Kritik – Seite 24 – Jazzclub Biberach e.V.

03.06.2016: Lorenz Kellhuber

Gelungene Überraschung im Jazzkeller

Lorenz Kellhuber – Exerzitien statt B3 Power

BIBERACH – Der für das letzte Freitagskonzert des Jazzclubs vor der Sommerpause angekündigte Fusion-Mix aus Jazz und Rock von dem Quartett „B3“ aus Berlin musste krankheitsbedingt leider sehr kurzfristig abgesagt werden. Durch einen glücklichen Zufall war jedoch der mehrfach preisgekrönte Pianist Lorenz Kellhuber gerade in Süddeutschland unterwegs und konnte noch eine Station beim Biberacher Jazzclub einschieben. Und obwohl stilistisch völlig anders geartet, mussten auch diejenigen Gäste, welche die Programmänderung der Tagespresse nicht mehr entnehmen konnten, keine Enttäuschung hinnehmen.

Natürlich war der Sound ein völlig anderer. Und wer den prickelnden Klang der legendären Hammond B3 im rockigen Band-Ambiente erwartet hatte, musste seine Hörgewohnheiten kräftig umstellen. Dennoch war es nicht nur Lorenz Kellhubers  als Zugabe dargebrachte, durch den „Rhythm & Blues“ der späten 60er inspirierte Ballade „Little Wing“ von Jimi Hendrix, die jene Fusion verschiedenster Stilelemente unter dem Übergriff „Jazz“ überzeugend vermitteln konnte.

Lorenz Kellhuber Solo heißt, nach Ansage des Künstlers, ihm auf teils verschlungenen, teils aber auch äußerst geradlinigen Pfaden, immer aus der Perspektive des Jazz, durch kreative Tastenwelten hindurch zu folgen und in ein schillerndes Universum mal komplexer, mal minimalistisch meditativer Strukturen einzutauchen. Ließ Kellhubers erster Titel ohne Namen, vom pianistischen Anspruch, von der Ausdehnung und von der formalen Anlage her durchaus mit dem Kopfsatz einer großen klassischen Sonate zu vergleichen, noch an pianistische Vorbilder wie den ebenfalls klassisch ausgebildeten Keith Jarrett denken, so führte der kontrastierende zweite Titel, gewissermaßen als zweiter Satz in eine vollkommen andere Welt.

Psychedelische Anklänge oder auch Inspirationen durch die „Minimal Music“ kennzeichneten einen durch  einen kurzen harmonisch-melodisch gefälligen Rahmen eingefassten, schier endlos langen Mittelteil, der seinerseits auf einer vielhundertfach repetierten und dabei einer allmählichen Metamorphose unterworfenen Sekundfigur beruhte. Dieses Konstrukt führte entweder ins künstlerisch erfüllte Nirwana kontemplativer Vergeistigung oder aber bei ungeduldigen Zeitgenossen – wie manche suchende Blicke vielleicht suggerieren wollten – in die schiere Verzweiflung. Wer in größeren Zusammenhängen hörte, konnte die Repetitionsfigur jedoch als strukturelles Rückgrat begreifen, als Fels in einer Brandung aus synkopisch darunter und darüber gesetzten Akkordtürmen analog den elektronisch generierten Loops in zeitgenössischen HipHop- und Dance-Grooves. Für einen (Jazz-) Pianisten stellt dies eine echte Herausforderung dar, an der sich gleichwohl seit der barocken Passacaglia oder Chaconne in einer langen Tradition immer wieder die größten Meister virtuos-polyphoner Spieltechniken gemessen haben.

Heiter und beschwingt, ja beinahe tänzerisch ging es nach der Pause in der Art eines „Scherzo“, dem beliebten dritten Satz klassischer Sonaten, kurzweilig weiter. Als aber darauf bereits die Zugabe folgte, wurde dem konzentrierten Hörer überrascht klar, dass der Konzertabend bereits nach dem vierten Stück zu Ende ging. Ein großer Meister seines Faches, völlig zu Recht erster deutscher Gewinner der renommierten „Parmigiani  Montreux Jazz Solo Piano Competition 2014“ und bereits 2010 Finalist beim Biberacher Jazzpreis, spannte hier einen großen Spannungsbogen in einem frei improvisierten abendfüllenden Solokonzert. So hören sich Sieger an.

