Kritik – Seite 28 – Jazzclub Biberach e.V.

13.03.2015: Stephan-Max Wirth Experience

International besetzte „Stephan-Max Wirth Experience“ im Jazzkeller

Elliptische Dreier in Raum und Zeit

BIBERACH – Das Eröffnungsstück des interessanten Konzertabends vor vollem Hause trug noch keinen Titel, es war eine brandneue Komposition des in Berlin lebenden Saxophonisten Stephan-Max Wirth, der mit einem international besetzten Quartett angetreten war um seine neue CD vorzustellen. Wer die Vorankündigung und die Bandinfos gelesen hatte oder sich gar mit der vorzustellenden CD „Inner Draft“ vorab beschäftigt hatte, dürfte allerdings einigermaßen überrascht gewesen sein.

Feinsinnig umgesetzte Geschichten als Spiegel urbaner Lebensgefühle waren angekündigt. Was dann, auch im weiteren Verlauf des Abends, erklang, waren aber keine blutleeren, hochstilisierten oder bis zur Erschöpfung durch reflektierten und auf den Punkt gebrachten Kompositionen mit Ewigkeitswert. SMW-Experience brachten das pralle Leben selbst auf die Bühne und fesselten ihr begeistertes Publikum damit vom ersten Ton an.

 

Die Stücke der neuen CD wurden nicht etwa in perfektionierter Mechanik nachgespielt sondern immer wieder neu zum Leben erweckt, deren Sujet im offenen Feedback immer wieder aus dem Moment heraus neu erörtert. Der später erklingende eigentliche CD-Opener „Space In Time“ beschreibt dieses Verfahren beispielhaft. In den Worten von Wirth: „Wir nehmen uns den Raum in der Zeit und die dahingehende Zeit ist unser Raum. Wir machen Musik.“ Wer diese Aussage als bloßes philosophisches Wortspiel oder abstrakte Anspielung auf die Relativitätstheorie abtun wollte, wurde durch die unglaublich dichte und kraftvolle Musik schnell eines Besseren belehrt. Denn genau das macht guten Jazz aus: Wechselnde Improvisationen auf höchstem Niveau, ständige Interaktionen der Musiker, angetrieben durch ein dynamisch pulsierendes Kraftzentrum aus E-Bass (Bub Boelens) und Schlagzeug (Florian Hoefnagels) sowie einen spielerischen Umgang auch mit elektronisch erweiterten klanglichen Aspekten besonders der Gitarre (Jaap Berends), auch wenn diese mitunter bis auf die psychedelische Spielwiese führen. Der in der Zeit pulsierende Raum erstreckte sich von der kindlichen Zufriedenheit im Augenblick (Sleeping Child) bis zum rasenden Stillstand einer Zeit, die sich der atemlosen Jagd nach dem schnellen Geld verschrieben hat (Trash Cash).

 

Das elliptische Kreisen im „nicht ganz runden Dreiertakt“, so Wirth in einer der Anmoderation, vielleicht auch symbolisch verstanden als das Kreisen um eine „Blase“ in der Zeit, wurde nirgends „ohrenfälliger“ als in der Adaption des Titels „Die Moorsoldaten“. Geschrieben vom damaligen KZ-Häftling Rudi Goguel und in wechselvoller Geschichte bis heute zu einer „Volksweise“ geworden, unternahm es die SMW-Experience den historischen Wahrheitskern dieser Komposition herauszuarbeiten und damit auf die Gegenwart umzubrechen. Die SMW-Experience bot eine anspruchsvolle Musik für Geist und Bauch, die Ihresgleichen sucht. Das Biberacher Publikum ließ die vier Musiker denn auch erst nach der zweiten Zugabe von der Bühne.

 

gez. H. Schönecker

 

27.02.2015: Markus Harm Quartett

Markus Harm Quartett macht Laune im Jazzkeller

Als Höhepunkt ein Lamento über einen Strafbefehl

BIBERACH – Eine regelrechte Frischzellenkur verpasste der junge Saxophonist Markus Harm mit seinem hochkarätig besetzten Quartett den begeisterten Besuchern im Jazzkeller. Sympathisch, natürlich, ungekünstelt und vor allem mit einer Fülle lyrisch inspirierter Ideen, voll rhetorischer Kraft und mit ausgeprägtem Gestaltungswillen konnten die Musiker von Anfang an überzeugen.

