Archiv – Seite 86 – Jazzclub Biberach e.V.

12.06.2009: Max & More (Jazz für Kinder)

Workshop und Konzert
in der Projektreihe „Jazz für Kinder“ an der Grundschule Mettenberg

Rund 80 hell begeisterte Kinder der Klassen 1-4 der Grundschule Mettenberg kamen am Freitagvormittag in den Genuss zweier Workshops mit einem gemeinsamen Abschlusskonzert vor ihren Eltern in der Turnhalle. „Max & More“, zwei ungewöhnliche Perkussionisten aus Stuttgart, haben auf Einladung des Biberacher Jazzclubs im Rahmen der von der Landesstiftung Baden-Württemberg, der LBBW und dem Landesjazzverband unterstützten Projektreihe „Jazz für Kinder“ mit den Schülern altersgemäß jazztypische Rhythmen und kleine Stücke erarbeitet sowie ausgewählte eigene Werke vorgestellt.

Natürlich stießen Kompositionen wie ein „Rhythmusstück für zwei Fussbälle“, ein „Musikstück für Haushaltsgeräte“ (Kochlöffel, Topfdeckel, Schüttelbecher) oder auch ein „Musikstück für zwei Notenständer und Fahrradhupe“ auf flammende Begeisterung bei den hoch motivierten Kids. Auf witzige Weise wurde dabei ganz nebenbei auch mit dem weit verbreiteten Vorurteil, wonach Schlagzeuger keine Notenständer brauchen, aufgeräumt.

Offene Münder, aufgerissene Augen, fröhliches Lachen und immer wieder heftiger Beifall zeigten, dass die beiden Musiker Uwe Kühner und Bernd Settelmeyer nicht nur hochrangige Künstler, sondern eigentlich geborene Lehrer sind. Pädagogisch durchdacht, kindgemäß, abwechslungs- und lehrreich mit hohem Spaßfaktor gelang es „Max & More“ so ganz nebenbei aufzuzeigen, dass Jazz tatsächlich kein Unwort ist, sondern für eine lebendige, spontane Musik steht, die völlig zu Unrecht unter den heutigen Musikstilen in eine Randstellung geraten ist.

Was für eine Gaudi, als in dem „Recycling-Song“ eine schlecht ausgefallene Klassenarbeit musikalisch recycelt wurde. Weit über 100 Blatt Papier – auch die Eltern und Verwandten durften bei dem Schlussstück mitmachen – wurden gewedelt, zu Röhren geformt, geschlagen, rhythmisch zerknüllt, zerrissen und die Fetzen zum Finale schließlich pittoresk in die Luft geschleudert. Lang anhaltender Beifall, zufriedene Gesichter bei den Eltern und leuchtende Augen bei den Kindern waren nicht nur für „Max & More“ sondern auch für die an der Organisation beteiligten Lehrerinnen der Grundschule Mettenberg unter ihrem Rektor Dr. Weinrebe sowie den Verantwortlichen vom Jazzclub Biberach verdienter Lohn für die aufgebrachten Mühen.

gez. Dr. Helmut Schönecker

12.06.2009: Max & More

Max & More – Percussion-Duo mit Herz

 

“Wer spielt heute Abend im Jazzkeller, zwei Trommler, wird das nicht schnell langweilig? Irgendwie fehlt da doch jede Melodie.“ Dass der Fragesteller neben vielen anderen dann doch zum Konzert mit dem Stuttgarter Perkussionistenduo „Max & More“ erschien, musste er nicht bereuen. Bereits mit dem ersten Titel „Glockenklang“ wurde offenkundig, auch Schlaginstrumente sind der Melodien mächtig. Darüber hinaus entlockten Uwe Kühner und Bernd Settelmeyer ihren unzähligen, darunter auch recht exotischen Instrumenten wie Balibells oder Quica eine  klangliche Mannigfaltigkeit in einem rhythmisch multidimensionalen Raum, in dem es an nichts mangelte.