gez. H. Schönecker

13.05.2016: Swingin‘ Woods

Swingende Leichtigkeit mit der Barbara Bürkle Band im Biberacher Jazzclub

Swingin‘ Woods – Ein Name wird Programm

BIBERACH – Zum 50. Todestag von Nat „King“ Cole, dem legendären afroamerikanischen Jazzpianisten und Sänger im Grenzbereich zwischen Jazz und Pop, brachte Barbara Bürkle mit ihrer Band im vergangenen Jahr unter dem Titel „Swingin‘ Woods“ eine Tribute-CD heraus, die nun im Biberacher Jazzkeller den Löwenanteil eines vom Publikum begeistert aufgenommenen Programms ausmachte. Vor allem die swingende Leichtigkeit und die warme, leicht rauchige Stimme des großartigen Vorbildes kamen in den neuarrangierten Songs bestens zur Geltung. Cole’s historischem Verdienst um kleine, transparente Besetzungen ohne Schlagzeug, trug die unverkennbar swingfreudige Bandbesetzung aus Klavier (Thilo Wagner), Kontrabass (Jens Loh) und Gitarre (Christoph Neuhaus in Vertretung des erkrankten Lorenzo Petrocca) eindrucksvoll Rechnung.

Natürlich durften die großen Nat „King“ Cole Hits, wie das zum Standard gewordene „Gee, Baby, Ain’t I Good to You“ oder dem von Bürkle herausragend interpretierten „Nature Boy“ nicht im Programm fehlen, welches zusätzlich durch gefällige Swingtitel von Cole Porter oder Georg Gershwin aufgelockert wurde. Dabei beschränkten sich die Stücke keineswegs auf Coverversionen der Originale. Eine lebendige Auseinandersetzung mit den Sujets, überraschende, witzige und durchweg auch hochvirtuose Improvisationen ließen die Wogen der Begeisterung im bis auf den letzten Platz besetzten Jazzkeller immer wieder hochkochen.

Dem „virtuellen“ Duett „Unforgettable“ mit ihrem verstorbenen Vater verdankte die Anfang des Jahres ebenfalls verstorbene Natalie Cole drei Grammys und Barbara Bürkle eines der Highlights im Freitagskonzert des Jazzclubs. Im Unterschied zu „King“ Coles legendärer, immer etwas zu tief angesetzter Intonation saß bei Bürkle auch in den virtuosesten Passagen jeder Ton genau richtig. Ihre samtweiche, natürliche und lediglich in den allertiefsten Lagen etwas flachere Stimme kam besonders in den Balladen zur Geltung. Wie ihre hochkarätigen Mitstreiter hatte sie jedoch auch in den rasantesten Swingtiteln keinerlei Mühe. Ganz im Gegenteil. Gerade in den schnellen Nummern blühte das Quartett, allen voran der in geradezu genialer Leichtigkeit swingende Thilo Wagner, regelrecht auf, die Spielfreude wurde fast mit Händen greifbar und übertrug sich unmittelbar auf ein zunehmend gut gelauntes Publikum.

Zum absoluten Höhepunkt des Abends geriet Barbara Bürkle, die ihre Songs auch geistreich anmoderierte, das im Duo mit dem kurzfristig für Petrocca eingesprungenen und seinerseits hochdekorierten „Ersatz“ – Gitarristen Christoph Neuhaus. Charlie Chaplins legendärer Titel „Smile“ aus dem Spielfilm „Moderne Zeiten“ erlebte, wie seinerzeit durch Nat „King“ Cole eine tiefempfundene Reinkarnation. Ein ausgedehntes und weitausholendes Intro von Neuhaus näherte sich, diese konzentrisch umkreisend, allmählich der Kernmelodie an, die dann von Bürkle zärtlich aufgegriffen und in knisternd prickelnder Sanftheit ausgestaltet wurde, bevor in einer weiteren Gitarrenimprovisation dann auch die Rückseite der Medaille vorgestellt wurde.