Etwas verspätet aber offenbar gut gestärkt zurück vom Abendessen generierten die vier Jungs aus dem Stand eine verblüffende Dynamik. Mit dem eher programmatischen Opener „Late Delivery“ aus der Feder von Markus Harm schob dieser dann auch gleich die Erklärung hinterher, warum es gerade mal wieder so pressierte. „Fünf vor Zwölf“ – einer der nächsten Titel des gerade dem BUJAZZO (Bundesjazzorchester) entwachsenen, energiegeladenen Ausnahmesaxophonisten machte diesen Charakterzug dann nochmals sinnfällig. Dennoch blieb auch immer wieder Platz für nachdenklich Kontemplatives. Eine Neukomposition von Harm, eine langsame Ballade, die bisher noch keinen Titel trägt, bot Raum für weite, meist rhetorische geprägte Melodielinien voll poetischer Kraft und Anmut. Hier verspricht, nach einigen Jahren der Reife, ein Musiker mit der Gestaltungskraft eines Charlie Mariano heranzureifen.

Auch Christoph Neuhaus an der Gitarre, ehemaliger Schüler von Frank Kuruc an der Musikhochschule Mannheim, Erasmus-Stipendiat in Amsterdam und mittlerweile auch Leiter eines eigenen Quintetts mit gefeierten CD-Einspielungen, steuerte eine ganze Reihe von Kompositionen zum Programm bei. Neben „Gezeitenwende“ und „View over Sibiria“ konnte vor allem sein Titel „505“ (die Anfangszahlen eines Überweisungsträgers für einen der, so Harm, nicht ganz seltenen Strafbefehle wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung) überzeugen. Die künstlerische Umsetzung in ihrer pittoresken Anschaulichkeit, die auch in der leidvollen Mimik des Gitarristen zum Ausdruck kam war einfach köstlich. Überwogen zu Beginn Schock und Ärger in synkopierten, clusterartig dissonanten Akzenten über ostinaten Begleitfiguren, so löste sich schließlich der Frust in den langgezogenen, durch fallende Portamenti und Seufzerfiguren unterbrochenen Melodielinien eines elegischen Lamentos. Auf diese Weise lässt sich selbst einem Strafzettel noch Positives abgewinnen. Ob sich der kreativ geparkte Bandbus an diesem Abend ebenfalls ein „Knöllchen“ einfing, konnte noch nicht geklärt werden.

Jens Loh am Kontrabass, ehemaliger Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg und international gefragter Sideman groovte gemeinsam mit dem Drummer Dominik Raab, der seinerseits zusammen mit Markus Harm im letztjährigen Finale des jungen bayrischen Jazzpreises und in BR-Klassik zu hören war. Loh fand dabei in seinen temperamentvollen Improvisationen eine witzige Mischung zwischen Singstimme und Bass. Raab wirbelte in technischer Perfektion immer wieder den Bandsound auf, war ebenfalls vollwertiger Akteur im Quartett der Gleichwertigen.

gez. Dr. H. Schönecker

06.02.2015: Mehl Consortium

Urbaner Modern Jazz von vitalem „Mehl Consortium“

Lebendige Stadtansichten

BIBERACH – Eine geballte musikalische Energieladung des „Mehl Consortiums“ katapultierte mit dem Programm „City Views“ die überwiegend begeisterten Besucher des Jazzkellers im eher beschaulichen Landstädtchen mitten hinein in die „Rush Our“ der angesagtesten Großstädte. Statt relaxter Entschleunigung zum Ausklang einer stressigen Arbeitswoche gab es, für manche Besucher wohl unerwartet, eine gnadenlose Beschleunigung auf den raschen Puls der Zeit, der in den Großstädten wohl lauter und schneller schlägt als sonst wo. Temporeich swingende Rhythmen, treibende Walking Bass-Linien, stimulierende Akzente vom Kawaiflügel und rasante Improvisationen von Saxophon und Trompete zerfetzten jeden Gedanken an gemächliches Ausspannen und ließen eher an ein anspruchsvolles Workout-Fitnessprogramm zur Kompensation körperlicher und geistiger Verspannungen denken.

