13.03.2015: Stephan-Max Wirth Experience – Jazzclub Biberach e.V.

13.03.2015: Stephan-Max Wirth Experience

International besetzte „Stephan-Max Wirth Experience“ im Jazzkeller

Elliptische Dreier in Raum und Zeit

BIBERACH – Das Eröffnungsstück des interessanten Konzertabends vor vollem Hause trug noch keinen Titel, es war eine brandneue Komposition des in Berlin lebenden Saxophonisten Stephan-Max Wirth, der mit einem international besetzten Quartett angetreten war um seine neue CD vorzustellen. Wer die Vorankündigung und die Bandinfos gelesen hatte oder sich gar mit der vorzustellenden CD „Inner Draft“ vorab beschäftigt hatte, dürfte allerdings einigermaßen überrascht gewesen sein.

Feinsinnig umgesetzte Geschichten als Spiegel urbaner Lebensgefühle waren angekündigt. Was dann, auch im weiteren Verlauf des Abends, erklang, waren aber keine blutleeren, hochstilisierten oder bis zur Erschöpfung durch reflektierten und auf den Punkt gebrachten Kompositionen mit Ewigkeitswert. SMW-Experience brachten das pralle Leben selbst auf die Bühne und fesselten ihr begeistertes Publikum damit vom ersten Ton an.

 

Die Stücke der neuen CD wurden nicht etwa in perfektionierter Mechanik nachgespielt sondern immer wieder neu zum Leben erweckt, deren Sujet im offenen Feedback immer wieder aus dem Moment heraus neu erörtert. Der später erklingende eigentliche CD-Opener „Space In Time“ beschreibt dieses Verfahren beispielhaft. In den Worten von Wirth: „Wir nehmen uns den Raum in der Zeit und die dahingehende Zeit ist unser Raum. Wir machen Musik.“ Wer diese Aussage als bloßes philosophisches Wortspiel oder abstrakte Anspielung auf die Relativitätstheorie abtun wollte, wurde durch die unglaublich dichte und kraftvolle Musik schnell eines Besseren belehrt. Denn genau das macht guten Jazz aus: Wechselnde Improvisationen auf höchstem Niveau, ständige Interaktionen der Musiker, angetrieben durch ein dynamisch pulsierendes Kraftzentrum aus E-Bass (Bub Boelens) und Schlagzeug (Florian Hoefnagels) sowie einen spielerischen Umgang auch mit elektronisch erweiterten klanglichen Aspekten besonders der Gitarre (Jaap Berends), auch wenn diese mitunter bis auf die psychedelische Spielwiese führen. Der in der Zeit pulsierende Raum erstreckte sich von der kindlichen Zufriedenheit im Augenblick (Sleeping Child) bis zum rasenden Stillstand einer Zeit, die sich der atemlosen Jagd nach dem schnellen Geld verschrieben hat (Trash Cash).

 

Das elliptische Kreisen im „nicht ganz runden Dreiertakt“, so Wirth in einer der Anmoderation, vielleicht auch symbolisch verstanden als das Kreisen um eine „Blase“ in der Zeit, wurde nirgends „ohrenfälliger“ als in der Adaption des Titels „Die Moorsoldaten“. Geschrieben vom damaligen KZ-Häftling Rudi Goguel und in wechselvoller Geschichte bis heute zu einer „Volksweise“ geworden, unternahm es die SMW-Experience den historischen Wahrheitskern dieser Komposition herauszuarbeiten und damit auf die Gegenwart umzubrechen. Die SMW-Experience bot eine anspruchsvolle Musik für Geist und Bauch, die Ihresgleichen sucht. Das Biberacher Publikum ließ die vier Musiker denn auch erst nach der zweiten Zugabe von der Bühne.

 

gez. H. Schönecker