Kritik – Seite 38 – Jazzclub Biberach e.V.

10.12.2010: Cornelius Claudio Kreusch

Jazzpianist der Superlative in der Stadthalle

Cornelius Claudio Kreusch in bester Spiellaune

BIBERACH – Vor ausverkauftem Haus im kleinen Saal der Stadthalle präsentierte sich im Rahmen der Abonnementkonzerte der in München und New York lebende Weltklasse-Pianist CCK hochmotiviert einem andächtig und begeistert lauschenden Publikum. Nachdem er bereits im vergangenen Frühjahr den Vorsitz der Jury beim Biberacher Jazzpreis übernommen hatte, spielte er jetzt, 20 Jahre nach seinem eigenen Sieg in dem international ausgeschriebenen Jugend-Wettbewerb, erneut in Biberach. Zu einem großartigen Künstler gereift, faszinierte er über zwei Stunden lang seine Fans, die teilweise gar aus Berlin anreisten. Ein Zuhörer aus Friedrichshafen brachte es auf den Punkt: „So viel Temperament bringt kaum ein anderer Jazzpianist der Gegenwart in die Tasten“. Und in der Tat, CCK, der nach seinem kometenhaften Aufstieg bereits Mitte der 1990er gemeinsam mit Herbie Hancock das erste Internetkonzert gegeben und erst letzte Woche zusammen mit Klaus Doldinger („Das Boot“, „Passport“) in München zu hören war, gehört zu den komplettesten Jazzpianisten unserer Tage. Von filigran ziselierten Pianissimo-Motiven über plastisch modulierte, gewissermaßen atmende Themen und perlenden Prestissimo-Passagen zu wahrhaft titanischen Akkordschichtungen kolossaler Klanggebäude steht ihm eine immense Ausdruckspalette zur Verfügung. Das ungewöhnlichste dabei ist aber die unnachahmliche Agilität seiner Leidenschaft. Eben noch völlig introvertiert in zarten Klangmalereien versunken explodiert er im nächsten Moment in dynamischen Eruptionen, die selbst einen ausgewachsenen Bösendorfer-Imperial-Flügel an den Rand seiner Leistungsfähigkeit bringen. Ein Instrument, das „im Laufe der Jahre sogar noch an Klangqualität zugenommen hat (Zitat: Kreusch) und welches den hochexpressiven Künstler nach seiner eigenen Aussage zusätzlich motiviert und zu Höchstleistungen angespornt hat.

Kreuschs Kompositionen sind unverstellte persönliche Bekenntnisse. Wahlweise seinen drei Kindern oder intensiven persönlichen Erlebnissen gewidmet, wie etwa „Weihnachten in New York“, „Folkloretänze in Neu-Guinea“ oder „Impressionen aus Afrika“ setzen sie in ihm jene Energien frei, die sein Spiel zu einem bedeutungsvollen kommunikativen Akt werden lassen. Hochspannung ist garantiert.  Kurzweil ebenso. Keines der Stücke ist ausschließlich einer einzigen Ausdruckshaltung gewidmet. Jedes Stück enthält einen ganzen Kosmos an Stilmitteln und Aussagen und dennoch gelang es Kreusch, den Spannungsbogen bis zur dritten Zugabe zu halten und zu steigern.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

12.11.2010: Elisa Weiß & Band

Melancholischer Pop-Jazz aus Dresden im Biberacher Jazzkeller

Prinzessin Elisa singt auf Wolke 7

BIBERACH – Eines der Formate von „Rethberg Music“, der neugegründeten Firma des Dresdner Pianisten und Arrangeurs der „Elisa Weiß Band“ Matthias Rethberg, ist die Präsentation der Sängerin und Komponistin Elisa Weiß und ihrer Band. Ein rundum überzeugendes Konzept, wie am Freitagabend im Biberacher Jazzkeller zu hören war, zeigt die junge Künstlerin doch ein ungewöhnlich vielschichtiges künstlerisches Profil.