Bereits am Vormittag hatte das Duo im Rahmen des von Landesstiftung Baden-Württemberg, der LBBW und dem Landesjazzverband geförderten Projektes „Jazz für Kinder“ zwei Workshops mit begeisterndem Abschlusskonzert an der Grundschule Mettenberg gegeben. Dass sie mit ihrer symphatisch-kommunikativen Art nicht nur Kinder begeistern können, war schnell klar. Eine wohlüberlegte Dramaturgie, bestens aufgelegte Musiker und ein Publikum, das mit seinem Enthusiasmus nicht hinterm Berg hielt, führten mit fortschreitendem Abend zu einer immer dichteren Atmosphäre, die in einer heiteren Gelassenheit das ästhetisch-spielerische Element  der Musik auf den berühmten – und dennoch so seltenen – Punkt brachten. Spaß und Spannung, Struktur und improvisatorische Freiheiten standen in perfekter Balance.

Besonders eindrucksvoll wurde dies deutlich in dem Stück xxx in dem zwei, eher aus der Filmmusik bekannten „water drums“, mit sphärischen Klängen und Raumwirkungen emphatische  Empfindungen oder gar tranceartige schwebende Zustände auslösten. Über die skurrilen Sounds aus einer Federtrommel wurden die anfangs amorph wabernden Klangschichten schließlich immer stärker rhythmisch gefasst und konkretisiert um über afrikanische Schlitztrommel und Djembe schließlich in präzise, zupackende Rhythmuspatterns mit viel Drive und Groove überzugehen.

Uwe Kühner und Bernd Settelmeyer spielen seit ihrem gemeinsamen Schlagzeugstudium bei Pierre Favre (der auch die einzigste Fremdkomposition zum Programm beisteuerte) an der Musikhochschule Stuttgart miteinander in diversen Bandprojekten. Offenkundig auch musikalisch auf der selben Wellenlänge gelangen den beiden komplementäre Verzahnungen auch der komplexesten Strukturen mit einer Selbstverständlichkeit, die nur telepathische Ursachen haben konnte. Mehrere Zugaben und eine kurze Lektion in Instrumentenkunde ließen einen erfrischend kurzweiligen Abend in heiterer Zufriedenheit ausklingen.

15.05.2009: Talking Horns

Nette Kölsche Jungs ohne Berührungsängste

 

Mit lockerem Mundwerk, erfrischendem Humor und entspannter Unkompliziertheit erfreuten die vier geistvollen „Blazzmusiker“ aus Köln ihr leider nicht gar so zahlreiches Publikum im Biberacher Jazzkeller. Fans der herausragenden Formation aus der „Champions League der Blasmusik“ hatten am Freitagabend bis zu 80km Anfahrt in Kauf genommen um eines der raren Konzerte in Deutschland zu besuchen und sie wurden nicht enttäuscht.

 

Mit Eleganz und Esprit atmete die wahlweise komponierte oder improvisierte Musik eine anmutige Leichtigkeit die zwischen beiläufiger Unbekümmertheit und druckvoll zupackendem Groove changierte. Trotz vollständigem Verzicht auf Schlagzeug oder harmonisches Begleitinstrumentarium kamen selbst stark rhythmisch geprägte Reggae- oder Funktitel („Ragapapa“, „Arme Leute Funk“) genretypisch rüber. Vom mittelalterlichen Choral (Vulpius) über eine Bach’sche Sarabande im Latino-Stil (Beitrag zum Bachfest in Leipzig) bis zu blasmusikalischen Leckereien, etwa in einer Stilparodie der süditalienischen Blaskapellen , den „Bandas“, zeigten die vier nach knapp 15jähriger Bandgeschichte bestens aufeinander eingespielten Ausnahmemusiker der „Talking Horns“ keinerlei Scheu vor den unterschiedlichsten Sujets. Musikalische Humoresken wie „Slivowitz“ oder „Autoput“ mit balkanischen Einflüssen standen neben Skurrilitäten wie „Eichhörnchenballett“ oder den „Talking Horses“. Gegrunze, Gequake, Gewieher oder Geschnaube, mit und ohne „richtige“ Instrumente, unter exponiertem Einsatz von Entenlockpfeifen, Spieldosen, umgebauten Kindertrompeten, „talking drums“ aus dem Backstage-Raum und ähnlichem zu Instrumenten umfunktioniertem „Gedöns“ hinterließen beim Publikum erst Kopfschütteln, dann Schmunzeln und Lachen, schließlich heftige Begeisterung. Die „Talking Horns“ waren unterhaltsam ohne trivial zu sein, konzertant-virtuos und dennoch nicht anstrengend, gefühlvoll ohne falsche Sentimentalität und trotz aller harmonischen Gebundenheit auch „schön schräg“ mit der nötigen klanglichen Würze.