Mit einer stimmungsvollen Interpretation des Klassikers „When I Fall In Love“ als Zugabe verabschiedete sich die alles andere als „hölzern“ swingende Formation aus der Landeshauptstadt. In den „Swingin‘ Woods“ fanden sich die aus Holz gemachten, natürlich schwingenden, akustischen Instrumente der Formation in einer fruchtbaren Synthese mit Bürkles sympathisch-natürlicher und nur dezent verstärkten Stimme zusammen, der Name war Programm geworden.

gez. H. Schönecker

 

29.04.2016: Subtone

Die Essenz des Guten:

Aufregender Modern Jazz mit „Subtone“ bei den Jazzbibern

BIBERACH – Noch vor einer Woche einer der Topacts auf der „jazzahead!“ in Bremen, gastierte mit „Subtone“ eine der innovativsten Bands der internationalen neuen Jazzszene im voll besetzten Biberacher Jazzkeller. Mit Max von Mosch (Tenorsaxophon, u.a. 2001 Gewinner des Biberacher Jazzpreises) und dem Bandleader Magnus Schrieffl (Trompete/Flügelhorn, 2011 Gewinner der National Trumpet Competition in den USA) gesellten sich zwei kongeniale Solisten zu dem ebenfalls preisgekrönten New Yorker Pianisten Florian Hoefner (2015 Stingray Rising Star Award in Montreal), die in rasanten Unisonopassagen das Publikum verblüfften und in inspirierten Soloimprovisationen entzückten. Matthias Pichler am Bass und Peter Gall am Schlagzeug, beides ausgewiesene Meister ihres Faches, komplettierten das Quintett zu einer schlagkräftigen, energiegeladenen Einheit die es verstand, ihr Publikum vom ersten Ton an zu fesseln und nachhaltig zu beeindrucken.

 

Die Weltstadt des Jazz, New York, hat der in Nürnberg geborene Pianist und Komponist Florian Hoefner bereits 2008 erobert. Seitdem lag dort sein Lebensmittelpunkt bis er vor zwei Jahren nach Neufundland übersiedelte, seiner Frau folgend, die dort eine Professur angenommen hatte. Die ersten Eindrücke von dort flossen ein in seine herausragende und preisgekrönte Komposition „Newfound Jig“, die er vergangenes Jahr mit seiner eigenen Band auf seinem im Dezember 2015 erschienenen Album „Luminosity“ einspielte. Nach wie vor spielt Florian jedoch auch in der 2005 in Berlin gegründeten Gruppe „Subtone“. Mit dieser gastierte er jetzt im Biberacher Jazzkeller und brachte damit mehr als nur einen Hauch Haupt- und Weltstadtjazz zu den Jazzbibern, deren Herzen er im Sturm eroberte.

 

Und eines der Highlights im Biberacher Programm war eben dieser vielgestaltige, dem lebhaften jahrhundertealten irischen Volkstanz nachempfundene „Newfound Jig“, der aus komplexen 3er Rhythmen in einem temperamentvollen Parforceritt besteht. Strukturelle Dichte, gestalterische Intensität und hohe Ausdruckstiefe waren trotz des Höllentempos hierbei keine Gegensätze, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ebenso wie die Fähigkeit der fünf Musiker, allesamt auch herausragende Solisten, sich in eine gemeinsame Bandkonzeption einzufügen, die im Ergebnis mehr ergibt als nur die Summe ihrer Teile.

 

Weitere faszinierende Kompositionen, etwa „Windy Road“ oder „Fall Tune“ von Subtones viertem gemeinsamen Album „Roswithas Revenge“ um nur einige zu nennen, fetzten dem hellwachen Publikum auch ohne zusätzliche Verstärkung beinahe die Ohren weg. Druckvoller Powerjazz kann durchaus ohne überzogene Lautstärke auskommen. Kreislaufstimulierende und blutdrucksteigernde Mittel gibt es durchaus nicht nur in Pillenform – Zweieinhalb Stunden „Subtone“ sind dazu völlig ausreichend und noch dazu ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen.

 

gez. H. Schönecker

23.04.2016: Biberacher Jazzpreis 2016 (Konzert: Joo Kraus & Ralf Schmid)

Herzschlagfinale beim Biberacher Jazzpreis 2016

Junge Schweizer Band „Shane“ gewinnt den internationalen Jazzwettbewerb

BIBERACH – In einem mit über 40 Formationen aus neun europäischen Ländern selten so international und hochkarätig besetzten Bewerberfeld konnte sich beim diesjährigen Biberacher Jazzpreis für jugendliche Jazzmusiker/-innen mit „Shane“ aus Steffisburg erneut eine Formation aus der Schweizer Jazzschmiede in Bern durchsetzen. In einem Herzschlagfinale in der Biberacher Stadthalle schoben sich die jungen Schweizer im Juryurteil knapp vor die Publikumsfavoriten, das „Amaury Faye Trio“ aus Brüssel und konnten damit eine Urkunde sowie die Siegprämie in Höhe von 2000€ aus der Hand des Jury-Vorsitzenden Dieter Ilg entgegennehmen.