 

Der Bandleader, Komponist und Namensgeber des Consortiums, Magnus Mehl an Sopran- und Altsaxophon, illustrierte mit „The Dutch Way To Ride A Bike“ musikalisch seinen eigenen Weg in die Schnelllebigkeit der Großstädte am Beispiel der Erfahrungen zu seinem Studienbeginn in Amsterdam. Dass er, aus dem Städtchen Rottweil kommend, in der weltoffenen Großstadt auch selbst schnell an Fahrt gewonnen und den urbanen Geist inkorporiert hat, zeigte bereits der nächste Titel „Day At Coney Island“. Als nach einer ganzen Reihe temperament- und geistvoller High-Speed-Kompositionen schließlich doch noch die eine oder andere Ballade zelebriert wurde, etwa das stimmungsvolle „Autumn in Novi Sad“ – der Heimatstadt des genialischen serbischen Kontrabassisten Fedor Ruškuc – oder den programmatisch fallenden Regentropfen aus dem pittoresken „Rainy Days In Cologne“ – kamen diese umso überzeugender zur Geltung.

 

Mit dem in Berlin lebenden Trompeter Magnus Schriefl – nicht zu verwechseln mit seinem älteren Bruder und Träger des Biberacher Jazzpreises 2001, Matthias Schriefl – webte ein leidenschaftlich expressiver zweiter Frontmann kongenial mit an der kunstvollen melodischen Struktur von Mehls Kompositionen. Zwischen rasanten Unisonopassagen, zusammen mit Saxophon oder Klavier, fand er immer wieder kreative Freiräume zur Entwicklung eigener Ideen und kontrapunktisch polyphoner Verzahnungen bipolarer Improvisationen mit seinen Mitspielern. Dabei zeigte, vor allen anderen, der in Mittelbiberach wurzelnde Stuttgarter Pianist Frank Eberle ein subtiles Gespür für das dramaturgisch Erforderliche. Von anfeuernden, synkopierten Akkordeinwürfen über inspirierende „Breaks“ und „Fill-Ins“ zu weitgespannten Soloimprovisationen mit perlenden Tonkaskaden fand er immer genau das richtige Maß und den richtigen Zeitpunkt. Kaum zu glauben, dass Schriefl und Eberle nicht zur Stammbesetzung des Consortiums zählen, auch wenn die bruchlose Einheit der Rhythmusabteilung mit Ferenc Mehl am Drumset und dem Bassisten Fedor Ruškuc unverkennbar war. Ein erfrischender Konzertabend mit stimulierender, zeitgemäßer Live-Musik durfte natürlich nicht ohne Zugabe zu Ende gehen.

 

gez. H. Schönecker

23.01.2015: Duo Kayu & Duo Echoes

Akustisch-elektronisches Doppel-Duo im Jazzkeller

Fallende Wassertropfen und der „Geist des Weines“

BIBERACH – Die Idee „aus zwei mach‘ vier“ der beiden eingespielten Duos „Kayu“ mit Karoline Höfler und Jochen Feucht sowie „Echoes“ mit Dizzy Krisch und Dieter Schumacher aus dem Raum Tübingen und Stuttgart trug beim letzten Jazzclubkonzert überraschend süße Früchte. Ein kurzweiliger Konzertabend, reich an Kontrasten und mit völlig unterschiedlichen Zugangsweisen zum Jazz bot einem begeisterten Publikum vertiefte Einblicke in das Wesen eines Genres, das immer wieder für Überraschungen gut ist.

Die größte Überraschung des Abends bot Dizzy Krisch mit der Uraufführung einer Komposition für Vibraphon, Perkussion und Audio-Aufnahme. Ein Teil des Besonderen waren bereits Ort und Entstehung der Audioaufnahme. Im Rahmen seines jüngsten musikalischen „Donauprojektes“, in dem er die seiner Ansicht nach wichtigsten „Seelenbestandteile“ des Menschen, Natur und Musik, zusammenbringen möchte, wurde eine unbearbeitete Tonaufnahme zum musikalischen Impulsgeber und Hauptakteur des zweiten Sets. Regelmäßig in einem natürlichen Rhythmus fallende Wassertropfen, aufgenommen in einer Grotte an der Theiss, einem Nebenfluss der Donau im wildromantischen österreichischen Waldviertel, begleitet und kontrapunktiert durch fröhliches Vogelgezwitscher, zugespielt von CD und kombiniert mit sphärischen Vibraphon- und Perkussionsklängen öffneten in einer neuen Art von „Wassermusik“ den Klangraum und verbanden sinnfällig die inspirierte und inspirierende Musik aus den Tiefen des Jazzkellers mit den zeitlosen Weiten einer intakten Natur.

