Hochkarätiges Konzert im Jazzkeller Biberach
Reife Triokultur von „Triosence“ auf Release-Tour
BIBERACH – Aus dem Vollen schöpfen konnte das vielfach preisgekrönte Jazztrio des Pianisten und Komponisten Bernhard Schüler, der auf seiner dreiwöchigen CD-Release-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz auf dem Weg zwischen Stuttgart und Karlsruhe am Freitagabend mal eben im Biberacher Jazzclub Station machte. Der reißende Absatz der mitgebrachten CDs und der begeisterte Applaus des überaus zahlreich erschienenen Publikums waren äußere Zeichen dafür, dass Schülers Konzept offenkundig aufgeht. Pop und Jazz bilden bei „Triosence“ nicht länger einen Gegensatz.
Obwohl im ersteren Genre üblicherweise eine gewisse Schlichtheit zu Erfolg und Massentauglichkeit beiträgt, schafft es das Trio in einer Reduktion auf das Essentielle den oft als intellektuell verkannten Modern Jazz in seinem Sinne zu renovieren und umzudeuten. „Triosence“ verstehen Jazz dabei als „die Freiheit in einem Stück alles wegzulassen, was ihnen nicht gefällt.“ So definiert sich der Stil des gut eingespielten, homogen besetzten Trios zunächst über das, was den Stücken fehlt. Es gibt keine bedeutungsleeren Leiterpassagen oder mechanische Akkordbrechungen, kein bloßes Tastengeklingel oder zielloses Herumirren in virtuosen aber inhaltslosen Phrasen und vor allem finden sich auch keine lieblos aneinander gereihten Standard-Patterns in alltäglichen und damit leicht vorhersehbaren Strukturen und Formen. Das was übrig bleibt ist aber dennoch überraschend gefällig, eine Art New Pop Jazz, dem es bei aller Transparenz und Konzentration auf die Kernaussagen keineswegs an Unterhaltungswert und Emotionalität mangelt. Schüler verkörpert einen neuen, am ehesten von Bill Evans und dessen in freier Rhythmisierung herausgearbeiteten Melodielinien inspirierter Jazzstil, der bereits seine Fans gefunden hat.
Vielfach preisgekrönt, die drei letzten CDs gleichzeitig in den Top 20 der WOM-Jazz-Charts, „Turning Points“ gar auf Platz 7 der internationalen Media Control Jazz-Charts, versprach die Formation nicht nur Außergewöhnliches, sie hielt auch, was sie versprach. Matthias Nowak am Bass und Stephan Emig am Schlagzeug traten ebenso souverän solistisch, wie auch als integraler Bestandteil des Trios in Erscheinung. Die Kompositionen von Bernhard Schüler, der auch eloquent und launig, mitunter fast zu wortreich durchs Programm moderierte, schafften dabei durchweg jene empfindliche Balance, die das Bewährte nicht durch das Neue erschlug sondern immer nur so viel verdrängte, wie das Publikum mitzugehen bereit war. Dieses feine Gespür für die perfekte Mischung kennzeichnete auch sein gehaltvolles Klavierspiel und übertrug sich schließlich auf die zunehmend begeistert mitgehenden Hörer.
Nur an einer Stelle hinterließ Schüler etwas Verwunderung. Als er im Programmheft des Jazzclubs die von ihm hoch geschätzte Formation „East Drive“ (war im Februar im Biberacher Jazzkeller zu hören) entdeckte, inspirierte ihn das zu einer Anekdote, wonach sein Freund Vitaliy Zolotow (Gitarrist von „East Drive“) ihm kürzlich den Rat gab, doch unbedingt einen etwas böseren Mittelteil zu seinem neuen Stück zu schreiben. Die fröhlichen Randteile könnten so bleiben. Auch die bösere Version war Vitaliy immer noch zu brav, so dass sich Schüler ein drittes Mal daran machte um jetzt noch Böseres zu schreiben. Dieses böseste Resultat wurde denn auch gleich dem Biberacher Publikum vorgestellt – doch siehe da, das Schüler’sche Böse war eigentlich immer noch ziemlich lieb und diejenigen, die auf das richtig Böse gewartet hatten entsprechend ratlos. Das dem Pop geschuldete Vermeiden von Extremen schien jedoch der einzige Wermutstropfen für den puristischen Jazzfan an diesem ansonsten so unterhaltsamen und erfüllten Abend, der mit zwei eifrig herbei geklatschten Zugaben und einem regelrechten Run auf die stilvoll ausgestellten und auf Anfrage handsignierten CDs endete.
[Dr. Helmut Schönecker]