BIBERACH – Während es draußen noch regnete und stürmte, ließ ein hochkarätiges und gut aufgelegtes Musikerteam um den amerikanischen Saxophonisten Harry Allen im gut besuchten Jazzkeller bereits den goldenen Herbst anbrechen. Nach vielen Jahren Unterbrechung gab es erstmals wieder den vom Jazzclub organisierten „Biberacher Jazzherbst“, ein Wochenende mit internationalen und nationalen Jazzgrößen, zu dem in der Vergangenheit auch mal eine Koryphäe wie Albert Mangelsdorff sich die Ehre gab. Der Auftakt zur Neuauflage mit dem originär swingenden „Frank Sinatra des Tenorsaxophons“ war ein voller Erfolg, das Publikum hell begeistert.
Mit unbewegter Miene und einer aufs Minimum reduzierten Körpersprache strahlte Harry Allen all seine Emotionen und Affekte ausschließlich über sein hochexpressives Saxophonspiel ab. Seine versierten Mitmusiker, eigens für eine zweiwöchige Europatournee von Lothar Kraft zusammengestellt, hatte er dabei mit kleinsten Gesten und Blicken fest im Griff. Und dabei spielte er nicht nur meisterlich auf seinem Tenorsaxophon, er spielte auch – im doppelten Sinne – mit seinen Musikern. Stellte er diese doch immer wieder vor überraschende Herausforderungen, indem er ganz spontan die Soli verteilte, den Ablauf änderte und sie oft augenzwinkernd in kleinräumige Dialogimprovisationen verwickelte. Dieser vorwiegend rhetorisch geprägte Improvisationsstil ließ die abwechslungsreiche musikalische Interaktion auch besonders sinnfällig, ja amüsant für das Publikum werden, das seinerseits aufmerksam und fachkundig die kreativen Leistungen der Musiker mit Zwischenapplaus und anfeuernden Rufen kommentierte.
Cécile Verny verzaubert Publikum im Biberacher Jazzkeller
Mannigfaltige magische Momente bei der CD-Präsentation von „Of moons and dreams“
BIBERACH – Mehr als 30 Jahre gemeinsame Bandgeschichte stecken in dem Quartett der deutsch- französischen Sängerin Cécile Verny mit Wurzeln in der westafrikanischen Elfenbeinküste. Entsprechend gereift und überzeugend geriet, trotz langer Sommerpause und konzertanter Durststrecke, der jüngste Auftritt im Jazzkeller. Die Eröffnung der Herbstsaison des Jazzclubs, erstmals seit langem ohne pandemiebedingte Einschränkungen, lockte bereits wieder viele Gäste an. Dennoch scheint das Vorkrisen-Niveau noch nicht ganz erreicht. Mit dem bestens aufgelegten Quartett aus Freiburg konnte der letzte Altvertrag der wegen Corona ausgefallenen Konzerte nachgeholt und gleichzeitig ein markanter Startpunkt für die kommenden Konzerte gesetzt werden. Die Publikumsresonanz war überwältigend.
Stilistisch verwurzelt in der Ära von Soul, Blues, Rock, Latin, Jazz und Funk, angereichert durch die Tradition des französischen Chansons, rhythmisch durchpulst von den afrikanischen Wurzeln und unterstützt durch eine natürlich wirkende charismatische Präsenz verzauberte die Sängerin vom ersten Ton an ihr Publikum. Das vielfach ausgezeichnete Freiburger Quartett (u.a. Preis der deutschen Schallplattenkritik) hat einen eigenständigen, eindrucksvollen Personalstil entwickelt, der vollständig ausgereift in der jüngsten CD-Produktion „Of Moons And Dreams“ kulminiert. Live präsentiert entwickelten die Stücke ein eindrucksvolles Eigenleben aus der inspirierten Stimmung des Abends heraus. Viele magische Momente ließen das begeisterte Publikum oftmals buchstäblich den Atem anhalten, gingen unter die Haut und direkt in die Seele. Alle Bandmitglieder waren mit eigenen Kompositionen vertreten, musikalisch auf Augenhöhe und auf allerhöchstem Niveau.
