Kritik – Seite 48 – Jazzclub Biberach e.V.

12.12.2008: Wolfgang Lackerschmid Trio

Jazzkeller: Konzert mit dem „Wolfgang Lackerschmid Trio“

Von Bachschen „Gigues“ und mozärtlichen „Sauschwänzen“

Volle Bude, volle Begeisterung, volles Programm war am Freitagabend im Jazzkeller angesagt. Die aufgrund des vormittäglichen interaktiven Gesprächskonzertes im Rahmen der von der Landesstiftung Baden-Württemberg, der LBBW und dem Landesjazzverbandes geförderten Veranstaltungsreihe „Jazz für Kinder“ am Wieland-Gymnasium angereisten Jazzer boten interessierten Eltern und Jazzfans auf Einladung des Biberacher Jazzclubs einen eindrucksvollen Querschnitt ihres hochkarätigen Repertoires.

Neben vielen kleinen Kostbarkeiten, Stücke von oder für Chet Baker, Irving Berlin und anderen Titeln seines mittlerweile ziemlich umfänglichen Opus lieferte Lackerschmid vor allem mit einer Komposition über Richard Rodgers „My Favorite Things“ aus dem Broadway-Musical “The Sound of Music” einen raffinierten, komplex-hintergründigen  Beitrag. Das Highlight aus dem Musical über die berühmte Trappfamilie, dessen Harmoniefolge – wie Lackerschmid anlässlich seiner Vorbereitungen für einen musikalischen Beitrag zum Bachfestival Leipzig im Jahr 2006 entdeckte – weitestgehend mit der aus Johann Sebastian Bachs “Gigue” aus der Englischen Suite No. 5 identisch ist, inspirierte Lackerschmid zu einer frechen Gratwanderung zwischen zwei musikalischen Welten. Dieser „seriöse Spaß“ wurde nur noch von den als Auftragskomposition von Lackerschmid vertonten Mozartbriefen an dessen Augsburger Bäsle getoppt. Die deftig-kräftige Sprache Mozarts fand in Lackerschmids intellektuellen musikalischen (An-)Spielereien eine kongeniale Entsprechung aus der auch und gerade die ästhetische Auseinandersetzung der grundverschiedenen Genres ihre Kraft bezog. Der lapidar-melancholische stimmliche Zugriff von Stefanie Schlesinger erwies sich dabei als ideales Medium hintersinnigen Gedankengutes. Besonders im zweiten Set sprühten die Akteure förmlich auf der Bühne. Der Schalk blitzte aus den Augen des Bandleaders, der, förmlich über seinem Vibraphon schwebend, vom rhythmisch groovenden Begleiter in fließenden Übergängen zum virtuosen Improvisator changierte.

In dem brasilianischen Spitzengitarrero Pedro Tagliani, der auf seiner 7saitigen Spezial-Gitarre auch das in der Besetzung fehlende Bassregister abdeckte, fand Lackerschmid einen souveränen Mitstreiter. Unterstützt durch eine fußschalterbediente „Loopmaschine“, die es ihm erlaubte, mehrere musikalische Ebenen übereinander zu schichten, entfaltete Tagliani harmonische Begleitstrukturen in orchestraler Dichte, groovende Basslinien und eher geräuschhafte Rhythmuspatterns über denen er als Krönung seiner Schöpfungen schließlich seine hochvirtuosen Improvisationen erblühen ließ. Die Interaktion mit den Mitmusikern funktionierte dabei, meist sogar blicklos, in einer Perfektion, die neben großem Fingerspitzengefühl und langjähriger Übung vor allem auf einer gemeinsamen Wellenlänge beruhen dürfte. Mehrere Zugaben hinterließen ein restlos begeistertes Publikum.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

12.12.2008: Wolfgang Lackerschmid Trio (Jazz für Kinder)

Wieland-Gymnasium „Jazz für Kinder“ – Interaktives Gesprächskonzert

Musikalische Interaktion in wohldosierten Häppchen

Rund 200 Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 und 6 des Wieland-Gymnasiums hatten am Freitagvormittag in der Aula die Gelegenheit, im Rahmen der von der Landesstiftung Baden-Württemberg, der LBBW und dem Landesjazzverband geförderten Projektreihe „Jazz für Kinder“, ihren musikalischen Standort neu zu bestimmen. Für rund die Hälfte der Kinder war dies nach eigenem Bekunden das erste Live-Konzert überhaupt.