Zur Verkürzung der Wartezeit während der Jurybesprechung boten Echopreisträger Joo Kraus an Trompete und Loopgenerator im Duo mit dem mehrfach preisgekrönten Freiburger Professor für Jazzpiano Ralf Schmid in einem Kurzkonzert kurzweilige Kostproben aus ihrem umfangreichen Œvre.

Nach einem kurzen Blick in die Geschichte des Biberacher Jazzpreises durch Kulturamtsleiter Klaus Buchmann und den Vertreter des Jazzclubs in der Jury, Helmut Schönecker, begann die Preisverleihung. Dieter Ilg, der im kommenden Monat in Hamburg für „Mein Beethoven“ seinen dritten Echopreis in Folge als „Instrumentalist des Jahres“ entgegennehmen darf, würdigte „Shane“ insbesondere dafür, dass sie sich mit einer Quartett-Formation ohne Harmonieinstrument bereits einer besonderen Herausforderung stellten. Die damit verbundenen stilistischen und strukturellen Erfordernisse wurden jedoch hervorragend gemeistert. Ein druckvolles Kontrabassspiel (Jérémie Krüttli) und ein relaxt und filigran mit guter Strukturierung und feinsinnigen Akzentuierungen rhythmisch vielschichtig begleitendes Schlagzeug (Philipp Leibundgut) legten die Basis für transparente Strukturen innerhalb derer die beiden Saxophonisten Gabriel Wenger und Michael Gilsenan ihre plastischen Melodien und virtuosen Improvisationen entfalten konnten. Besonders Gilsenan, der auch für alle Kompositionen verantwortlich  zeichnete, entwickelte in seinem rhetorisch geprägten Spiel weite Spannungsbögen von großer Individualität und Tiefe.

Der direkt von der Fachmesse „jazzahead!“ aus Bremen angereiste Münchner Kulturjournalist und Kurator des BMW World Jazz Awards Oliver Hochkeppel überreichte den zweiten Preis mit launigen Worten im Fußball-Jargon an das Trio um den brillanten Jazzpianisten Amaury Faye aus Brüssel, welches bereits zuvor aus den Händen des Biberacher Kulturdezernenten Dr. Jörg Riedlbauer für seinen eindrucksvollen Auftritt den Publikumspreis in Empfang nehmen durfte. Den von ihm selbst gestifteten Kompositionspreis in Verbindung mit dem dritten Preis überreichte Professor Frank Sikora an das Jannis Wolff Quintett. In seiner aus Rücksicht auf die Musiker in Englisch gehaltenen Begründung verwies er auf die hohe kompositorische Komplexität der vorgestellten dreiteiligen Suite sowie auf die Experimentierfreudigkeit, Originalität und Expressivität der aus Ungarn, Equador und Slowenien stammenden Musiker um den deutschen Schlagzeuger Jannis Wolff, die sich in Rotterdam und Kopenhagen beim Studium kennengelernt hatten.

Der Mannheimer Hochschulprofessor Jürgen Seefelder bedankte sich bei der Überreichung des vierten Preises mit lobenden Worten für eine im perfekten Retrostil der 40er- und 50er-Jahre gebotene Vorstellung des „Pascal Bartoszak Quartetts“ aus Köln und Essen. Unter dem Motto „Back to Trad“ hatte die Gruppe, die aus dem Landesjugendjazzorchester NRW hervorging, 2015 ihre erste CD herausgebracht, mit dem Weg in die Vergangenheit nach Ansicht der Jury jedoch die falsche Richtung eingeschlagen. Der fünfte Preis ging schließlich an „moment’s concept“ aus Leipzig, deren hochinteressantes Konzept aus dem Reich der darstellenden Musik in der Wettbewerbssituation vielleicht etwas wenig Raum für die Spontaneität des Augenblickes ließ.