Biberacher Jazzpreis 2022 – Herzschlagfinale in der Gigelberghalle
Vincent Meißner Trio aus Leipzig gewinnt im Fotofinish
BIBERACH – Mit nur einem halben Punkt Vorsprung kann sich das Leipziger Jazztrio um Vincent Meißner im hochklassigen Finale des internationalen Biberacher Jazzpreises 2022 knapp gegen seine Konkurrenten durchsetzen. Auf Rang 2 folgt das ungewöhnliche Duo „Lightville“ aus München, welches auch den Kompositionspreis erhält. Der Publikumspreis geht mit deutlichem Vorsprung an das Duo „Duolog“ aus Schweinfurt, welches es insgesamt auf Rang 3 schafft. Ebenfalls nur knapp abgeschlagen folgt das Duo „Dimension“ aus Backnang auf Rang 4. Der fünfte Finalist, das Augsburger Trio „Flo & Fauna“, konnte wegen einer Coronaerkrankung des Keyboarders nicht zum Finale antreten.
Aus der vierköpfigen Jury (Rebecca Trescher, Prof. Jürgen Seefelder, Oliver Hochkeppel, Dr. Helmut Schönecker) war zu vernehmen, dass die Qualität der Wettbewerbsbeiträge in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und damit bereits die Vorauswahl zu einem schwierigen Unterfangen wurde. Die stilistische Bandbreite der fünf Finalisten, die in einem aufwendigen Verfahren aus rund 30 Bewerbern ausgewählt wurden, ließ bereits darauf schließen, dass hier sehr individuelle Ansätze auf hohem technischem und künstlerischem Niveau zu beurteilen sein werden. Liegt es in der Natur des Jazz, dass stilistische Offenheit und Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sujets zum Wesenskern gehören, so ist aber vor allem die lebendige Improvisation ein wesentlicher Bestandteil.
„Duolog“ aus Unterfranken wollten erklärtermaßen die „einengenden Grenzen des Jazz“ erweitern. Im Bereich Sound ist Ihnen das zweifellos gelungen. Zeitgemäß mit Vocoder, Harmonizer und weiteren elektronischen Helferlein ausgerüstet, durch perfektes „mundgemachtes“ Beatboxing ergänzt, konnten sie die Brücke zum zeittypischen Dancefloor-, HipHop und Technosound schlagen. Ihre Besetzung schien damit mindestens zum Quartett erweitert. Der druckvolle Sound, eine hohe Energiedichte, meisterliche technische Umsetzung sowie die Kombination von Elektronik und natürlichen Instrumenten, wie etwa der ungewöhnlichen Akkordina überzeugten und begeisterten – vor allem das Publikum. Der Jury war dies nur ein dritter Rang wert. Zu konventionell blieben die Strukturen, zu patternhaft der Aufbau, zu weit weg vom Jazz das Resultat.
Genau ins Schwarze traf dagegen das junge Leipziger Trio mit seinem technisch und musikalisch brillanten Schweizer Kontrabassisten Josef Zeimetz, der noch vor der Preisverleihung in den Zug nach Basel steigen musste. Trotz des undankbaren ersten Startplatzes spielten sich die (Wahl-) Sachsen schnell frei und fanden zu einem abwechslungsreichen, ausdrucksvollen und hochenergetischen Spiel. Aus spontan erfundenen Motiven Ideen zu entwickeln, in höchster Präzision und technischer Meisterschaft zu komplexeren Gebilden auszuformen gehörte für die jungen Jazzer bereits zum Markenkern. Dass neben kreativen Eigenkompositionen fast unmerklich auch Motive aus bekannteren Stücken einflossen, gehört im Jazz zu den Grundkompetenzen.
Für den Kompositionspreis war dies jedoch nicht genug. Originell, innovativ und gestaltkräftig waren die Kompositionen der Pianistin Shuteen Erdenebaator aus Ulan Bator (Mongolei). Ihre lyrischen, weit ausgreifenden Melodielinien konnte sie auf dem wunderbar klingenden Bechsteinflügel eindrucksvoll, plastisch und hochmusikalisch umsetzen. Neben einer dreisätzigen Komposition zur Eröffnung war es vor allem ihr Stück „Answer from a distant hill“, welches im Duo mit dem Münchner Nils Kugelmann an der selten gespielten Kontra-Alt-Klarinette überzeugte. Klänge wie aus einer anderen Welt, tiefste Basstöne, Klappen- und Atemgeräusche, „heiße Luft“ als Ausdrucksmittel kontrapunktierten die sensiblen Klavierpartien. „Lightville“ verdiente sich neben dem Kompositionspreis auch noch den mit 1000 Euro dotierten zweiten Rang.
