Kritik – Seite 3 – Jazzclub Biberach e.V.

25.11.2022: LBT (Support: Daktylus Jazz Utopia)

Konzertkooperation: „Daktylus Jazz Utopia“ als Support von „LBT“

Psychedelic Revival – Zurück in die Zukunft

BIBERACH – Als Vorband für das Konzert mit dem renommierten Leo Betzl Trio, als Kooperation zwischen dem Verein Lilienthal und dem Jazzclub Biberach, in der Kulturhalle Abdera angetreten, konnte die lokale Formation „Daktylus Jazz Utopia“ bereits eine stattliche Besucherzahl begrüßen und begeistern. Für die älteren Jahrgänge unter den Besuchern war ihre Musik ein „Flashback“ in die 60er und 70er Jahre, als Bandnamen wie „Pink Floyd“, „The Doors“ oder „Deep Purple“ und Musiker wie Jimi Hendrix, Jim Morrison oder Janis Joplin für die Anfänge psychedelischer Rockmusik standen. Der experimentelle Umgang mit dem Sound und zunehmend komplexere Songstrukturen im Rock waren damals neuartig. Ausgedehnte Soloimprovisationen, der freie Umgang mit den Formen und die Besetzung des Orgeltrios aus Hammond-Orgel, Gitarre und Schlagzeug verweisen auf die Wurzeln im Jazz. Oft auch durch Drogen inspiriert, sollte der Horizont erweitert und der Weg in transzendente Sphären gebahnt werden. Woodstock und die Anfänge des legendären Club 27 fallen in diese Zeit. Andi Schnell an der E-Gitarre, Bernward Schäfer an der elektronischen Orgel und Lazzaro Locher am Schlagzeug machten ihre Sache nicht nur handwerklich ganz ordentlich. Spirit und Sound stimmten, die Coverversionen – etwa von Jimi Hendrix aber auch die Eigenkompositionen von Bernward Schäfer heizten dem Publikum bereits kräftig ein. Als Andi Schnell in typischer Hendrix-Manier während eines ausgedehnten, virtuosen Gitarrensolos die Gitarre hochnahm und zärtlich mit der Zunge liebkoste schlugen die Wogen der Begeisterung hoch. Der Begriff „Utopia“ im Bandnamen wird jedoch noch mit Leben und neuen Ideen zu füllen sein. Bisher klingt er noch stark nach „Revival“.

LBT – Leo Betzl Trio – Jazz meets Techno meets Jazz

Gleichförmigkeit und Mechanik im computergenerierten Techno aufzubrechen und mit der Idee des Jazz und der Livemusik zu versöhnen, ist der innovative Ansatz des Leo Betzl Trios – LBT, vor Jahresfrist auch mit dem BMW Welt Jazz Award und dem Burghauser Jazzpreis bedacht. Neben dem Namensgeber, Initiator und Pianist Leo Betzl überzeugte am umgebauten, gestrichenen, gezupften oder auch mal geschlagenen Kontrabass Maximilian Hirning, der auch für einen Teil der Kompositionen verantwortlich zeichnete. Das nimmermüde Kraftwerk der Truppe am höchst fantasievoll erweiterten Schlagzeug war Sebastian Wolfgruber. Gleich die ersten Beats kamen in der mittlerweile gut gefüllten Kulturhalle technotypisch satt und kraftvoll. Eine sonor schmatzende Kickdrum mit fetten Wumms, an der unteren Hörgrenze wummernde Tiefbässe und viele repetitive Elemente, kombiniert mit einem experimentell extrem erweiterten, durchaus auch psychedelischen Klangspektrum, überaus druckvoll abgemischt, ließen die Vorband im Nachgang doch vergleichsweise blass aussehen. „Faszinierend, dass die auch ohne elektronische Instrumente und automatisierte Patterns wie waschechter Techno klingen“ waren Stimmen aus dem verblüfften Publikum zu vernehmen. „Unglaublich, was die aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug herausholen“ war verbreitete Meinung. Oder mit der Stimme eines langjährigen Jazzclub-Stammgastes: „Ich wusste gar nicht, dass ein klassisches Jazzklaviertrio auch so klingen kann“. Aber was den einen vor Verwunderung und Staunen die Ohren und Augen aufgehen ließ, ließ die anderen ungeniert und extroviert sich in Ekstase tanzen. Der kraftvolle Groove ließ die Halle vibrieren und das Blut kochen. Selbst manche der geladenen Honoratioren gingen ab wie Schnitzel. Fast unmerklich für die einen und durchaus erfreulich für die anderen war der in der Livemusikszene häufig geschmähte Techno richtig lebendig geworden, professionell und handgemacht, mit echtem, von Herzen kommendem Puls durchzogen und mit improvisatorischen Elementen virtuos durchsetzt. Dass dabei auch viele fantastische, oft selbstentwickelte akustische Instrumente wie etwa einen auf den Beckenständer montierten Fahrradspeichenkranz oder präparierte, speziell gedämpfte Saiten des Klaviers in der Tradition eines John Cage und vieles mehr eine Rolle spielten, machte das Erlebnis umso frappierender. Dieser Weg könnte durchaus weiter ins Land Utopia führen. Ob die Titel der textlosen Songs – auf der neuen Doppel-CD finden sich solche wie „Zappa“, „Parks Bells“ oder „Changing Moods“ – auch als Verstehungshilfe taugen, muss wohl jeder mit sich selbst ausmachen.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