Der Weltklasse-Vibraphonist und Komponist Wolfgang Lackerschmid, pädagogisch und künstlerisch befähigt durch seine langjährige musikalische Zusammenarbeit mit der „Augsburger Puppenkiste“, durch etliche Hörspiele für Kinder und vor einigen Jahren gar einem eigens für das Wieland-Gymnasium komponierten Schulmusical „Labyrinth“, nahm die schwierige Aufgabe auf sich, den „mp3-geprägten“ und „bohlengeschädigten“ Kids eine völlig fremde Welt näher zu bringen.

Die anfänglichen Erwartungen an das ungewöhnliche Event hätten gar nicht weiter auseinander liegen können. Das zum Abschluss einer klassenarbeitsreichen Woche eher auf „Happening“ eingestellte jugendliche Publikum war zwar sofort dabei, klatsche mit und staunte über das ohne große Lautsprecherboxen und glitzernde Showeffekte so ganz normal auf der Bühne angetretene „Wolfgang Lackerschmid Trio“. Neben dem Komponisten war dessen Frau, die gefragte Jazzsängerin Stefanie Schlesinger und der brasilianische Gitarrist Pedro Tagliani mit von der Partie. Lackerschmids launige Erklärungen über das, „was denn Jazzmusiker so tun“, stießen auch auf große Aufmerksamkeit. „Jazzmusiker nehmen ein meist bekanntes Musikstück, eine eingängige Melodie und lassen dann alles weg, was ihnen daran nicht gefällt“, kolportierte Lackerschmid und trat gleich darauf mit „Leise rieselt der Schnee“ den musikalischen Beweis in Form eines wunderschönen, eingängigen Jazz Waltz an. Erkältungsbedingt mit etwas „rauchiger“ Stimme aber dadurch umso jazztypischer intonierte Stefanie Schlesinger – in stilsicherem Timing keinen Ton dahin setzend, wo er notationstechnisch üblicherweise steht – den melodischen Rahmen, innerhalb dessen sich Lackerschmid und Tagliani auf seiner 7saitigen Gitarre mit ihren virtuosen Improvisationen um all das herum drückten, „was ihnen nicht daran gefiel“.  Mit der Vertonung eines eher satirisch gemeinten, etwas ketzerischen Rilkegedichtes waren die 11- und 12jährigen Schülerinnen und Schüler dann aber wohl doch etwas überfordert. Die komplexe und eher artifiziell wirkende Musik des Stückes brachte zu wenig Action und Abwechslung um die Kids wirklich zu fesseln. Es spricht für die Professionalität Lackerschmids, dass er danach sein Publikum sofort aktiv ins musikalische Geschehen einbezog, indem  er etwa einen auf die beiden Saalhälften verteilten, zeitversetzten Claves-Rhythmus als Grundlage für seine Improvisationen inszenierte. Als besonders fruchtbar erwies sich jedoch eine blueslastige „Jamsession“, bei der – nach einigem Zögern – ausgerechnet eine der kleinsten Fünftklässlerinnen den ersten Schritt ans Mikrofon und vor das große Publikum wagte um nach Vorgabe von Lackerschmid und Schlesinger ein-  oder zweitaktige Scat-Motive (a la „Minnie, The Moocher“) im Wechsel mit dem nachahmenden Publikum zu improvisieren. Rauschender Beifall und eine nicht enden wollende Kette von „Nachahmungstätern“ ließen die Veranstaltung, die am Abend im Jazzkeller noch ein konzertantes Nachspiel für die interessierten Eltern finden sollte – kurzweilig zu Ende gehen.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

28.11.2008: Arkady Shilkloper

Konzert für Hornsolo und Live-Elektronik im Jazzkeller

Arkady Shilklopers „lustige Streiche“

Dass Arkady Shilkloper zu den musikalischen Ausnahmeerscheinungen der multilateralen Weltmusik unserer Tage zählt, zeigt schon sein langjähriges Mitwirken in den künstlerisch renommiertesten Ensembles unserer Zeit, dem „Moskau Art Trio“ oder auch dem „Vienna Art Orchestra“.  Dass er aber auch als Solist mit seinem Wald-  oder Flügelhorn – das angekündigte Alphorn musste aus logistischen Gründen leider in Russland verbleiben – gänzlich ohne musikalische Begleitung einen langen Konzertabend zu einem kurzweiligen Erlebnis höchster künstlerischer Erfüllung machen kann, haben die wenigen glücklichen Besucher beim Jazzkonzert am vergangenen Freitag erfahren dürfen.