Einen ganz anderen Weg gingen Jochen Feucht (Sopransaxophon/Bassetthorn) und Karoline Höfler (Kontrabass) im ersten Programmteil. Die eigenwillige Besetzung und die spieltechnische Meisterschaft des Duos Kayu erinnerten nicht nur äußerlich an das großartiges Duo aus Charlie Mariano (Sax) und Dieter Ilg (Kontrabass), welches vor vielen Jahren einen bejubelten Auftritt im Biberacher Jazzkeller hatte. Bereits das von dem Ex-Biberacher Jochen Feucht komponierte Willkommensstück zeugte von einer tief empfundenen Eindringlichkeit und Intimität einer hochexpressiven Musiksprache, der sich niemand entziehen konnte. Dabei mischten sich nicht nur die nuancenreichen Farben des feinfühlig gespielten Sopransaxophons, sondern in weiteren Kompositionen, wie Egberto Gismontis „Agua e vinho“ oder Feuchts stimmungsvollem „Kardamom“, auch die warmen, weichen Klänge des Bassetthorns überraschend gut mit dem volltönend und gleichermaßen transparenten, dabei oft auch mehrstimmig gespielten Kontrabass von Karo Höfler. Dass Jochen Feucht damit dem „Wasser“ von Krisch auch noch den mit „Kardamom“ gewürzten „Geist des Weines“ hinzufügte war eine jener subtilen Anspielungen, die oft erst in der Retrospektive sinnfällig werden.

Am Ende jedes Duo-Sets standen gemeinsame Stücke in der Formation „zwei plus zwei“, darunter Charlie Chaplins zum unsterblichen Evergreen gewordenes „Smile“. Die angenehme Überraschung beim so zustande gekommenen „Quartett“: die beiden so unterschiedlichen Duokonzepte verbanden sich zu einem erstaunlich homogenen Ganzen, das mehr war als die Summe seiner Teile.

gez. H. Schönecker

11.01.2015: Guitar Summit

Großartiger Gitarristen-Gipfel im Jazzkeller

Guitar Summit lockte Fans aus den Federn

BIBERACH – Für manche war es nach einer rockig-heißen Nacht im Abdera am Sonntagmorgen doch noch recht früh. Dennoch war die Bude rappelvoll als der Biberacher Gitarristen-Gipfel in einer Matinee des Jazzclubs über die Bühne des Jazzkellers ging. In einem stilistischen Spagat zwischen einer ausgefeilten, loop- und soundlastigen Mammut-Improvisation über 30 Minuten von Martin Sadowski sowie einer latinlastigen Eigenkomposition für Anrufbeantworter von AlJoVo & Lea füllte „Bluesfather“ Peter Zoufal mit ambitionierten Gitarristen-Highlights das jazz-, rock-, bluesige Gravitationszentrum.

In knappen einführenden Worten erläuterte der in Darmstadt lebende Biberacher Komponist und Gitarrenlehrer an der Bruno-Frey-Musikschule Martin Sadowski mit welchen Intentionen er an seinen musikalischen Beitrag geht. Verschiedene Spieltechniken und Stilelemente auf verschiedenen Gitarren, mit einer ganzen Batterie aus Effektgeräten und elektronischen Spielhilfen, vielfach geloopt und in vielschichtige strukturelle Zusammenhänge in einer breiten Klangpalette eingewoben, zeigte Sadowski, was mit diesem Instrument und neuen Technologien alles möglich ist.

Der Routinier, Meister aller Klassen und Stile, Peter Zoufal, besetzte mit seinen Darbietungen die stilistische Mitte der Matinee, das Rückgrat der Jazz- und Rockmusik im bluesaffinen Gitarrenolymp. Virtuose Kompositionen angesagter Heroen der Popularmusik, Bravourstücke ambitionierter Gitarristen, wie Titel von Frank Zappa und Fleetwood & Mac, tagesaktuell auch unter dem Motto „Je suis Charlie“ begeisterten rundum, gelegentliche Playbacks oder Playalongs taten dem keinerlei Abbruch.

Das Finale übernahm naturgemäß die mit drei Künstlern stärkste Fraktion des Tages, die Biberacher „Groove Brothers“ Jochen und Alexander Vogel mit Sängerin und Stimmungskanone Lea Knudsen unter den Vorzeichen des unterhaltsamen „Latin Jazz“ á la Jobim, angereichert mit bekannten Songs von den Beatles oder in einer Eigenbearbeitung und als beeindruckende Solonummer auch Stevie Wonders „I Wish“. Aus einer ganzen Reihe von Eigenkompositionen stach der lustvoll groovende Titel „LGE AB“ für Anrufbeantworter von Jo Vogel heraus. Mit einer angedeuteten „Session“ aller Akteure in C-Dur sowie Michael Jacksons „Blame it on the boogie“ ging die Matinee nach rund drei Stunden stimmungsvoll ins Restwochenende über.