Das jüngste und ungewöhnlichste Duo „Dimension“ aus Backnang kam mit knappem Rückstand auf den vierten Rang. Carlotta Armbruster (Posaune) und Jonas Heck (Schlagzeug) setzten ganz auf freie Improvisation und spontane Interaktion. Multiphonics, das auf Albert Mangelsdorff zurückgehende, mehrstimmige Spiel auf der Posaune, rhythmisches Atmen ins Instrument ohne Mundstück, Klopfen mit der Hand aufs Mundstück und der Einsatz verschiedenster Dämpfer machten das Spiel abwechslungsreich und klanglich vielseitig. An der Dramaturgie der Stücke wird noch zu arbeiten sein.
25 Jahre nach ihrem eigenen Gewinn des Biberacher Jazzpreises zeigte die „Grupa Janke Randalu“ im Kurzkonzert, was wahre Meisterschaft ist. Im Rückgriff auf ihre gemeinsamen musikalischen Anfänge am Karlsruher Konservatorium filetierten der estnische Ausnahmepianist Kristjan Randalu und der polnische Drummer Bodek Janke bekannte Nummern aus dem Realbook um diese dann auf umwerfende und frappierende Weise wieder neu zusammen zu setzen.
Neue CD „SING!“ geht auch im Livekonzert unter die Haut
Duo „Saygili-Autschbach“ rockt den Jazzkeller
BIBERACH – Das mehrfach preisgekrönte Duo „Saygili-Autschbach“ gastierte mit seinem neuen, während des Lockdowns entstandenen Album „Sing!“ im vorpandemisch überaus gut besuchten Jazzkeller und vermochte mit einem sensationellen Auftritt rundum zu begeistern. Peter Autschbach ist für die Biberacher Jazzfans ein alter Bekannter und wahrer Publikumsmagnet. Bereits zum fünften Mal gastierte der Ausnahmegitarrist in unterschiedlichen Besetzungen bei den Jazzbibern. Im zarten Alter von 58 Jahren hat er nun im Duo mit Samira Saygili 2020 nach seinem eigenen Bekunden erstmals an einem internationalen Wettbewerb in Bukarest teilgenommen und war dort gleich ins Finale gekommen. Im vergangenen Jahr gab es dann den deutschen „Singer-Songwriter-Preis 2021“, den 1. Preis als „Bester Gitarrist“ des Jahres 2021 und außerdem den Preis der „besten Komposition 2021“ für den Titel „Starlight“ der ebenfalls auf der präsentierten CD „Sing!“ enthalten ist.
Dass diese Preise im Rahmen der Veranstaltung „Deutscher Rock & Pop Preis“ verliehen wurden, tat der Begeisterung der zahlreichen Jazzfans keinen Abbruch. Für die progressiveren Fans experimenteller Jazz-Avantgarde gibt es schließlich in zwei Wochen das Finale des internationalen Biberacher Jazzpreises in der Gigelberghalle als Kompensation. Für einen entspannten und inspirierten Wochenausklang in fast schon nachpandemischen Zeiten waren die von Samira Saygili und Peter Autschbach gebotenen Stücke jedenfalls genau richtig, wie auch der stürmische Applaus und die zwei bereitwillig gewährten Zugaben bewiesen.
Beginnend mit Elton Johns „Your Song“ in einer an Al Jarreaus legendäre R&B-Version erinnernden und mit einer gehörigen Prise Jazz versehenen Darbietung gingen die musikalischen Preziosen von Anfang an unter die Haut. Die stilistische Bandbreite und künstlerische Reife der Stücke war für sich genommen bereits beeindruckend. Mal klang es eher chansonmäßig, mal kabarettreif, mal mit Scatsilben improvisiert, mit Songtexten auf Englisch, Deutsch und Französisch, ja sogar auf Türkisch, mal mit swingenden oder straight groovenden Rhythmen. Die wandlungsfähige Stimme Saygilis fand sich mal im rasanten Unisono mit der Gitarre, mal solistisch, dank Loopmaschine mit teils mehrschichtiger Gitarrenbegleitung in tiefgründig balladesker Poesie. Nicht einen Moment fehlte es jedoch an jazztypischer Spontaneität, prickelnder, mitreißender Sing- und Spielfreude, kreativem Einfalls- und Variantenreichtum bei den Improvisationen gepaart mit fesselnder Bühnenpräsenz. Und all das trotz total relaxt wirkender natürlicher Lockerheit des Auftretens.