Voller Verzückung lauschten sie den facettenreichen Klängen des unkomplizierten, sympathischen Kosmopoliten, der, halb Russe, halb Jude, mit seinem Lebensmittelpunkt in Wuppertal musikalische Eindrücke der unterschiedlichsten Strömungen und Genres in seinem Personalstil überzeugend und bruchlos integrierte.

In perfekter Symbiose mit seinen fußschalterbedienten Multieffektgeräten ließ Shilkloper faszinierende Klangwelten entstehen. Die oft kritisierte „Entmenschlichung“ der Musik durch ein Zuviel an elektronischem Schnickschnack wurde bei Shilkloper zu einer echten „Live-Elektronik“, zu einem sinnvoll genutzten musikalischen Werkzeug zur Erweiterung der spieltechnischen Möglichkeiten des eigentlichen Musikinstrumentes verwandelt.

Kurze, „coram publico“, mit perfektem Timing eingespielte bzw. digital aufgenommene „Samples“ wurden so zu ostinaten Begleitpatterns, oft auch mehrfach übereinander geschichtet, über deren rhythmisch groovenden Fundament sich schließlich als krönender Höhepunkt die virtuose Improvisation des Künstlers spannte.

Ergänzt um einen „Harmonizer“, der die einstimmigen Melodielinien in einen mehrchörigen Klang verwandelte sowie vielfältige digitale Hall- und Echoeffekte, die den Klangraum aufweiteten und in die Tiefe staffelten, gestaltete Shilkloper faszinierende Klanggemälde.

Ob – als Konzession an das „klassische“ Jazzpublikum – in Glenn Millers bekanntem „Chattanooga Choo Choo“ die Klangkulisse einer Dampflokomotive (für den Titel wurde 1942 die erste „Goldene Schallplatte“ der Musikgeschichte verliehen)  oder in einer surrealen Eigenkomposition unter dem Titel „Virgin Ocean“ das Wellenrauschen und die Walgesänge, Arkady Shilkloper war immer souveräner Meister des Geschehens. Seinen gestalterischen Zugriff innerhalb der mit elektronischer Hilfe errichteten Klangebäude demonstrierte er durch eine Zitiertechnik, die es ihm nicht nur erlaubte Brücken zwischen den verschiedenen Musikstilen zu schlagen, sondern vielfältige, oft auch humoristische Anspielungen zu setzen. Mit dem Zitat der berühmten Hornstelle aus Richard Strauss’ sinfonischer Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ tat Shilkloper denn auch musikalisch offen kund, was seine Körpersprache schon lange vorher verraten hat: unverbrauchte Spielfreude, unverstellter, mitunter hintergründiger Spaß am eigenen Tun, lebendige Kommunikation und Interaktion mit einem aufgeschlossenen Publikum, höchste künstlerische Erfüllung. Mehrere, gern gewährte Zugaben rundeten einen Konzertabend ab, der mehr Publikumszuspruch verdient gehabt hätte.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

17.10.2008: Paata Demurishvili

Paata Demurishvili

Konzert der Sonderklasse vor vollem Haus

Mit einer schlichten Tonrepetition im feinsten Pianissimo, wie aus weiter Ferne, begann eines der ungewöhnlichsten Konzerte der letzten Jahre im Biberacher Jazzkeller. Eine Variation über Johann Sebastian Bachs bekannte Choralbearbeitung „Jesu, meine Freude“ entführte die in Scharen gekommenen Zuhörer in eine fantastische musikalische Parallelwelt, in welcher der barocke Meister noch zu leben schien und als mächtiger Improvisator komplexe polyphone Werke aus dem Stegreif schuf. Versatzstücke aus den verschiedensten Epochen einschließlich des 20. und 21. Jahrhunderts verschmolzen unter dem gestalterischen Zugriff des in Deutschland lebenden georgischen Tastenkünstlers Paata Demurishvili zu einem ebenso ungewöhnlichen wie wunderschönen Konglomerat zeitloser Musik. Gleich darauf öffnete der in Mannheim unterrichtende Klavierprofessor mit Duke Ellingtons „Caravan“ eine neue Seite in seinem Stil-Multiversum. Noch in den leisesten Passagen fein strukturiert und dynamisch binnendifferenziert, begann der Steinway unter dem höchst kantablen Spiel seines Meisters traumhaft zu singen. Er sang von fremden Welten, in denen Flügel wie vielstimmige Symphonieorchester klingen, disparate Stilrichtungen wie Klassik und Jazz sich in dialektischer Synthese zusammenfinden, hektische Mitteleuropäer in relaxter Melancholie versinken und scheinbar so verschiedene kulturelle Welten wie die von Georgien und Deutschland sich im ästhetischen Einklang wieder finden.