Markenzeichen von Elisa Weiß sind eine wandlungsfähige, ausdrucksstarke Stimme, die nötige Bühnenpräsenz und – für den kommerziellen Erfolg vielleicht am wichtigsten – ein facettenreicher,  gefälliger Musikstil im Grenzbereich zwischen Jazz und Pop mit einem gehörigen Schuss Romantik und psychedelischer Transzendenz. Ließen sich zu Beginn des Konzertes noch Assoziationen zu großen Vorbildern, etwa Kate Bush, Sophie Hunger, Christina Aquilera oder auch zu Björk und Enya herstellen, so trat im Verlauf des Abends immer stärker Elisa Weiß pur in den Vordergrund, am überzeugendsten in der zweiten Zugabe, einem noch nicht fertig arrangierten Titel von der neuen, bisher noch unveröffentlichten CD.

Hinter der Begleitband von Elisa Weiß verbergen sich Matthias Rethberg am Klavier, Matthias Weisbach an der Violine, Karina Nunez am Cello und Nadja Schrötter am Schlagzeug. Wenn auch da oder dort Bedauern zu hören war, darüber, dass sich die durchaus versierten Bandmitglieder vielleicht allzu servil in den musikalischen Hintergrund zurückgezogen haben um ihre Elisa Weiß wie eine Prinzessin auf Händen zu tragen, so wirkte die Konzeption doch insgesamt stimmig und überzeugend. Die Streichinstrumente sorgten für eine üppige und dennoch filigrane Klanglichkeit jenseits poptypischer Automatismen, das Schlagzeug groovte in präziser Leichtigkeit, das Klavier füllte in selbstauferlegter Zurückhaltung und feiner Gediegenheit sensibel alle weiteren Lücken. Gemeinsam webte die Band eine dichte Klangwolke auf der sich Elisa Weiß im weißen Spitzenkleid sinnlich stimmlich räkeln konnte. Zum romantischen Outfit der Inszenierung gehörte auch ein kunstvoll auf der Bühne drapierter und vorweihnachtlich illuminierter Wolkenschleier sowie gedämpfte Raumbeleuchtung mit stimmungsvollem Kerzenschein. Auch wenn die Bevorzugung modaler Tonarten mit der daraus resultierenden Motivik und Harmonik eine überwiegend melancholische Grundstimmung erzeugte, die auch noch den eher heiteren Themen eine tiefere Bedeutung verlieh, so bewahrte der zupackende Groove der Rhythmusabteilung die Musik doch davor, allzu tief in den psychedelischen Untiefen zu versinken. Beim Publikum stieß die Elisa Weiß Band auf breite Zustimmung und große Begeisterung und auch nach den beiden Zugaben standen alle Bandmitglieder gerne noch bis zum frühen Morgen für fruchtbare Gespräche mit ihren dankbaren und zahlreichen Fans zur Verfügung.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

22.10.2010: Ruth Sabadino & Boogaloo (Jazz für Kinder)

Veranstaltungsreihe „Jazz für Kinder“ – Mitmachkonzert in der Stadtbücherei

Bei „Jazz for Kids“ ist echt was los

BIBERACH (sz) – 120 begeisterte Dritt- und Fünftklässler aus Warthausen und Biberach verfolgten die nunmehr bereits fünfte Veranstaltung in der Reihe „Jazz für Kinder“, die in einer Kooperation zwischen Stadtbücherei und Jazzclub Biberach e.V., gefördert durch die Baden-Württemberg-Stiftung, Landesbank und Landesjazzverband Baden-Württemberg  am vergangenen Freitag erfolgreich über die Bühne ging.