 

  1. Schönecker

09.01.2015: Streit mit Fessele

Musikalischer Auftakt nach Maß

Salsa-Aphorismen für Fortgeschrittene

BIBERACH – „Streit mit Fessele“ erwiesen sich beim ersten Konzert des Jazzclubs im neuen Veranstaltungsjahr völlig unstrittig als musikalischer Topact und Publikumsmagnet gleichermaßen. Im ausverkauften Jazzkeller – Nachzügler mussten bereits mit Treppenstufen oder Stehplätzen Vorlieb nehmen – machte das sympathische Duo aus der Region dem rührigen Veranstalter als Träger des deutschen Spielstättenprogrammpreises alle Ehre. Das durchaus gewagte Konzept, Latin Jazz in Duobestzung rein akustisch darzubieten, hat sich dabei in hervorragender Weise bewährt.

Mit Joe Fessele am Kawaiflügel (mit angebauter Fußglocke) und Norbert Streit (an diversen Saxophonen sowie Querflöte, als unverstärkter Vokalsolist und gelegentlich auch mit sparsamem Perkussionseinsatz) haben sich zwei renommierte Musiker und Musiklehrer aus der Region, die sich bereits seit ihrem Studium kennen und unabhängig voneinander in verschiedenen größeren und kleineren Formationen aktiv sind, in Duobesetzung erfolgreich an ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen gemacht. Gelegentliche Neckereien in Anspielung auf das Konzertmotto konnten dabei nicht überdecken, dass sich hier zwei Musiker auf derselben Wellenlänge befinden, sich blind vertrauen und einander freundschaftlich verbunden sind.

Erklangen im ersten Programmteil noch bewährte und gefällige Standards aus der Blues-, Swing-, Bop- und Funk-Abteilung im eher traditionellen Duo-Zuschnitt, wohl auch als Hommage ans heimische Publikum, stand der eher experimentelle zweite Teil ganz unter einem lateinamerikanischen Stern. Dabei lag der besondere Reiz des Experimentes darin, im Original meist recht üppig besetzte Kompositionen wie Chick Coreas „Spain“ oder komplexe Bossa- und Salsa-Rhythmen wie in dem vom legendären Buona Vista Social Club bekannten „El Cuarto de Tula“ in der Duo-Besetzung auf das Allernotwendigste zu reduzieren und zu verdichten. Und genau hier lauerte denn auch das Neue: Kunstvolle Aphorismen, die den tieferen Sinn der Kompositionen in fast schon chirurgischer Präzision heraus präparierten und transparent machten. Ein Unterfangen, das allerdings auch den Zuhöreren einen gewissen Anspruch abverlangte und über reine Unterhaltung weit hinausging.

Das besondere Charisma, vor allem vom gut „behuteten“ Norbert Streit, dessen Gebaren und Gesangsstil – von äußerlichen Ähnlichkeiten abgesehen, vielleicht nicht einmal zufällig – an den legendären „Jake Blues“ aus dem ersten Blues-Brothers-Film erinnerte, steuerte in seiner schnippisch-trockenen Coolness dem künstlerisch Besonderen ein Quantum von Beiläufigkeit und Selbstironie bei, das nicht nur den Unterhaltungswert erheblich steigerte sondern dem Auftritt schon so etwas wie Kultstatus verlieh. Streits dominierende Bühnenpräsenz konnte jedoch nicht verdecken, dass die gestalterische Hauptlast von dem hochmotivierten Joe Fessele am Piano zu schultern war. Ausgefeilte Grooves und komplexe rhythmische Begleitstrukturen, immer wieder ergänzt oder durchbrochen von kürzeren oder längeren melodischen Soli und Improvisationen schienen mühelos aus Fessele herauszusprudeln. Beiden Musikern war, ebenso wie dem begeisterten Publikum, der Spaß an der Sache anzumerken. Laute Begeisterungsrufe und nicht enden wollender Applaus sowie mehrere Zugaben, darunter eine wundervolle Interpretation von „Georgia on my mind“ zeugten von einem erfüllten Konzertabend.

gez. H. Schönecker