Ob der in Innsbruck lebende Produzent der Musik zur „Sendung mit der Maus“ Andreas Gilgenberg an Flöte, Klarinetten und Saxophonen oder der im „Starlight Express“ und „Saturday Night“ – Ensemble bewährte musikwissenschaftlich studierte Publizist Stephan Schulze an Flügelhorn, Posaune, Tuba oder anderen „Spielzeugen“, der gefragte Theatermusiker und Bandleader Achim Fink „an allem, was klingt“ oder der fernseherprobte Kölner Kultmusiker Bernd Winterschladen an diversen Saxophonen, jeder Musiker der „Talking Horns“ hat nicht nur ein eigenes Charisma und eine eigene selbständige Karriere gemacht sondern im originellen künstlerischen Konzept der „sprechenden Hörner“ eine eigene überzeugende Rolle gefunden. Zum wiederholten Male dürfen die „Talking Horns“ daher auch als Botschafter deutscher Kultur über das Goetheinstitut auf eine weltumspannende Tournee.

24.04.2009: Michael Riessler & Jean-Louis Matinier

Duo Riessler – Matinier im prall gefüllten Jazzkeller.

Virtuose Lieder ohne Worte musikalischer Wanderer zwischen den Welten.

Prickelnde Spannung, kurzweilige Unterhaltung und höchster Musikgenuss waren die herausragenden Merkmale eines ungewöhnlichen Events mit Michael Riessler und Jean-Louis Matinier, zu dem der Biberacher Jazzclub geladen hatte und welches völlig ohne Worte auskam.

Samtweich, warm und zart, in ätherischer Leichtigkeit materialisierten sich die ersten Töne von Riesslers Bassklarinette im Pianissimo, wie aus dem Nichts kommende Klänge formten sich zu anmutigen, weit gespannten Melodien, die den Raum ins Kosmische zu öffnen schienen. Satte, schmatzende Tiefen, lyrisch-kantable Mitten, durchscheinend-duftige Höhen kennzeichnen den Klang des eher selten gespielten Instrumentes, das Michael Riessler nicht nur souverän beherrschte, sondern dessen Grenzen er gleichsam sprengte. Ein durch Flageolett- oder Überblastechniken immens erweiterter Tonumfang gehörte ebenso zu seinem Repertoire, wie ein durch zusätzliches Hineinsingen „a la Mangelsdorff“ in die Mehrstimmigkeit überführter Klang, der mittels alternativer Tonerzeugungstechniken unter Verwendung von Klappengeräuschen aufgebrochen und durch eine perfektionierte Zirkularatmung ins Zeitlose transzendiert nahezu unbegrenzte musikalische Ausdrucksmöglichkeiten eröffnete. Gerade eben noch verträumt, melancholisch, meditativ versunken (etwa in dem auch auf der neuen CD „Silver & Black“ zu findenden Titel „REM“ wohl in Anlehnung an die gleichnamige aktive Schlaf- bzw. Traumphase) erfolgte im nächsten Moment ein unvermittelter Ausbruch in rasante, bebopartige Unisonopassagen aus deren vertrackten Synkopenakzenten sich übergeordnete metrische und melodische Strukturen erhoben. Barock oder klassisch anmutende harmonische Begleitstrukturen aus rasend schnellen, gebrochenen Dreiklängen standen neben impressionistischen Klangflächen oder amorph-aphoristischen Motivsplittern, die, teilweise in völliger Auflösung begriffen, die Musik gewissermaßen atomisierten um sie danach wieder neu zusammenzusetzen. Die staubtrockene Akustik des übervollen Jazzkellers erschwerte jedoch mögliche Klangspielereien erheblich und ließ die losen Partikel mitunter aber auch beinahe auseinander fallen.