15.04.2016: Beat Kaestli & Walter Fischbacher Trio

Gediegene Unterhaltung auf Weltklasse-Niveau

Alpenländische Urgesteine auf Heimaturlaub

BIBERACH – Die alpenländischen Urgesteine, Beat Kaestli aus Bern und Walter Fischbacher aus Wien mit seinem international besetzten Trio, seit vielen Jahren als Fremdenlegionäre in den Staaten und auch weltweit in Sachen Jazz unterwegs, erfreuten auf Einladung des Jazzclubs beim Freitagskonzert zahlreiche Fans des eher traditionell gehaltenen Vocal Jazz. Gehobene Stimmung und zufriedene Gesichter bei Publikum und Musikern gleichermaßen, reißender CD-Absatz sowie gleich zwei Zugaben zeugten von einem erfolgreichen Konzertabend.

 

Mit gelegentlichen Scateinlagen aufgelockert, entführte die samtig einschmeichelnde Stimme des seit seinem Studium an der Manhattan School of Music (1993) in NY lebenden Beat Kaestli die Besucher im voll besetzten Jazzkeller in die Welt der großen Swing-Entertainer der 1930er und 40er Jahre. Mit einem Stipendium der Ella Fitzgerald Stiftung drückte Kaestli vor rund 10 Jahren an der Aaron Copland School of Music in Queens nochmal die Schulbank und beendete sein Zweitstudium mit einem Master Degree. Als favorisierter Sänger des legendären Glenn Miller Orchesters und „Kulturbotschafter“ der Schweiz tingelte er fortan einige Jahre um die Welt. Gerade erst zurück von einer Nordafrika-, Indien- und Kalifornien-Tournee zeigte der weitgereiste Tausendsassa im Rahmen seiner CD Releasetour „Live in Europe“ auch im beschaulichen Biberach seine hohen Entertainment-Qualitäten. Sein drolliges Schwyzerdütsch ließ dabei die launigen Moderationen nicht minder interessant als seine Stücke erscheinen.

 

Neuinterpretationen und Arrangements von Oldies, wie etwa der als Opener gebrachte Titel „Blackbird“ von den Beatles, das Romberg/Hammerstein-Evergreen „Softly as in a morning sunrise“, dem Jazzstandard „Body & Soul“ oder Gershwins „Summertime“ sowie eingängige Eigenkompositionen in Schlagerqualität, verblieben dabei weitgehend im traditionellen eklektischen Stil. Eine für August geplante CD Release-Show im legendären New Yorker Jazzclub „Birdland“ zeigt dabei, dass er mit seinem nicht gerade in der vordersten Jazz-Avantgarde angesiedelten Stil durchaus den Geschmack des breiten (amerikanischen) Publikums trifft. Eine Neuinterpretation der Volksweise „La Haute sur la montagne“ über ein altes Chalet in der Romandie ragte als Highlight heraus und ging in ihrer intensiven Emotionalität direkt unter die Haut.

 

Das fachkundige Biberacher Publikum, erkannte zur Überraschung des Sängers die beiden Disco-Titel aus den 90er Jahren, die er zu einem neuen Arrangement verquirlt hat. Die Nennung der Originaltitel und Interpreten („Here Comes the rain Again“ von den Eurhythmics und „Missing“ von Tracey Thorn und Ben Watt die als Popduo „Everything but the Girl“ auftraten) brachten der Gewinnerin eine kostenlose CD mit Autogramm ein.

 

Auf der mitgebrachten PA-Anlage lieferte das „Walter Fischbacher Trio“ einen Spitzen-Sound, der besonders dem erstaunlich gut klingenden Mikro-Schlagzeug des gebürtigen Österreichers und Wahl-New Yorkers Andy Winter zugutekam. Auch am Bass-Sound des tschechischen Kontrabassisten Petr Dvorsky, der als mehrfacher Preisträger internationaler Wettbewerbe auch als Mitglied der Bigband des Tschechischen Rundfunks, Begleiter von Ingrid Jensen und Wynton Marsalis sowie als Redakteur der Jazz-Zeitschrift JAM tätig ist, gab es nichts zu mäkeln. Kraftvolle, inspirierte Klavierimprovisationen kamen von  Bandleader Walter Fischbacher, der vor Veranstaltungsbeginn kurzerhand auch dem Kawaiflügel noch eine neue Stimmung verpasste. Der „Super-Funky-Man“, der in NY auch ein Tonstudio betreibt, kam nach einer klassischen Ausbildung als Konzertpianist zum Jazz und ist seither gefragter Sideman (Randy Brecker, Chico Freeman, Ingrid Jensen). Sein souveränes Klavierspiel und die, trotz ihrer Virtuosität eher abgeklärt und unterkühlt wirkenden, dabei stilistisch äußerst vielseitigen Improvisationen setzten immer wieder Höhepunkte und erhielten verdienten Szenenapplaus.