18.11.2022: Lorenzo Petrocca Italian Organ Trio

Locker-leichter Soul mit italienischem Flair

Petroccas melodienseliges Italian Organ Trio im Jazzkeller

BIBERACH – „Konzert für Schlagzeug und Begleitband“ hätte auf den ersten Eindruck das Motto der Veranstaltung im Jazzkeller der Bruno-Frey-Musikschule lauten können. Dominant in mehrfacher Hinsicht war er nämlich, der Mailänder Schlagzeuger Tommaso Bradascio mit sizilianischen Wurzeln. Mittig auf der Bühne platziert, zwischen seinen feinfühligen Mitspielern an der warm und einschmeichelnd klingenden Gibson-Gitarre des Wahlstuttgarters Lorenzo Petrocca und der im unverwechselbaren Hammond-Leslie-Sound vernehmbaren Viscount-Legend-Orgel stand er auch ohne elektrische Verstärkung akustisch im Mittelpunkt des Geschehens. Temperamentvoll, leidenschaftlich, hoch virtuos und voll überschäumender Spielfreude bildete er das nimmermüde Kraftwerk des „Italian Organ Trios“. Der Turiner Organist Alberto Marsico, den Formablauf und die Grammatik der Stücke fest im Blick, musste ihn ein manches Mal gar durch laute Zurufe aus seinen Exerzitien heraus zur Ordnung rufen.

Hatte man sich aber einmal um das Schlagzeug „herum“ gehört oder hatte Bradascio von den Sticks gelegentlich auf die Jazzbesen gewechselt, offenbarte sich der locker-leichte italienische Stil mit seinen plastischen und gestaltkräftigen Motiven und Melodien erst so richtig. Der aus der Pythagoras-Stadt Crotone in Kalabrien stammende Lorenzo Petrocca, der in seiner Jugend übrigens auch schon württembergischer Boxmeister war, pflegt mittlerweile einen abgeklärten, sensiblen Stil mit weichem aber vollem Gitarren-Sound. Dieser eignet sich in hervorragender Weise um die überwiegend italienischen Melodien, die „Canzoni Italiane“ oder auch seine melodischen Eigenkompositionen wie das vor der Pause erklingende rasante „Cromatism“ zu interpretieren. Und an schönen Melodien und Ohrwürmern litt das illustre Programm wahrlich keinen Mangel. „Parla piu piano“ aus „Godfather“, besser bekannt als Titelmelodie und Ohrwurm aus „Der Pate“, eine soulige Version des italienischen Gassenhauers „O Sole Mio“ als „O Soul Mio“ oder das unsterbliche „Nessun Dorma“ von Puccini ließen dem melodieseligen Zuhörer wohlige Schauer auf den Rücken laufen. Mit diesen bekannten und berührenden Melodien im Ohr erschlossen sich aber auch die interaktiv-improvisatorischen Umspielungen und Variationen derselben umso unmittelbarer. Bereinigt um den Schmalz unzähliger Coverversionen, klanglich etwas verfremdet, rhythmisch geschärft und versehen mit einer farbig erweiterten Harmonik erwachten die längst totgeglaubten Evergreens zu neuem Leben und versöhnten mit dem zumindest direkt vor der Bühne leider nicht ganz so ausgewogenen Gesamtklang.