Zusammen mit seinem nicht minder virtuosen französischen Mitstreiter Jean-Louis Matinier am chromatischen Knopfgriff-Akkordeon gelangen dem genialen „Paganini der Bassklarinette“, dem es allerdings auch nicht an gewissen elitären Attitüden des extravaganten Künstlers mangelte und der etwa mit aufklärenden Worten im Sinne einer Moderation des Programms geizte, exquisite musikalische Preziosen von großer künstlerischer Eigenständigkeit, ja Einzigartigkeit. Stringente Unikate, Eigenkompositionen mit einer gewaltigen stilistischen Bandbreite durch alle Epochen und Genres, die selbst vor folkloristischen Einschlägen nicht gefeit waren, verbanden etwa Versatzstücke barocker Instrumentalkonzerte, klangversunkene, polyphone Orgelmeditationen auf dem Akkordeon mit swingenden oder bluesartigen Passagen. Das Ganze war immer wieder durchsetzt mit modernen, akkordeontypischen „bellow shakes“ (schnellen Balgwechseln), Kennzeichen einer höchst kultivierten Balgarbeit, die auch einer subtilen Tongestaltung zu Gute kam. Bei aller Virtuosität und bei allem Temperament blieb jedoch in Riesslers exklusiver Musik immer eine gewisse intellektuelle Unterkühltheit spürbar, die Konstruktion schimmerte durch, Transparenz und Transzendenz blieben gewahrt, das dionysisch-ekstatische Element unter sicherer Kontrolle: anspruchsvolle, klassische Moderne, gelegentlich mit leichtem Jazzeinschlag, professionell dargeboten und mit immerhin zwei Zugaben an das begeisterte Publikum abgerundet.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

 

13.03.2009: Dieter Ilg Trio

Otello – Verdi – Ilg: ein Dreigestirn der besonderen Art.

Die neue Trioformation des Freiburger Ausnahmebassisten Dieter Ilg mit Rainer Böhm und Patrice Heral gastierte am Freitag in der Biberacher Stadthalle. Der Auftritt vor gut besuchtem Haus war einfach genial. Superb. Herausragend. Jazz? Ja, auch.

Schon einmal ist es Dieter Ilg gelungen, scheinbar Unvereinbares – das deutsche Volkslied und den Jazz – in faszinierender Weise zusammen zu bringen und damit höchste künstlerische Standards zu setzen. Die Zugabe nach einem erfüllten Konzert in der Biberacher Stadthalle „Nun will der Lenz uns grüßen“ war eine Reminiszenz an diese frühere Schaffensphase eines der weltbesten Kontrabassisten.

Ilgs neues Projekt „Otello“ – gerade erst mit einer Süddeutschlandtournee angelaufen – geht einen großen Schritt weiter. Giuseppe Verdis reifstes Bühnenwerk „Otello“, nach Shakespeares entzückte und begeisterte bei seiner Uraufführung an der Mailänder Scala im Jahr 1887 ganz Europa. Komposition und Dramaturgie flossen beim späten Verdi in fruchtbarer Synthese zu einer künstlerischen Einheit zusammen. Einheitlichkeit des Materials und Glaubwürdigkeit war Verdi höchstes Gebot. Die Einheit von Zeit und Raum spielt besonders im Quartett des 2. und im Finale des 3. Aktes des „Otello“ in der Gleichzeitigkeit der Darstellung innerer Gefühle der beteiligten Figuren eine bedeutende Rolle. Die stürmischen Aktivitäten Jagos, des eigentlichen Handlungsmotors, stehen den lyrisch-kontemplativen Emotionen der anderen Akteure: Otello, Emilia und Desdemona gegenüber. Es zeugt von Ilgs sorgfältigen Studien dieser Vorlage, wenn er nicht nur nach diesen Kriterien seinen Stoff aus der Verdioper auswählt, verdichtet und zu einem neuen eigenständigen Gebilde zusammensetzt, in dem jedes Detail im organischen Gesamtzusammenhang steht, sondern überdies die musikalischen Strukturen über die Zeit hinweg transformiert, gebrochen und gespiegelt im Jazzidiom in ganzheitlicher Interpretation konzertant auf die Bühne bringt. Im „Otello“ steht im Finale des 3. Aktes ein „Concertato“, in der Musik der konzertierende Wettstreit unter Gleichen. Einer der wenigen Hinweise in Ilgs sparsamer Moderation, just vor dieser Stelle, zeigte überdeutlich den intendierten gestalterischen Zugriff des Trios. Kongenial am großen Bösendorferflügel agierend wusste Rainer Böhm immer die richtigen Kontrapunkte zu setzen, perlende Improvisationen im rasanten Bopidiom „á la Jago“ standen neben pastellartigen Klangmalereien der beiden Mitstreiter und umgekehrt.  Patrice Heral an Schlagzeug und Live-Sampler beeindruckte nicht minder mit seinen komplexen, polyphon verdichteten Strukturen in selbstverständlicher Virtuosität. Auch wenn rhythmisch-melodische Zellen den Kern der ebenso populären, wie intellektuell anspruchsvollen Musik Verdis bilden, eingängige Tanz- und Marschrhythmen, reichhaltige Harmonik oder ein dialektisches Verhältnis zwischen Tradition und Neuerung den gestalterischen Zugriff auf Verdis Musik erleichtern – was dem Dieter-Ilg-Trio 2009 hier gelang, ist nicht nur intellektuell anspruchsvoll und in hohem Maße unterhaltsam, dieses Projekt wird mit großer Wahrscheinlichkeit (Jazz-) Musikgeschichte schreiben.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