Dicht gepackt auf bunten Sitzteppichen und –würfeln hingen 240 staunende Augen und Ohren des jungen Publikums an den vier Musikern von „Boogaloo“, die ein besonders junges, kurzweiliges  Programm zusammengestellt hatten. Ob bei der Musik zur „Sendung mit der Maus“, „Pippi Langstrumpf“, „Wicki“ oder auch „Speedy Gonzales“, der schnellsten Rennmaus der Welt, Ruth Sabadino nahm die Kids buchstäblich bei der Hand und führte sie mit bekannten Melodien durch die unbekannte Welt des Jazz. Eine der Altersgruppe gerechte, schnelle und witzige Moderation unter Einbeziehung der Kids brachte eher beiläufig die entscheidenden Informationen über die immer noch häufig als zu anspruchsvoll empfundene Musik an die aufmerksamen Zuhörer. Im Mittelpunkt stand dabei  immer die packende Darbietung handgemachter, improvisierter Musik. Bei den zahlreichen Mitmachteilen wurde es zwar mitunter ziemlich lebhaft, Klatschen, Mund-Perkussion, rhythmisches Bewegen oder auch Singen klappten aber bei den Kids ganz selbstverständlich.

Erwartungsgemäß stieß das Schlagzeug von Christoph Sabadino besonders bei den Jungs auf große Aufmerksamkeit. Durchaus überraschend für die Künstler war jedoch der hohe Anteil von Schülern, die bereits ein Instrument erlernen. Vor allem junge Pianisten, Flötisten und Gitarristen gab es in großer Zahl, doch auch Geige oder Saxophon waren gut vertreten. Im lockeren Gespräch holte sich Ruth Sabadino immer wieder die Aufmerksamkeit ihrer jungen Zuhörer, verblüffte durch besonders virtuose und ausdrucksstarke Saxophonsoli oder den fliegenden Wechsel zwischen Instrument und Singen. Bei Uli Möck am Piano vermuteten manche Kids gar, er hätte 20 Finger, so gut wie er mit den 88 Tasten des Klaviers zurechtkomme. Die Verwandschaft des Kontrabasses von Kurt Holzkemper mit einer Hornisse (wegen des langen Stachels) hinderte diesen nicht daran, „das dicke Möbelstück“  übers Knie zu legen und zur allgemeinen Freude gitarrenmäßig zu bespielen.

Im Anschluss an die knapp 90minütigen Darbietungen mit lautstark geforderten Zugaben gab es dann Gelegenheit zum Fragen, Instrumente anfassen und kennenlernen, Autogramme einholen oder die Musiker auch mal ganz aus der Nähe zu sehen. Von dichten Trauben umlagert bewiesen diese engelsgleiche Geduld mit den wissbegierigen Nachwuchskünstlern.

[SZ, Lokalteil Biberach, 25.10.2010]

22.10.2010: Ruth Sabadino & Boogaloo

„Sax and the City“ im Jazzkeller Biberach

Wuchern mit attraktiven Pfunden

BIBERACH – Schön gemütlich eng war es beim Freitagabendkonzert im Biberacher Jazzkeller mit der Stuttgarter Jazzformation „Boogaloo“ und ihrem aktuellen Programm „Sax and the City“. Stühle, Podeste und Treppenabsätze zusammen reichten nur knapp zum Sitzen. Offenbar hatten viele der begeisterten Kids aus dem Vormittagsprogramm „Jazz for Kids“ in der Stadtbücherei ihre Eltern zu dem Abendkonzert im Jazzkeller animiert.

Als Moderatorin, Vokal- und Saxophonsolistin dominierte die agile Ruth Sabadino die Formation, deren künstlerisches Konzept des „saxy Jazz“ sich ganz der Präsentation ihrer Person verschrieben hatte. Beachtlich waren stilistische Breite und Umfang des Repertoires. Der mit rhythmisch-vokaler Publikumsunterstützung dargebotene Titel „Jack the Ripper“ oder die Titelmelodie aus „Stahlnetz“ waren einige der wenigen Anklänge an das über die Jahre bewährten Krimiprogramms von „Boogaloo“, mit dem die Formation auch schon früher das Biberacher Publikum beglückt hatte. Das neue Programm „Sax and the City“ wuchert effektvoll mit den attraktivsten Pfunden der Formation, Ruth Sabadino. Die Bühnenpräsenz des blonden Multitalents und der „Late-Night-Groove“ der Begleitband machten auch vor den Höhepunkten der Jazzgeschichte, Armstrongs „What a wonderful world“, Mancinis „Peter Gunn“, Ellingtons „Tuxedo Junction“, dem jiddischen „Bei mir bist du scheen“ und anderen Ohrwürmern keinen Halt. Als angenehm, gefällig und unterhaltsam erwies sich das musikalische Resultat, wobei das expressive Saxophon die vokalen Einlagen fast noch toppen konnte.