Spätestens mit dem enthusiastischen Schlussapplaus und dem als Zugabe gespielten Bis-Blues war im stimmungsvoll dekorierten Jazzkeller aber wieder alles im Lot, und dass Petrocca bei all der Spielfreude und Begeisterung trotz der anbrechenden Vorweihnachtszeit vergessen hatte, auf die mitgebrachten CDs hinzuweisen, hinderte kaum jemanden am Kauf derselben.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

13.11.2022: Max Mutzke & Marialy Pacheco

„Wunschlos süchtig“ mit Marialy und Max in der Stadthalle

Duoprogramm „Unsere Nacht“ spricht Biberacher Publikum an

BIBERACH – Rasend schnell waren die mitgebrachten CDs, vor allem die von Marialy Pacheco und Max Mutzke gemeinsam produzierte CD „Duets“, ausverkauft. Aber dieses Beweises für ein überaus begeisterndes Konzert in einer nahezu ausverkauften Stadthalle hätte es gar nicht bedurft. Ein guter, frisch gestimmter Bösendorfer Konzertflügel, exquisiter Sound, stimmungsvolle Beleuchtung, gutes Catering, erträgliche Temperaturen, volle Ränge und vor allem ein zum aktiven Mitmachen aufgelegtes und beifallsfreudiges Publikum inspirierten die beiden Künstler und ließen von Anfang an die Funken sprühen. Noch mehr als bei Mutzkes Originaltiteln brachten die exklusiven Arrangements von Marialy Pacheco sowie die intime Interaktion des Duos, untereinander und mit dem Publikum, die Seele der Musik und deren humanistische Botschaften zur Geltung.

Im sensiblen, aufgeschlossenen Miteinander trifft künstlerische Offenheit auf bodenständige Natürlichkeit. Mutzkes Heimatgefühle vom Südschwarzwald als dem wohlhabenden „Speckgürtel der Schweiz“ treffen auf Pachecos vormalige Gefühle des Eingesperrtseins im verarmten, menschenverachtenden Kuba. Die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit einer liberalen Demokratie trifft auf staatliche Zensur und ideologische Enge einer politischen Diktatur. Beide Künstler verdeutlichten ihre Überzeugungen nicht nur in den Anmoderationen – Kunst und Kultur seien die Leitplanken gesellschaftlichen Miteinanders. Ungleich glaubwürdiger und intensiver veranschaulichten sie diese Intentionen aber in den für das Konzert zusammengestellten Songs, zumal in deren jazzaffiner Offenheit und Spontaneität.

Ein solistisches Intro der gefeierten Jazzpianistin, dann ein ausgeprägt interaktives „Du Und Ich“ über einer ostinaten Begleitfigur, beginnend mit der warmen, souligen Gesangsstimme aus dem Off und schließlich die aktive Einforderung des Miteinanders in dem Song „Nimmst du mich in den Arm“ mit ausgeprägt lyrischen Teilen und nachdrücklicher Publikumsbeteiligung, spiegelte die Dramaturgie des Programmes, die Botschaften der Künstler eindrucksvoll wider. Rückt zusammen, sucht Nähe und Menschlichkeit, erzählt euch „Gute Geschichten“. Lasst uns zusammenfinden in „Unserer Nacht“, denn wir sind „So viel mehr“ – wenn wir aufeinander zugehen. Achtsamkeit ist dabei „Die beste Idee“. Eine überraschend nachgeschobene aber durchaus jazztypische Schlussdissonanz im Klavier, die berühmte „sixte ajoute“, sorgte auch bei Max Mutzke für ein kurzes Schmunzeln. Löste sich damit die „beste Idee“ schließlich doch nicht im finalen Dur-Wohlklang auf, sondern bekam durch den „schrägen“ Ton zusätzlich Würze, Farbigkeit und Offenheit. Vielleicht war dies Marialys Anspielung auf den folgenden Song „Wir sind eine große Familie“, den Mutzke in der Anmoderation mit einem Bonmot aus Köln anpries: „Arsch Huh, Zäng ussenander“ steht demnach für das gemeinsame Eintreten gegen Rechtsextremismus und Rassismus unter dem Motto „Köln stellt sich quer“. Die Kampagne gegen rechte Gewalt aus der Kölner Musikszene der 1990er Jahre wendete sich dabei, wie Mutzke und Pacheco, vor allem gegen eine weitverbreitete biedere Selbstzufriedenheit und Sprachlosigkeit gegenüber gesellschaftlichen Missständen.

Inspiriert durch seinen Fernsehauftritt 2019 bei „The Masked Singer“ als Astronaut entstand Mutzkes Song „Back To The Moon“. Mit kräftiger, rauer und ausdrucksstarker Naturstimme, gelegentlich ins Falsett oktaviert, kontrapunktiert durch filigrane Klaviermotive und stimulierende „Fill-Ins“ lief der Abend mit dem ersten englischsprachigen Songtitel auf seinen Höhepunkt zu. Trotz der ungewöhnlichen Duo-Besetzung und der gegenüber dem Original sehr freien und komplexen Klavierbegleitung gelang der gerappte Funky-Hip-Hop-Titel „Regulate“ überaus überzeugend. Die Unplugged-Zugabe im verdunkelten Saal ging dann in ihrer unmittelbaren Authentizität buchstäblich unter die Haut und dürfte in vielen Ohren noch lange nachgewirkt haben.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

21.10.2022: Vincent Meißner Trio

Biberacher Jazzpreis 2022 – Preisträgerkonzert im Jazzkeller

Vincent Meißner Trio gibt sich die Ehre

BIBERACH – Vor gerade einmal sechs Monaten haben die jungen Musiker um den Leipziger Pianisten und Komponisten Vincent Meißner in der Gigelberghalle den Biberacher Jazzpreis 2022 gewonnen. Einer langjährigen Tradition folgend wurden sie nun vom Jazzclub Biberach zu einem abendfüllenden Konzert im Jazzkeller geladen. Eine willkommene Gelegenheit für das interessierte Publikum sich ausgiebig mit den neuen Konzepten und Ideen auseinanderzusetzen, welche die Jury beim damaligen Herzschlagfinale dazu bewogen hat, im hochkarätigen Teilnehmerfeld gerade dieses Trio zum Gewinner zu küren.

Mit Kompositionen aus ihrer Debut-CD „Bewegtes Feld“, die zur Enttäuschung vieler Fans leider bereits vergriffen war, konnte das deutsch-schweizerische Trio schnell die Brücke zum faszinierten Publikum schlagen. Von Beginn an schienen die Funken zu sprühen, wenn der erst 22jährige Vincent Meißner in die Tasten griff. Von Energiekrise weit und breit keine Spur, ganz im Gegenteil. Der junge Sachse, der mittlerweile in Leipzig bei Michael Wollny studiert, entließ aus scheinbar unerschöpflichen Tiefen immer wieder neue Eruptionen an gestaltkräftigen Motiven und ausdrucksvollen Ideen mit Überzeugungskraft.

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03.10.2022: Big Swing in Concert

„Big Swing In Concert“ beschert Jazzbibern einen goldenen Jazzherbst

Herzensträume und Trompetenzauber in der Gigelberghalle

BIBERACH – Fulminante Klänge und Swing in allen Facetten bescherte das Projekt „Big Swing In Concert“ am Tag der deutschen Einheit mit dem „Daimler Swing Ensemble“ unter Leitung von SWR-Startrompeter Felice Civitareale, dem Trio „Fessele-Knudsen-Streit“, dem „Porter Percussion Duo“ und den „Diamond Strings“ einem rundum begeisterten Publikum in der Gigelberghalle. Der veranstaltende Jazzclub sowie der Initiator des Projektes, Michael Porter, hätten zwar gerne etwas höhere Besucherzahlen gesehen, angesichts der weit verbreiteten Anlaufprobleme beim Neustart der Kultur war die Veranstaltung jedoch mehr als nur ein Hoffnungsschimmer.

In dem knapp dreistündigen Programm blieben keinerlei Wünsche offen. Für jeden der knapp 200 Besucher war etwas geboten. Selbst einem 95jährigen, langjährigen Fan des SWR-Startrompeters Felice Civitareale in der ersten Reihe wurde mit der Zugabe von Louis Armstrongs „What A Wonderful World“ explizit die Ehre eines Geburtstagsständchens gewährt. Bereits die Programmkonzeption versprach abwechslungsreiche Unterhaltung und künstlerischen Genuss auf hohem Niveau. Das hoch dekorierte und international renommierte „Porter Percussion Duo“ mit den Schwestern Jessica und Vanessa Porter aus Laupheim steuerte mehrere hochvirtuose und umjubelte Darbietungen bei. Das in der Region verortete Trio um die quirlige dänische Jazzsängerin Lea Knudsen, den Keyboarder Joe Fessele und Multitalent Norbert Streit an Saxophon und Gesang fetzte mit schwungvollen Beiträgen im fliegenden Wechsel über die Bühne während das routinierte „Daimler Swing Ensemble“, verstärkt durch zehn akademische Streicher aus der näheren und weiteren Umgebung, die „Diamond Strings“ ebenfalls unter der Leitung von Felice Civitareale, mit erlesenen Swingtiteln in neuen Arrangements sowie Eigenkompositionen des Bandleaders das Rückgrat des Programms bildete.