 

 

gez. H. Schönecker

 

 

18.03.2016: Duo Eric Séva – Serge Merlaud

Volles Haus beim Freitagskonzert des Jazzclubs

Modern Jazz und französische Musettewalzer aus der Pariser Käsestraße

BIBERACH – Eric Séva interpretierte mit seinem butterweich gespielten Tenorsaxophon im Jazzkeller vor einem begeisterten, teilweise sogar aus dem fernen Stuttgart angereisten, überwiegend frankophilen Publikum eingängige Jazzstandards und „Valse Musette“ mit starkem Jazzeinschlag. „Musette Neuve“, diesmal nicht zusammen mit ZAZ im „Nouvelle Chanson“, wie bei den letzten Stuttgarter „Jazz Open“ sondern mit Serge Merlaud, einem der interessantesten französischen Jazzgitarristen unserer Zeit. Sein sanfter Gibson-Sound unter Vermeidung klanglicher und dynamischer Extreme verband sich mit dem warmen Saxophonklang zu einem gediegenen, entspannten Wellness-Event mit ausgedehnten „Traumsequenzen“.

Besinnliche Balladen und beliebte Standards wie “Night and Day”, “Caravan”, „Softly as in a morning sunrise” oder dem fast schon romantischen Bossa Nova “Black Orpheus” verschmolzen zu einer subtilen Stilmischung mit heilkräftiger Wirkung. Wirkten die Stücke des Duos nach außen glatt poliert und eher beiläufig daher gespielt, entspannen sich im Inneren mitunter amüsante Dialoge und Kontrapunkte. Begleitete die Gitarre in rhythmisch gefassten Patterns ließ Séva am samtig-rauchigen Saxophon die Zügel zu ausgedehnten virtuosen Improvisationen schießen, benötigte Séva eine gelegentliche Erholungspause wieselte Merlaud solistisch über die blankpolierten Saiten. Am Schönsten und Spontansten waren jedoch gelegentlich eingestreute, eher rhetorisch strukturierte Teile. Dialogisch in kurzen Frage-Antwort-Spielchen oder kontrapunktisch in freier Polyphonie innerhalb der vorgegebenen harmonischen Changes unterhielten sich die beiden Künstler musikalisch über Gott und die Welt.

Bei manchen, vielleicht noch von einer übervollen Arbeitswoche gezeichneten Gästen schien die Kontemplation allerdings mitunter etwas weit zu gehen. Gelegentliche Schmatzer und Schnalzer ins Saxophonmundstück oder unvermittelte Fortissimo-Passagen holten abtauchende Kinnspitzen zum Amüsement der hellwachen Zuhörer oft gerade noch rechtzeitig in die Gegenwart zurück. Und so boten die lebenserfahrenen Franzosen schließlich beides. Eine entspannte Wohlfühlatmosphäre mit einprägsamen Melodien über einem gemäßigt modernen harmonischen Unterbau und hoher Wegtauchgefahr und andererseits mal witzige, mal tiefsinnige, mal kammermusikalisch durchwirkte und mal rhythmisch zupackende Strukturen in oft hochvirtuosen Solo- und Dialogimprovisationen, die höchste Aufmerksamkeit beim Zuhörer verlangten.

In Anspielung auf die Herkunft des väterlichen Tanzmusikers aus der „Rue de Fromage“ in Paris geriet der gleichnamige Musettewalzer von Eric Séva zu einem der stimmungsvollsten Stücke des Abends. Anhaltender Beifall und eine trotz später Stunde gern gegebene Zugabe waren der Schlusspunkt hinter einem unterhaltsamen, heiter-besinnlichen, für manche auch romantisch-verträumten, auf jeden Fall aber sehr französischen Konzertabend.

 

gez. H. Schönecker