Ohne die Leistung der rührigen Bandleaderin schmälern zu wollen, kam dennoch bei den musikalischen Soloeinlagen ihrer drei Mitstreiter ein erfrischend neues Moment hinzu. Besonders Uli Möck gefiel, wenn er nicht gerade mal wieder neckisch die musikalischen Vorgaben von Ruth Sabadino parodierte, durch witzige und pianistisch ausgefeilte Improvisationen, die immer wieder auch mit chromatisch dichten und harmonisch hochinteressanten Voicings den konventionellen Rahmen erweiterten. Beständig und verlässlich groovend tauchten dennoch auch Christoph Sabatino am Drumset und Kurt Holzkämper am Kontrabass immer wieder zu einem befreienden Solo an die Oberfläche. Besonders in Fats Dominos „I’m walking“ hatte der Drummer einen seiner Höhepunkte. Nicht ohne Zugabe durften Ruth und die Boogaloos den oberschwäbischen Nebel wieder verlassen.

Gez. Dr. H. Schönecker

 

08.10.2010: Sonny Blues

Polnische Woche – Konzert im Jazzkeller

Sonny Blues mit Bluesharp-Battles

Schwer zu sagen, worin das Geheimnis so vieler polnischer Musiker besteht, Jazz oder Blues von seinen Wurzeln und ursprünglichen Intentionen her zu erfassen und damit in höchst authentisch wirkender Weise überzeugend zu interpretieren. Einmal mehr lieferte die polnische Gruppe „Sonny Blues“ aus der Biberacher Partnerstadt Schweidnitz im Rahmen der polnischen Woche anlässlich des 20jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft dafür den klingenden Beweis. Die sechs Musiker um Roman Bednarz mit Sängerin Renata Król erweckten im Freitagabendkonzert des Jazzclubs  völlig unakademisch, unverstellt, urig, erdig, ja dreckig und schlammig im Sinne des „Hoochie Coochie Man“ Muddy Waters, dessen  berühmten Blues „Got my Mojo Working“ in verblüffend echter Form wieder zu neuem Leben.

In weitgehend konventionellem Zuschnitt, gerahmt von gesungenem  Chorus mit locker eingestreuten Improvisationsfolgen erklangen zumeist Klassiker der Blueshistorie. Nach etwas verhaltenem Beginn spielte sich Sonny Blues zunehmend frei. Renata Król ließ auch an ihrer Mimik erkennen, dass sie sich zunehmend wohler fühlte, die Gitarristen Artur Wojtusiak und Waldek Mucha schlugen zunehmend beherzter in die Saiten und scheuten auch keine harten, verzerrten Rocksounds oder schweren Bluesrock. Bandleader und Bassist Roman Bednarz groovte souverän, unterstützt durch ein zupackendes Schlagzeug und farbige Perkussion, während der größte Aktikvposten des Abends, der Bluesharp bzw. Mundharmonikaspieler „Pako“ regelrecht zur Hochform auflief.  Mit dem Gitarristen, der immer wieder zur Blusharp wechselte, lieferte er sich regelrechte „Bluesharp-Battles“, spannende, ausdrucksstarke Dialog-Improvisationen, die für kurzweiligen Hörgenuss sorgten. Nach einer gern gewährten Zugabe und dem Ende des offiziellen Programms fanden sich die spielfreudigen Musiker unkompliziert zu einer kleinen Jamsession zusammen und ermöglichten damit einen geselligen Ausklang des erfolgreichen Abends, zusammen mit polnischen und deutschen Gästen.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker