Archiv – Seite 79 – Jazzclub Biberach e.V.

14.06.2013: Rainer Böhm & Johannes Enders

Böhm & Enders im Jazzkeller Biberach

Von konzentrierter Entspannung zu entspannter Konzentration

Biberach (sz) – Freitagabend heißt für die meisten berufstätigen Menschen entspannter Wochenausklang, zwanglose Unterhaltung, aktives Kontrastprogramm und willkommene Abwechslung zum oft stressigen Berufsalltag. All das wurde den zahlreichen Konzertbesuchern im Biberacher Jazzkeller bei Rainer Böhm (Klavier und Komposition) und Johannes Enders (Saxophon) am vergangenen Freitagabend geboten.

Den beiden vielfach preisgekrönten Musikern gelang mühelos der Spagat zwischen komplexen Strukturen, Rhythmen und Harmonien einerseits und einfühlsamen Improvisationen, starken Affekten und therapeutischen Meditationen andererseits. Meist mit Eigenkompositionen von Rainer Böhm aber auch mit gut ausgewählten Standards abseits des Jazz-Mainstreams, wie etwa Sam Rivers rasanter Boptitel „Beatrice“, fanden die beiden unmittelbar den Weg in das Innerste ihres Publikums. Wer wegdriften wollte, konnte dies tun, ohne mit verstörenden Lautstärkeunterschieden oder abrupten Brüchen rechnen zu müssen. Versunkene Kontemplation mit geschlossenen Augen gab es nicht selten im zahlreich erschienenen Publikum zu beobachten. Wer in den inneren Kreis der intelligent gemachten Musik vordringen wollte, musste freilich von der konzentrierten Entspannung erst den Weg zu entspannter Konzentration finden. Der äußere Wohlklang der höchst abwechslungsreichen Stücke musste durch einschmeichelnde Saxophon-Kantilenen in samtig weichen Tönen oder glasklar perlende Klavierkaskaden aktiv hindurch stoßen um zu den substanziellen Kernaussagen, zur eigentlichen Message der Musik zu gelangen. Dort fand sich eine urbane Virilität und gestalterische Kraft in kammermusikalischer Dichte, die den Anschluss an die musikalische Avantgarde dokumentierte. Dort fand sich aber auch eine aufs Allernotwendigste reduzierte innere Romantik in gediegenen Formen und geläuterten Emotionen – in kammermusikalischer Transparenz. Der aus Ravensburg stammende Ausnahmepianist Rainer Böhm, der übrigens schon öfter in Biberach zu hören war und bald wieder mit dem Dieter Ilg Trio in der Stadthalle aufspielt, lebt mittlerweile in Köln und unterrichtet neben seiner regen Konzerttätigkeit unter anderem an der Hochschule für Musik in Mainz. Wer seine musikalische Entwicklung verfolgt, erlebt einen hochinteressanten Prozess, der durchaus Einflüsse von Dieter Ilg erkennen lässt und der dem Jazzpianospiel durchaus neue Impulse zu geben vermag.

Die gereifte Abgeklärtheit des Duos in Kombination mit hochvirtuoser Behändigkeit ergab eine mitunter fast bestürzend machende Spannung, welche die permanente Erfindung und Entwicklung musikalischer Ideen in atemlos machender Stringenz voranpeitschte und den Hörer geradezu magisch ins Gravitationszentrum dieses eigenwilligen und innovativen Musikuniversums hinein wirbelte. Obwohl dieser Prozess für sensible Hörer durchaus anstrengend werden konnte, mussten die beiden Künstler dem kundigen Publikum gleich zwei Zugaben geben.

gez. H. Schönecker

 

Rainer Böhm | Johannes Enders

Am 14.06.2013 um 20:30

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Piano & Saxophon im Duo

Johannes Enders (*1977) gehört zu den renommiertesten Saxophonisten Europas; inzwischen zählt der Zwei-Meter-Hüne laut Fachmagazin Jazzthing zu einem der zehn wichtigsten Nachwuchstenoristen weltweit. Mit dem Tied & Tickled Trio entdeckt Enders seine Liebe zur elektronischen und Minimal Musik, er verknüpft seinen nach allen Seiten offenen Saxophon-Sound mit Elektrobeats und Pop-Elementen. Enders gewann zahlreiche Auszeichnungen im In- und Ausland. Er stand mit vielen internationalen Stars auf der Bühne, u.a. Jaki Byard, The Notwist, Bobby Hutcherson, Lee Konitz, Naschet Waits, Brad Mehldau und Billy Hart.

Der Pianist Rainer Böhm (*1967) hat es mittlerweile zu einer außergewöhnlichen Präsenz in der Jazzszene gebracht. Rainer Böhm wurde bereits in jungen Jahren mit Preisen überhäuft. Seine Biografie liest sich wie eine Anleitung zum Erfolg. Der gebürtige Ravensburger mit Lehraufträgen an den Hochschulen für Musik in Mainz und Mannheim ist regelmäßig im Biberacher Jazzkeller zu Gast.

Durch die langjährige Zusammenarbeit haben die beiden Musiker ein präzises Zusammenspiel und eine individuelle Sprache entwickelt. Ihre Musik bewegt sich in einem Grenzbereich zwischen Modern Jazz und Neoromantik. Das abwechslungsreiche Repertoire umfasst ausschließlich Eigenkompositionen aus der Feder von Rainer Böhm, die mit ihren klaren Melodielinien und der rhythmischen Transparenz teils hochvirtuos und teils äußerst sparsam interpretiert werden.

Rainer Böhm – Piano
Johannes Enders – Tenorsaxophon

Eintritt: 12 EUR / 9 EUR
Karten und Platzreservierungen: kasse@jazzbiber.de

03.05.2013: triosence

Hochkarätiges Konzert im Jazzkeller Biberach

Reife Triokultur von „Triosence“ auf Release-Tour

BIBERACH – Aus dem Vollen schöpfen konnte das vielfach preisgekrönte Jazztrio des Pianisten und Komponisten Bernhard Schüler, der auf seiner dreiwöchigen CD-Release-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz auf dem Weg zwischen Stuttgart und Karlsruhe am Freitagabend mal eben im Biberacher Jazzclub Station machte. Der reißende Absatz der mitgebrachten CDs und der begeisterte Applaus des überaus zahlreich erschienenen Publikums waren äußere Zeichen dafür, dass Schülers Konzept offenkundig aufgeht. Pop und Jazz bilden bei „Triosence“ nicht länger einen Gegensatz.

Obwohl im ersteren Genre üblicherweise eine gewisse Schlichtheit zu Erfolg und Massentauglichkeit beiträgt, schafft es das Trio in einer Reduktion auf das Essentielle den oft als intellektuell verkannten Modern Jazz in seinem Sinne zu renovieren und umzudeuten. „Triosence“ verstehen Jazz dabei als „die Freiheit in einem Stück alles wegzulassen, was ihnen nicht gefällt.“ So definiert sich der Stil des gut eingespielten, homogen besetzten Trios zunächst über das, was den Stücken fehlt. Es gibt keine bedeutungsleeren Leiterpassagen oder mechanische Akkordbrechungen, kein bloßes Tastengeklingel oder zielloses Herumirren in virtuosen aber inhaltslosen Phrasen und vor allem finden sich auch keine lieblos aneinander gereihten Standard-Patterns in alltäglichen und damit leicht vorhersehbaren Strukturen und Formen. Das was übrig bleibt ist aber dennoch überraschend gefällig, eine Art New Pop Jazz, dem es bei aller Transparenz und Konzentration auf die Kernaussagen keineswegs an Unterhaltungswert und Emotionalität mangelt. Schüler verkörpert einen neuen, am ehesten von Bill Evans und dessen in freier Rhythmisierung herausgearbeiteten Melodielinien inspirierter Jazzstil, der bereits seine Fans gefunden hat.

Vielfach preisgekrönt, die drei letzten CDs gleichzeitig in den Top 20 der WOM-Jazz-Charts, „Turning Points“ gar auf Platz 7 der internationalen Media Control Jazz-Charts, versprach die Formation nicht nur Außergewöhnliches, sie hielt auch, was sie versprach. Matthias Nowak am Bass und Stephan Emig am Schlagzeug traten ebenso souverän solistisch, wie auch als integraler Bestandteil des Trios in Erscheinung. Die Kompositionen von Bernhard Schüler, der auch eloquent und launig, mitunter fast zu wortreich durchs Programm moderierte, schafften dabei durchweg jene empfindliche Balance, die das Bewährte nicht durch das Neue erschlug sondern immer nur so viel verdrängte, wie das Publikum mitzugehen bereit war. Dieses feine Gespür für die perfekte Mischung kennzeichnete auch sein gehaltvolles Klavierspiel und übertrug sich schließlich auf die zunehmend begeistert mitgehenden Hörer.

Nur an einer Stelle hinterließ Schüler etwas Verwunderung. Als er im Programmheft des Jazzclubs die von ihm hoch geschätzte Formation „East Drive“ (war im Februar im Biberacher Jazzkeller zu hören) entdeckte, inspirierte ihn das zu einer Anekdote, wonach sein Freund Vitaliy Zolotow (Gitarrist von „East Drive“) ihm kürzlich den Rat gab, doch unbedingt einen etwas böseren Mittelteil zu seinem neuen Stück zu schreiben. Die fröhlichen Randteile könnten so bleiben. Auch die bösere Version war Vitaliy immer noch zu brav, so dass sich Schüler ein drittes Mal daran machte um jetzt noch Böseres zu schreiben. Dieses böseste Resultat wurde denn auch gleich dem Biberacher Publikum vorgestellt – doch siehe da, das Schüler’sche Böse war eigentlich immer noch ziemlich lieb und diejenigen, die auf das richtig Böse gewartet hatten entsprechend ratlos. Das dem Pop geschuldete Vermeiden von Extremen schien jedoch der einzige Wermutstropfen für den puristischen Jazzfan an diesem ansonsten so unterhaltsamen und erfüllten Abend, der mit zwei eifrig herbei geklatschten Zugaben und einem regelrechten Run auf die stilvoll ausgestellten und auf Anfrage handsignierten CDs endete.

[Dr. Helmut Schönecker]

Triosence

Am 03.05.2013 um 20:30

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Jazz, Fusion, Folk und Weltmusik

Die drei Musiker haben als Solisten und als Trio eine Reihe von Preisen gewonnen bis hin zur Nominierung zum Preis der deutschen Schallplattenkritik. Damit konnten sie den Einstieg in die Internationalen Jazzcharts in Deutschland feiern.

triosence verarbeitet Einflüsse von Jazz, Fusion, Folk, World „… und entfaltet diese im Kollektiv zu einem opulenten Klanggemälde“. Alle Stücke sind Eigenkompositionen. Die Musiker lassen sich u.a. inspirieren von Bill Evans Trio, Keith Jarrett, Hubert Nuss, John Taylor, Ahmad Jamal, Peter Erskine, Jack DeJohnette und Zakir Hussain.

Der Stern nennt triosence „die neuen jungen Gesichter des deutschen Jazz“ und in der Tat wird die Band mit Bernhard Schüler (Piano), Matthias Nowak (Bass) und Stephan Emig (Schlagzeug) seit Jahren in der Fachpresse gelobt: „Der neue Meilenstein in Sachen Jazztrio“, „Klangtipp und Exempel für musikalische Dreieinigkeit“, „Ein unter die Haut gehendes Highlight“, oder „Triosence wandelt auf den Spuren des legendären Bill Evans Trios“ … so lauten die Reaktionen namhafter Magazine.

Besetzung:
Bernhard Schüler (Piano)
Stephan Emig (Schlagzeug)
Matthias Nowak (Bass)

www.triosence.de

Eintritt: 12 EUR / 9 EUR
Karten und Platzreservierungen: kasse@jazzbiber.de

19.04.2013: Katharina Maschmeyer Quartett

Katharina Maschmeyer-Quartett im Biberacher Jazzkeller

Kraftvolle Rhetorik und ungekünstelte Natürlichkeit

BIBERACH – Erfrischend andersartig erwies sich der groovige Stilmix des Katharina Maschmeyer-Quartetts im Programm des Biberacher Jazzclubs. Vor einer stattlichen Publikumskulisse kam die offen-kreative Suche der Formation nach neuen Wegen im Jazz durchaus an. Ohne Scheu gestand die sympathische Frontfrau an Sopran- und Tenorsaxophon in ihren knappen An- oder Abmoderationen, welche Stücke im Biberacher Jazzkeller ihren ersten Bühnenauftritt hatten und damit noch nicht ganz so rund und geschliffen daherkamen, wie die bereits auf CD eingespielten. Dabei waren es gerade die neuen Stücke, die den Weg der musikalischen Sinnsuche nachvollziehbar machten.

Die etwas ungewöhnliche Besetzung der Formation aus Saxophon, Gitarre, Keyboard und Schlagzeug, mithin also das Fehlen von E- oder Kontrabass, verriet noch nicht unbedingt das Neue in Maschmeyers Quartett. Immerhin übernahm Philipp Rüttgers mit flinker linker Hand den fehlenden Basspart und erweiterte damit die Band de facto zum Quintett. Der variable Sound seines digitalen Nord Star E-Piano-, Orgel-, Synthesizer-Samplers und die multieffektgesteuerte E-Gitarre von Jens Pollheide ließen schon eher erkennen, wo es hingehen sollte. Zusammen mit dem klanglich transparent und differenziert aber dennoch unaufdringlich groovenden Drummer Jens Otto entstand eine nicht nur modern anmutende Klanglichkeit, die in den zupackenderen Passagen mitunter an „Kraftwerk“ erinnerte, sondern auch eine jeweils instrumententypische, vielseitige und hochvariable Patternstruktur, die von polyphonen Kollektivimprovisationen, rock-, funk- und fusiontypisch markanten Rhythmen und vom Neobebop inspirierten, rasenden Unisonopassagen sowie Blues-Anklängen im blitzschnellen Wechsel durchzogen war.

Der explizit nicht lyrische oder gar süßliche Wohlfühl-Saxophonsound von Katharina Maschmeyer bot hierbei eine willkommene Mittlerfunktion. Die kraftvolle Rhetorik ihrer Improvisationen, oft auch im engen Dialog mit der Gitarre, ließ an Deutlichkeit in der Aussage nichts zu wünschen übrig. Hier gab es kein vorsichtiges Herantasten an Stimmungen und Gefühle, kein hypersensibles „um den heißen Brei herum spielen“. Selbst die wenigen balladenhaften oder leiseren Stücke strahlten noch eine immense Kraft und ungekünstelte Natürlichkeit aus, die von der eher zurückhaltenden Körpersprache der Bandmitglieder allerdings nicht immer wiedergespiegelt wurden. Und auch in den teils hochvirtuosen Improvisationen, vor allem des Gitarristen, verschwand nie ganz der Eindruck absichtsvoll gebremster Expressivität. Selbst die heftigsten Eruptionen verliefen völlig kontrolliert, fest eingespannt in die vorgegebenen architektonischen Strukturen der innovativen Eigenkompositionen von Maschmeyer und Pollheide. Vielleicht war Rüttgers durch seine Doppelfunktion in konzentrierter Kontemplation versunken, vielleicht war Pollheide durch seine üppige Batterie an Fußschaltern und Effektgeräten etwas vom Spiel abgelenkt, vielleicht steckten dem Quartett aber auch nur die acht Stunden Autobahnfahrt, direkt vor Konzertbeginn in den Knochen. Jedenfalls hätte eine expressivere Bühnenpräsenz sicher noch mehr Feuer und Spannung unter das gleichwohl sichtlich begeisterte Publikum gebracht.

 

[gez. H. Schönecker]

 

Katharina Maschmeyer Quartett

Am 19.04.2013 um 20:30

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Die Saxophonistin Katharina Maschmeyer gilt als eines der hoffnungsvollsten Talente der deutschen Jazz-Szene. Ihr Quartett wartet mit einer selbst komponierten Musik auf – groovige, mit Rock- und Blueselementen angereicherte Modern-Jazz-Arrangements, die unbekümmert zwischen modernem Jazz, Funk und Rock vermitteln.

Schon mit ihrem Debütalbum hatte das Katharina Maschmeyer Quartett aufhorchen lassen. Mit frischer Musik, die auch mal mit wunderbar krummtaktigen Momenten verwöhnt. Daran knöpft die junge Saxofonistin bei der Nachfolger-CD „Circle of Elements“ an. Kongeniale Partner sind Gitarrist Nils Pollheide und Jens Otto am Schlagzeug, sowie Philipp Rüttgers, der mit seinem Fender Rhodes auch den Basspart übernimmt.

„Circle of Elements“ ist laut Jazz Podium ein überaus reifes und überzeugendes Tondokument, welches seine Wurzeln im groovigen Modern Jazz der Spätsechziger-Jahre haben mag, sich durch das originäre Finetuning der Musiker und die tonsetzerische Meisterschaft der beiden Komponisten Katharina Maschmeyer und Nils Pollheide aber eine Eigenständigkeit bewahrt, die in diesem Genre nicht immer selbstverständlich ist. Die Stücke beginnen manchmal freejazzig, um sich dann beinahe unmerklich zu eingängigen, mit faszinierenden komplexen Rhythmen unterlegten Themen zu entwickeln und zugleich viel Freiraum für die Interaktion zwischen den einzelnen Musikern zu lassen.

Besetzung:
Katharina Maschmeyer (Tenor- & Sopran Saxophon)
Nils Pollheide (Gitarre)
Philipp Rüttgers (Rhodes/Synth Bass)
Jens Otto (Schlagzeug)

www.katharina-maschmeyer.com

Eintritt: 12 EUR / 9 EUR
Karten und Platzreservierungen: kasse@jazzbiber.de