Dem Andenken an ihren an Corona verstorbenen Vater widmete Samira Saygili den „Baba-Song“. Über ruhig pulsierenden Akkorden entfaltete sich eine innige, tief empfundene Hommage an ihren „Baba“, eine wehmütige Erinnerung an glückliche Zeiten aber auch den Dank dafür. Eine weitere, nicht auf der aktuellen CD „Sing!“ enthaltene Komposition, „Rodriques“, eine abgelegene zu Mauritius gehörende Vulkaninsel im Indischen Ozean und die Erinnerungen an einen Aufenthalt in einem der letzten Paradiese der Erde, faszinierte ebenso wie der spontane „Centerpiece Blues“, der ganz aus dem Augenblick heraus lebte und in vielen Facetten changierte. Beinahe transzendentalen Charakter entwickelte die erste Zugabe „Somewhere Over The Rainbow“ in einer höchst eigenständigen Interpretation, die eine begeisterte Konzertbesucherin gar zu der Aussage verleitete, das Stück künftig nur noch in dieser Version anhören zu wollen. In einer Reminiszenz an die Fahrstuhlszene im ersten Blues-Brothers-Film erklang zum Abschluss eine wunderbare, augenzwinkernde Parodie auf das „Girl from Ipanema“. Chapeau!
BIBERACH – Unprätentiös, mit nur wenigen erklärenden Worten dafür aber mit vielen Tönen, durchmaßen die beiden Musiker in Überlichtgeschwindigkeit einen wahren Kosmos an musikalischen Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten. In schwindelerregender Virtuosität oder, wie Norbert Scholly in seiner Hommage an Käpt’n Kirk und dessen Enterprise in Star Trek anmerkte, mit futuristischem Warp-Antrieb, startete das Duo aus der ungewöhnlichen Kombination von Klavier und Gitarre seine höchst kreative Reise durch Raum und Zeit. Die Idee, den Raum zu krümmen um durch einen Raum-Zeit-Tunnel weit entfernte Ziele binnen eines Lidschlages zu erreichen, geht auf Einsteins Relativitätstheorie zurück. Die Manipulation der Zeit oder wenigstens unseres Empfindens davon, ist jedoch auch eine Kernaufgabe von Musik, der sich das Duo in besonderem Maße verschrieben hatte: Die Zeit verging während des Konzertes im Jazzkeller tatsächlich wie im Flug und die Phantasie des begeisterten Publikums durchmaß unendliche Weiten.
Der gebürtige Ravensburger Rainer Böhm, Inhaber zweier Professuren in Nürnberg und Mannheim und mit unzähligen nationalen und internationalen Preisen bedacht, hat mit Norbert Scholly einen kongenialen Partner gefunden. Lehraufträge für Jazzgitarre in Mainz und Weimar, europäische Solistenpreise, Kompositionsaufträge und unzählige Tourneen als Solist und gefragter Sideman markieren seine ungewöhnliche Karriere als Gitarrist mit einem charakteristischen Personalstil aus kammermusikalischer Intensität und plastischer Phrasierungsgabe.
Aus der Vielfalt der gestalterischen Mittel ragte bei beiden Künstlern eine permanente Metamorphose der Begleitfiguren, oft in rhythmisch-permutativer Ausgestaltung heraus. Die vielfältigen Kombinationen der Stilmittel führten dabei nicht etwa zu einer Beliebigkeit oder Oberflächlichkeit sondern forderten bewusstes, strukturelles Hören geradezu heraus. Perlende Läufe am Kawaiflügel und gestaltkräftige Melodielinien auf der Gitarre in ständiger Interaktion und nonverbaler Kommunikation wechselten mit rasanten, beeindruckend synchronen Unisonopassagen, die nur gelingen können, wenn beide Musiker auf derselben Wellenlänge funken. Auch ungerade Taktarten, 5er oder 7er, ja selbst die Überlagerung verschiedener Metren konnten die beiden Magier in ihrem Spielfluss und ihrer geradezu überschäumenden Spielfreude nicht ausbremsen.
Neben gleichermaßen eleganten, rasanten und temperamentvollen Stücken wie „El Movimiento del Gato Negro“ von Norbert Scholly fanden auch kontemplative Titel wie „Kennys World“ von Rainer Böhm als Hommage an Kenny Wheeler ihren Weg unter die Haut des begeistert applaudierenden Publikums. Beide Titel finden sich, wie die meisten anderen Stücke des Abends auf der jüngsten CD des Duos, die sich als Mitbringsel für den Osterhasen nach der inspirierten und inspirierenden Zugabe von „Georgia on my mind“ großer Beliebtheit erfreute.
