06.02.2015: Mehl Consortium – Jazzclub Biberach e.V.

06.02.2015: Mehl Consortium

Urbaner Modern Jazz von vitalem „Mehl Consortium“

Lebendige Stadtansichten

BIBERACH – Eine geballte musikalische Energieladung des „Mehl Consortiums“ katapultierte mit dem Programm „City Views“ die überwiegend begeisterten Besucher des Jazzkellers im eher beschaulichen Landstädtchen mitten hinein in die „Rush Our“ der angesagtesten Großstädte. Statt relaxter Entschleunigung zum Ausklang einer stressigen Arbeitswoche gab es, für manche Besucher wohl unerwartet, eine gnadenlose Beschleunigung auf den raschen Puls der Zeit, der in den Großstädten wohl lauter und schneller schlägt als sonst wo. Temporeich swingende Rhythmen, treibende Walking Bass-Linien, stimulierende Akzente vom Kawaiflügel und rasante Improvisationen von Saxophon und Trompete zerfetzten jeden Gedanken an gemächliches Ausspannen und ließen eher an ein anspruchsvolles Workout-Fitnessprogramm zur Kompensation körperlicher und geistiger Verspannungen denken.

 

Der Bandleader, Komponist und Namensgeber des Consortiums, Magnus Mehl an Sopran- und Altsaxophon, illustrierte mit „The Dutch Way To Ride A Bike“ musikalisch seinen eigenen Weg in die Schnelllebigkeit der Großstädte am Beispiel der Erfahrungen zu seinem Studienbeginn in Amsterdam. Dass er, aus dem Städtchen Rottweil kommend, in der weltoffenen Großstadt auch selbst schnell an Fahrt gewonnen und den urbanen Geist inkorporiert hat, zeigte bereits der nächste Titel „Day At Coney Island“. Als nach einer ganzen Reihe temperament- und geistvoller High-Speed-Kompositionen schließlich doch noch die eine oder andere Ballade zelebriert wurde, etwa das stimmungsvolle „Autumn in Novi Sad“ – der Heimatstadt des genialischen serbischen Kontrabassisten Fedor Ruškuc – oder den programmatisch fallenden Regentropfen aus dem pittoresken „Rainy Days In Cologne“ – kamen diese umso überzeugender zur Geltung.

 

Mit dem in Berlin lebenden Trompeter Magnus Schriefl – nicht zu verwechseln mit seinem älteren Bruder und Träger des Biberacher Jazzpreises 2001, Matthias Schriefl – webte ein leidenschaftlich expressiver zweiter Frontmann kongenial mit an der kunstvollen melodischen Struktur von Mehls Kompositionen. Zwischen rasanten Unisonopassagen, zusammen mit Saxophon oder Klavier, fand er immer wieder kreative Freiräume zur Entwicklung eigener Ideen und kontrapunktisch polyphoner Verzahnungen bipolarer Improvisationen mit seinen Mitspielern. Dabei zeigte, vor allen anderen, der in Mittelbiberach wurzelnde Stuttgarter Pianist Frank Eberle ein subtiles Gespür für das dramaturgisch Erforderliche. Von anfeuernden, synkopierten Akkordeinwürfen über inspirierende „Breaks“ und „Fill-Ins“ zu weitgespannten Soloimprovisationen mit perlenden Tonkaskaden fand er immer genau das richtige Maß und den richtigen Zeitpunkt. Kaum zu glauben, dass Schriefl und Eberle nicht zur Stammbesetzung des Consortiums zählen, auch wenn die bruchlose Einheit der Rhythmusabteilung mit Ferenc Mehl am Drumset und dem Bassisten Fedor Ruškuc unverkennbar war. Ein erfrischender Konzertabend mit stimulierender, zeitgemäßer Live-Musik durfte natürlich nicht ohne Zugabe zu Ende gehen.

 

gez. H. Schönecker