Ohne an dieser Stelle alle Höhepunkte ansprechen zu können, waren es doch vor allem die von allen Akteuren gemeinsam performten Nummern, die das Besondere der Veranstaltung ausmachten. Im vollen Panoramasound, professionell abgemischt von Eugen Ruedel, mit lebendigen Streicherklängen, zwei Keyboards, umfangreichem Drum- und Percussion-Instrumentarium, solistischem und mehrstimmigem Gesang sowie einer Jazzcombo mit herausragenden Soloimprovisationen erklangen viele Highlights der Swingära. Noch heute für viele Zuhörer das Filetstück der Jazzgeschichte, kamen Klassiker wie „Blue Moon“, „Cheek to cheek“, The Shadow of your smile“ oder „Perdido“ – teils sogar unter stimmlicher Mitwirkung des Publikums – in neuem Outfit zu Gehör. Zu den Highlights unter den Highlights gehörte aber zweifelsohne das von Ray Charles bekannt gemachte „Georgia on my mind“, von Cemre Yilmaz, der jungen Meisterschülerin der echoprämierten Stuttgarter Professorin für Jazzgesang, Fola Dada, in einer durchaus eigenständigen Version souverän dargeboten. Noch eindrucksvoller gelang die Neuinterpretation von Chick Coreas „Spain“. In einem Arrangement, speziell für die große Besetzung – Percussion-Duo, Jazz-Trio, Streicher- und Jazzensemble – eingerichtet, ließen es vor allem die Porter-Sisters  und natürlich der absolute Star des Abends, Felice Civitareale, gehörig krachen. Civitareales klangmächtige, innig empfundene Eigenkomposition „Herzensträume“, ebenfalls für die volle Besetzung, nahm dabei nochmals eine herausragende Sonderstellung ein und rührte besonders die zahlreichen Fans des SWR-Solotrompeters zu Tränen der Rührung.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

02.10.2022: Harry Allen Quartet

Biberacher Jazzherbst beginnt erfolgversprechend

Harry Allen Quartet verbreitet gute Laune

BIBERACH – Während es draußen noch regnete und stürmte, ließ ein hochkarätiges und gut aufgelegtes Musikerteam um den amerikanischen Saxophonisten Harry Allen im gut besuchten Jazzkeller bereits den goldenen Herbst anbrechen. Nach vielen Jahren Unterbrechung gab es erstmals wieder den vom Jazzclub organisierten „Biberacher Jazzherbst“, ein Wochenende mit internationalen und nationalen Jazzgrößen, zu dem in der Vergangenheit auch mal eine Koryphäe wie Albert Mangelsdorff sich die Ehre gab. Der Auftakt zur Neuauflage mit dem originär swingenden „Frank Sinatra des Tenorsaxophons“ war ein voller Erfolg, das Publikum hell begeistert.

Mit unbewegter Miene und einer aufs Minimum reduzierten Körpersprache strahlte Harry Allen all seine Emotionen und Affekte ausschließlich über sein hochexpressives Saxophonspiel ab. Seine versierten Mitmusiker, eigens für eine zweiwöchige Europatournee von Lothar Kraft  zusammengestellt, hatte er dabei mit kleinsten Gesten und Blicken fest im Griff. Und dabei spielte er nicht nur meisterlich auf seinem Tenorsaxophon, er spielte auch – im doppelten Sinne – mit seinen Musikern. Stellte er diese doch immer wieder vor überraschende Herausforderungen, indem er ganz spontan die Soli verteilte, den Ablauf änderte und sie oft augenzwinkernd in kleinräumige Dialogimprovisationen verwickelte. Dieser vorwiegend rhetorisch geprägte Improvisationsstil ließ die abwechslungsreiche musikalische Interaktion auch besonders sinnfällig,  ja amüsant für das Publikum werden, das seinerseits aufmerksam und fachkundig die kreativen Leistungen der Musiker mit Zwischenapplaus und anfeuernden Rufen kommentierte.

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