Gabriel Mbanda Quintett präsentiert neue CD im Jazzkeller
Begeisterte Aufbruchsstimmung mit „Iwiye“
BIBERACH – An Selbstvertrauen fehlte es dem umtriebigen Wahlbiberacher Gabriel Mbanda aus Kamerun sicher nicht. Vor ausverkauftem Haus – pandemiebedingt leider nur mit 60 Prozent der Kapazität, 3G-Regel und FFP2-Maske – erschien der afrikanische Bandleader des Quintetts ganz alleine mit seinem Kontrabass auf der mit reichlich technischem Equipment vollgestellten Bühne des Jazzkellers. Mit einem kontrapunktisch angelegten Vokalsolo interagierte er mit seiner eigenen Basslinie und schlug so unmittelbar eine Brücke zu dem erwartungsvollen Publikum bevor er noch die Band dazu holte.
In einem ausgewogenen, transparenten Soundkontext agierten – nach nur drei gemeinsamen Proben in Stuttgart – die fünf Musiker ohne merkliche Abstimmungsprobleme mit sichtlicher und hörbarer Begeisterung die Stücke aus der Feder von Gabriel Mbanda. Mit dem ebenfalls in Biberach lebenden Peruaner Cesar Gamero an diversen Perkussions-Instrumenten, dem Ulmer Jazzschlagzeuger Christian Krischkowsky, dem Münchner Trompeter Julian Hesse und dem vielfach preisgekrönten Stuttgarter Martin Sörös am Kawaiflügel hatte Mbanda eine erlesene Auswahl an Musikern zusammengestellt, die bestens harmonierte und keineswegs nur einen Pflichttermin absolvierte.
Gegenüber Mbandas aktueller während der Coronazeit entstandenen CD-Produktion „Iwiye“ waren die Livedarbietungen um eigentlich überflüssige Background-Sounds und bloße Klangteppiche entschlackt, ruhten aber dennoch in schwebender Leichtigkeit auf einem tragfähigen Gefüge aus perkussiven, hochenergetischen Stimulanzien der Schlagzeugabteilung und einem dezent mit Effekten angereicherten Wohlfühl-Sound. Iwiye – die Morgenröte – steht, wie der gleichnamige Titelsong, für eine hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung, für einen optimistischen, persönlichen Stilmix ohne Berührungsängste und vielleicht auch für neue Hoffnung auf eine Zeit nach Corona.
Die spannende Polarisierung zwischen schlichten, meist pentatonisch oder repetitorisch angelegten, eingängigen Melodien sowie der samtig-einschmeichelnden Stimme Mbandas, griffigen, ostinaten Begleitformeln im E-Bass, einfühlsamen Flügelhornpatterns, brillanten und variantenreichen Klavier-Fill-Ins und einer hochkomplexen Rhythmussektion, die auch in ungeraden Taktarten wie 5/4- oder 7/8-Takten souverän groovte, hauchte den Texten Leben ein, gab ihnen Überzeugungskraft und Tiefe. In seiner Moderation versäumte es Mbanda glücklicherweise nicht, seinen Zuhörern Übersetzungen der Songtexte und weitere Hintergrundinformationen zu liefern.
So gestand er offen ein, dass der Kontakt zu karibischen Musikern, deren Musik sich ja ebenfalls aus afrikanischen Wurzeln speist, ihn in ein divergentes Spannungsfeld zur Musik des heutigen Kamerun versetzte. Es zeichnet ihn aus, dass er – nicht nur in dem Titel „Mu Samba“ – eine sensible Liaison zwischen den unterschiedlich interpretierten afrikanischen Wurzeln und weltmusikalischer Offenheit fand. Der Titel „Struggles of Joseph“ spiegelte die Auseinandersetzung mit biblischen Themen wieder, während er in Stücken wie „For You“ sich offen an sein Publikum wandte und dieses aktiv einbezog. Durfte dieses im Titel „Léyè Mbe“ bereits im Unisono mitsingen, brachte der als Zugabe erneut gespielte Titel noch eine weitere Steigerung. Zu einem dreistimmigen Kanon des kurzerhand eingelernten Publikums, aufgeteilt auf die Vokale „a“, „i“ und „o“, improvisierte Mbanda über der einprägsamen Melodie spontan noch eine Überstimme im Scatstil und erntete auch dazu langanhaltenden Applaus, der von den aufgekratzten Musikern mit einer weiteren Zugabe belohnt wurde.
Text und Fotos: Helmut Schönecker
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