Für Verblüffung sorgte zunächst die Ankündigung Demurishvilis, nach der Pause ein Wunschkonzert geben zu wollen. Das Publikum möge bitte seine Wünsche äußern. Aus den eingegangenen Vorschlägen wählte der selbstbewusste Künstler dann acht Nummern aus und improvisierte in einer Weise drauflos, die den Atem stocken ließ. Die deutsche Hymne wurde, von allem überflüssigen Pathos entkleidet, zu einer groovigen Jazznummer mit einem Schuss lateinamerikanischer Rhythmen, die Liedwünsche der georgischen Gäste zu einer feinsinnigen Melange aus Folklore und musikalischem Spaß, das c-Moll Präludium aus dem wohltemperierten Klavier von Bach zu einem sublimen symphonischen Werk genialischer Unerhörtheit. Über der Grundfolie des oft als „Nähmaschinen-Präludium“ geschmähten Klavierstückes brachen immer wieder, stilistischen Eruptionen gleich, anachronistisch kontrastierende Akkordstrukturen hervor, die Bachs virtuose Dreiklangsstudie in einen völlig neuen, ungleich größeren Sinnzusammenhang stellten.  Einer Karikatur gleich erschienen in diesem ungewöhnlichen Opus auch einige Einsprengsel des nach Moll gewendeten berühmten C-Dur-Präludiums von Bach, das Charles Gounod, mit einer eingängigen Melodie versehen, zum Ave Maria „verschlagert“ hat. Klang hier gar so etwas wie augenzwinkernde Selbstkritik über das ungenierte Filetieren „schöner Stellen“ der Musikgeschichte an? Sei’s drum. Es hat eine Menge Spaß gemacht und Standards gesetzt.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

10.10.2008: Uhuru’s Löwenstarke Trommler

Jazzkeller – Jazzclub Biberach

Zurück zu den Wurzeln des Jazz – Löwenstarke afrikanische Rhythmen im Jazzkeller

„Die Löwenstarken Trommler“ Habib und Amadou, 13 und 14jährige Söhne des oberschwäbischen „Afro-Urgesteins“ Uhuru, haben auf  Einladung des Jazzclubs am Freitagabend als „Local Heroes“ einen eindrucksvollen Einblick in die Wurzeln des Jazz gegeben. Wie Uhuru in seiner Eingangsmoderation des Konzertes im prall gefüllten Jazzkeller erläuterte, gehört die afrikanische Art zu Trommeln, zu Singen und zu Spielen zwar nicht im engeren Sinne zum Jazz, enthält jedoch bereits wesentliche Elemente desselben, allen voran die Improvisation und das Arbeiten mit übereinander geschichteten Patterns. Eben diese Fähigkeit demonstrierten die Löwenstarken Jungs in einer Weise, die auch gestandene Jazzfans zum Staunen brachte. Dichte und Komplexität der rhythmischen Schichten ließen bei geschlossenen Augen ohne Weiteres auf 4-6 Musiker schließen. Auch wenn viele der rhythmischen Elemente als Ostinato angelegt waren, erwiesen sich die Jungs in hohem Maße als „multitasking-fähig“. Hände und Füße waren zugleich mit den unterschiedlichsten Metren betraut und innerhalb dieser metrischen Schichten wechselten komplizierte Schlagmuster und improvisierte Abschnitte in einer virtuosen Dramaturgie, die gleichermaßen Verblüffung und Begeisterung auslösten. Überdies schafften es die beiden auch noch gleichzeitig zu ihren schweißtreibenden rhythmischen Aktivitäten zu singen. Folgerichtig bewegten sich die sympathischen Hochleistungstrommler auch im Sportdress über die Bühne.