06.02.2009: Steffen Dietze & Thomas Laengerer

Jazzkonzert der anderen Art

Quer gedachte „Lebensklänge“ für Hinhörer

Selten finden sich in einer ästhetischen Darbietung professionellen Zuschnitts so wenig konventionelle Anknüpfungspunkte, die eine Annäherung zwischen Künstlern und Publikum gewährleisten. Selten sind Chiffren und Strukturen  zwischenmenschlicher Verständigung in einer lyrisch-musikalischen Live-Darbietung so gegen den Strich gebürstet worden. Und noch seltener klappen Kommunikation und Interaktion  so verschiedener Künstler untereinander und mit dem Publikum dennoch so selbstverständlich und unspektakulär wie bei dem Projekt „Lebensklänge“ von Steffen Dietze und Thomas Laengerer beim letzten Jazzclubkonzert im Biberacher Jazzkeller.

Selbstverständliches („Die Erde ist rund“) und Alltägliches („Alltag“) mischten sich mit Tiefsinnigem, etwa Erich Frieds bekanntem Gedicht über die Liebe „Es ist was es ist“, Komischem („Jodok lässt grüßen“) , Surrealem oder auch Zeitkritischem („Der Mann mit dem Gedächtnis“). Natürlich, sympathisch und unaufgeregt setzte Thomas Laengerer seine treffend gewählten poetischen Texte in Szene, parlierte, deklamierte und rezitierte engagiert und mit durchgehendem Spannungsbogen. Musikalisch gerahmt, pointiert, kommentiert oder paraphrasiert wurden die Laengerschen Worte von Steffen Dietze am leider etwas verstimmten Steinwayflügel. Dietzes Eigenkompositionen und Improvisationen, teils zur besseren Verzahnung mit den Gedichten in einzelne Patterns  und Phrasen zerlegt, korrespondierten direkt oder indirekt mit den sprachlichen Bildern, Stimmungen und Gefühlen. Ob der teils melancholische, mitunter auch etwas entrückte Grundton der gelegentlich an „Minimal Music“ oder „Pop-Rock-Fusion“, oft jedoch auch an amorphe Klangcollagen so genannter „Entspannungsmusik“ erinnernden Stücke dem Ausdrucksgehalt der lyrischen Texte geschuldet war oder ob damit autonome musikalische Aussagen im Sinne des Konzertmottos „Lebensklänge“ intendiert waren, ergab sich nicht zwingend. Dem einen oder anderen Titel hätte in seiner literarischen Umgebung vielleicht etwas mehr Biss ganz gut angestanden. Dem eher auf Wohlklänge eingestimmten, ungewöhnlich zahlreichen, Publikum wäre damit allerdings der zweifellos vorhandene ästhetische Genuss abhanden gekommen, der mit dankbarem Beifall quittiert wurde. Die Gratwanderung der neueren Musik, die Zuhörer nicht mit unnötigen Dissonanzen zu vergraulen und dennoch die künstlerische Wahrheit auszusprechen, konnte in der „textjazzigen Hommage für Querdenker und Hinhörer“ nicht besser eingefangen werden. Der gelungene Versuch, Sprache und Musik auf durchaus innovative Weise zu verbinden und somit zum Nachdenken anzuregen, sollte dem Biberacher Gespann Motivation für weitere Unternehmungen dieser Art sein.

Gez. Dr. Helmut Schönecker