moderne Popmusik kaum vorstellbar. Swing ist zu einem essentiellen Bestandteil des Mainstreams, zu einem Synonym für Jazz und moderne Rhythmik überhaupt geworden. Die legendären Stücke aus dem Modern Swing haben auch heute noch viele Fans, wie der Publikumsandrang beim Freitagskonzert des Jazzclubs im Biberacher Jazzkeller eindrucksvoll unter Beweis stellte. Der Weg zurück zu den noch nicht gar so alten Meistern wurde jedoch selten so frisch und überzeugend präsentiert wie von dem Wunschtrio des aus Biberach stammenden Freiburger Jazzschlagzeugers Matthias Daneck.

Daneck hat mit dem Stuttgarter Thilo Wagner und dem Tübinger Axel Kühn seine Lieblingsspielgefährten zu einem Traumtrio vereint. Wagner spielt in der ersten europäischen Liga der Swingpianisten und der erdig groovende Kontrabassist Axel Kühn hat seit seiner Finalteilnahme  beim Biberacher Jazzpreise 2006 als mehrfacher Landes-Jazzpreisträger in Baden-Württemberg  eine steile Karriere hingelegt. Alle Musiker sind als Vollprofis auch in anderen Stilen zuhause, ihre Liebe zum modernen Swing ist jedoch unüberhörbar und als Spielfreude auch sichtbar. Bereits die Auswahl der Programmtitel in der Tradition der Jazzpianisten Wynton Kelly, der seinerseits mit Miles Davis, Sonny Rollins oder Dizzy Gillespie unterwegs war, sowie dem stilprägenden, später zum Islam konvertierten afro-amerikanischen Jazzpianisten Ahmed Jamal, der es immerhin bis auf Platz 3 der amerikanischen Pop-Charts schaffte, darf als musikhistorisch wertvoll gelten.

Aus den Erfolgsmusicals von Gershwin, Hammerstein und Cole Porter stammen vor allem die unsterblichen Melodien und einprägsamen Formen mit denen das Daneck-Trio sein Publikum abholte. Weitere bedeutende Jazzstandards mit historischer und stilprägender Bedeutung, wie Ray Nobles „Cherokee“ aus dessen „Indian Suite“ (mit ähnlicher Entstehungsgeschichte wie Dvoraks „Symphonie aus der neuen Welt“) zeigten kompositorische Besonderheiten. In „Cherokee“ stoßen etwa im A-Teil in einem innovativen Dualismus einfache indianische Pentatonik und avancierte Harmonien, im Mittelteil dagegen mit traditioneller europäischer Harmonik zusammen. Vor allem Charlie Parker machte sich, allerdings im irrwitzigen Tempo das Stück zu Eigen. Es steht für die Verschmelzung europäischer mit amerikanischer Musiktradition.

Über jeden der durchweg sehr gefällig dargebotenen Standards ließen sich solche oder so ähnliche Hintergründe erschließen aus denen sich dann schließlich die Band-Philosophie, eine durchaus reflektierte Sichtweise der Musiker auf den Jazz im Allgemeinen und den Swing im Besonderen ergibt. Aber erst, wenn diese Sichtweise sich auch emotional einem Publikum erschließt, ist das ästhetische Ziel erreicht, dem Schönen, Wahren und Guten zu dienen. Unterhaltung wird dabei zu einem angenehmen Nebenzweck. Zwei ausgedehnte Zugaben und strahlende Gesichter bei Musikern und Zuhörern setzten ein Ausrufezeichen hinter einen erfüllten Konzertabend.

gez. H. Schönecker

 

17.01.2016: The Sugar Foot Stompers

Klassischer Frühschoppen mit „Classic Hot Jazz“

„The Sugar Foot Stompers“ in bester Spiellaune

BIBERACH – Offenbar beflügelt von ihrer über vierstündigen Anreise durch den tief verschneiten romantischen Schwarzwald und in allerbester Spiellaune tauchten die acht gestandenen Musiker der „Sugar Foot Stompers“ aus Lörrach kurz vor Beginn des Konzertes und schon nach den ersten Gästen am späten Sonntagvormittag im Biberacher Jazzkeller auf. Und die Routiniers um „Chief“ Heiner Krause, deren Formation im Kern seit deren gemeinsamen Abitur 1986 zusammenspielt, ließen beim klassischen Weißwurstfrühschoppen des Jazzclubs zum Auftakt des neuen Jazzjahres nichts anbrennen. Vom ersten Ton an war das trotz heftigem Wintereinbruch und einer kurzfristig auf denselben Termin verschobenen Konkurrenzveranstaltung überraschend zahlreich erschienene Publikum sichtlich begeistert.

Den musikalischen Weg der „Sugar Foot Stompers“ säumen eine ganze Reihe ambitionierter CD-Aufnahmen, wovon auch das jüngste beim Biberacher Jazzclub vorgestellte Album „Classic Hot Jazz“ beredtes Zeugnis ablegte. Nicht nur durch dem historischen Kontext verpflichtete, dabei aber stilistisch eigenständige Interpretationen, auch mit ernsthaftem dokumentarischem Anspruch und mitunter gar der Ersteinspielung von mühsam rekonstruierten Originalkompositionen aus den 1920er Jahren (Panama Blues) stellte das Programm weit mehr dar, als bloße „Frühschoppenmusik“. Dies wusste der humorig und geistreich in drolligem südbadisch-schweizerischen Dialekt moderierende „Chief“ Heiner Krause, der ansonsten ein leicht aufgerüstetes Waschbrett und gelegentlich ein Kornett sowie eine Flüstertüte bediente, auf subtile Weise mitzuteilen: Der „Classic Jazz“ der „Sugar Foot Stompers“ sei beileibe keine bier- und weißwurstselige Unterhaltungsmusik. Was allerdings weder das Publikum vor einer guten, anspruchsvollen Unterhaltungsmusik noch die Musiker vor diversen Weißwürsten und Weißbieren bewahrte. Glücklicherweise.

Die Musiker, allen voran die Bläsersektion, zelebrierten ihre kurzen Soli stiltypisch und oft auch in Anlehnung an die historischen Vorbilder, forderten dabei immer wieder den Szenenapplaus heraus und ließen sich von den Wogen der Begeisterung aus dem Publikum in den siebten Jazzhimmel emportragen. Erst nach fast drei Stunden, als die Zugaben und die Anekdoten aus der Frühzeit des Jazz und den durchaus interessanten Einblicken in die Biographien der Musiker langsam ausgingen, ging auch das Jazzfest allmählich zu Ende. Die hauptberuflichen Dozenten, Musiker, Schulleiter, Informatiker und Physiker tauchten schließlich ebenso zufrieden wie das Publikum aus den tiefsten Sphären ihres schönsten Hobbys wieder in den Alltag empor und machten sich, nicht ohne dass zuvor noch zahlreiche handsignierte CDs ihren Besitzer gewechselt hatten, wieder auf den langen Heimweg.

 

gez. H. Schönecker