Besonders erfrischend erwies sich ihr spezifischer Zugang zur europäischen Musik. Wenig „mozärtlich“ und schon gar nicht „beethöflich“ sangen die beiden etwa zweistimmig von „Elise“, der „Dame“ des jungen Beethoven. Um dessen unsterbliche Melodie „Für Elise“,  zelebriert auf einem einfachen Yamaha-Keyboard für Einsteiger – pulsten alsbald die abenteuerlichsten Rhythmen auf Djembe, Steel- und Talkingdrum und ließen erahnen, dass Beethoven seiner fernen Geliebten nicht nur platonische Gefühle entgegenbrachte.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

19.09.2008: Fabiano Pereira feat. „mit4spiel5“

„Mit4spiel5“ im schönsten Jazzkeller Süddeutschlands

Ganz auf den brasilianischen Sänger und Gitarristen Fabiano Pereira zugeschnitten, erwies sich das Bandprojekt „mit4spiel5“ mit seinem Schwerpunkt auf „Brazil Jazz“ als Glücksgriff für die Eröffnung des zweiten Halbjahresprogramms vom Jazzclub unter dem Motto „Die Welt zu Gast in Biberach“. Seinen herrlich relaxten Sprechgesang selbst auf der Gitarre organisch begleitend und mit kultigem Hut als Markenzeichen, stand der gebürtige Brasilianer und Wahl-Ludwigsburger mit überwiegend portugiesischen Liedern und Songs im musikalischen Zentrum des Geschehens, schlug unnachahmlich einen Bogen vom südlichen Urlaubsambiente zum schwäbischen Alltag. Der erst 18 Jahre junge Benjamin Jud am E-Bass, integrierte sich dank verstärkter Aufmerksamkeit des Bandleaders ebenso stimmig ins Bandkonzept, wie der meist etwas „verdeckt“ aber dafür um so präziser agierende Jan Philipp Wiesmann am Schlagzeug. Stefan Koschitzki, der neben Saxophon, Flöte und Perkussion auch für die eine oder andere Komposition verantwortlich zeichnete (Koschinho), füllte nicht nur sämtliche klanglichen Lücken, sondern trat auch häufig als versierter Improvisator in Erscheinung.

Sensibler und kompromissloser Umgang mit dem Sound, erlesenes Instrumentarium, typische Kultinstrumente, vor allem des Keyboarders Martin Meixner, wie Rhodes, Hammond, Korg oder auch die Unterstützung durch sorgfältig von Pereira ausgewählte und eingepasste Loops aus dem Notebook mit dem Apfel, gepaart mit einem erfrischenden Hang zum Experimentellen (Museum der Jugend, Maß aller Dinge) gebar eine ansprechende Musik, die Brücken schlug. Von Samba und Bossa durchpulste Songs auf Portugiesisch von A.C. Jobim, Sergio Mendez oder Noel Rosa und – mit der größten Selbstverständlichkeit – von Fabiano Pereira auch auf Deutsch, mal mit Rap-, mal mit Funkeinflüssen (Filosofunkos) gingen buchstäblich unter die Haut.

Dass die Spielfreude des Quintetts bei diesen eher unkonventionellen Mixturen sichtlich und hörbar anwuchs, mag dem höheren Energielevel dieser Musikrichtung geschuldet sein, bot aber gleichzeitig eine hoch spannende und willkommene stilistische Öffnung des strapazierten Latin-Idioms, zu einer vielschichtigen, differenzierten Melange am Rande des modernen Mainstream in einer spezifischen Mischung zwischen Easy Listening und gut dosierten Innovationen.

Die zunehmende Euphorie der Musiker übertrug sich im zweiten Set auf das ungewöhnlich zahlreich erschienene Publikum, welches mit lang anhaltendem Beifall nicht geizte. Die aufgekratzte Stimmung entlockte Pereira schließlich das Kompliment an Publikum und Veranstalter, einen der schönsten Jazzkeller Süddeutschland zu betreiben. Beste Akustik, hervorragende Beleuchtung und ein gemütliches Ambiente inspiriert die Musiker zu Höchstleistungen und führt zu einem zufriedenen Publikum. Zwei Zugaben erbrachten den Beweis.