Archiv – Seite 7 – Jazzclub Biberach e.V.

22.12.2024: Rootbears

Rootbears – Eine Biberacher Institution wird Fünfunddreißig

Weihnachtsjazz mit Kultstatus für die ganze Familie

 BIBERACH – Eingerahmt durch weihnachtliche Weisen in ganz spezifischem Gewand erklangen in der ausverkauften Schützenkellerhalle jazzige und jazzaffine Weisen von einer der am längsten bestehenden lokalen Band, den bereits legendären Rootbears. Seit Jahrzehnten vom Jazzclub Biberach als Veranstalter unterstützt, hat der 35. traditionelle Weihnachtsjazz der Wurzelbären mittlerweile eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Und seit den Anfängen der inzwischen über 50-jährigen „Best Ager“ noch während deren eigener Schulzeit, gibt es zahlreiche treue und immer wieder auch neue Fans, die von der zum Kult gewordenen launigen Performance überzeugt und begeistert sind. Ein Programm aus lauter Lieblingsstücken der Bandmitglieder, die dann auch persönlich für die jeweiligen Arrangements verantwortlich zeichnen, trifft ganz offensichtlich auch den breiten Publikumsgeschmack. Das stimmungsvolle Ambiente in der festlich dekorierten Schützenkellerhalle, ein toller Sound und eine professionelle Ausleuchtung, taten ein Übriges um die festliche Stimmung zu bereiten.

Bereits der erste musikalische Auftritt aus den Tiefen der Halle heraus mit einem fünfstimmigen A-cappella-Gesang des auf die besondere Situation hin umgetexteten und arrangierten Weihnachtsliedes „Alle Jahre wieder“ brach als überraschender „Opener“ das Eis und sorgte gleich für die ersten Lacher. Die kongenialen Anmoderationen, vor allem von dem mit gleich drei Saxophonen und Okarina angetretenen Rüdiger Przybilla ließen durch ihren trockenen humoristischen Einschlag das Schmunzeln nicht aus den Mienen der Zuhörer verschwinden. Dass es sich bei der Okarina um ein ehemaliges Werbegeschenk der Firma Thomae zur Stärkung der Lungenfunktion handelte, ließ Przybilla durch den exzessiven pneumatischen Gebrauch zur allgemeinen Erheiterung sinnfällig werden. Auch ein Rekurs auf eine 18 Jahre zurückliegende Komposition, die beim Weihnachtsjazz 2006 von den Freuden und Leiden eines frischgebackenen Vaters berichtete, sorgte für Lacher, gefolgt von der freudigen Überraschung als der Wonneproppen von damals als „Special Guest“ namens Matteo mit seiner Gitarre durchaus kompetent das Quintett zum Sextett erweiterte. Der berechtigte Stolz des Vaters war unübersehbar und war auch äußeres Zeichen für ein absolut familientaugliches Unterhaltungsprogramm.

Die stilistische Bandbreite des mannigfaltigen Programms reichte von Duke Ellingtons swingender „Satin Doll“, über die „Samba Tzigane“ des 2023 in München verstorbenen, serbischen Jazztrompeters Dusko Goykovichs oder „Armandos Rhumba“ von Chick Corea bis zum schwäbischen Linsengerichtslied á la „Herr Stumpfes Zieh- & Zupfkapelle“, letzteres köstlich anmoderiert vom souveränen Keyboarder und Akkordeonisten der Band, Magnus Schneider. Selbstverständlich durften auch bluesige Nummern wie „Joe’s Moonblues“ von Nils Landgren mit einem ausgedehnten Posaunensolo von Hans-Peter Schmid oder jazzige Bossa-Nova-Titel wie „La Belle Dame Sans Regrets“ von Sting oder auch das soulige „Why Am I Treated So Bad“ von Norah Jones nicht fehlen. Wechselnde Improvisationen meist von Saxophon, Keyboard oder Posaune sorgten auch für strukturellen und klanglichen Abwechslungsreichtum. Durch die Bank war der neu eingestellte Schlagzeuger der Band, Holger Koppitz, durch komplexe Rhythmen, Takt- und Tempowechsel oder diffizile Songstrukturen ordentlich gefordert, zumal nur wenige gemeinsame Proben voran gegangen waren. Diese Bewährungsprobe hat Koppitz allerdings glänzend bestanden. Der junge Gitarrist Matteo Przybilla gab ebenfalls einen bemerkenswerten Einstand mit „Fragile“ von Sting und Stevie Wonder. Martin Schmid, stellte neben seinem altbewährten groovenden Kontrabass auch einen nagelneuen, sündhaft teuren „cremefarbenen“ E-Bass vor, der vor allem in den neueren, rockigen Kompositionen zum Einsatz kam. Besonders eindrucksvoll geriet das Schlussstück auf der von einer einzigen Kerze im völlig verdunkelten Saal beleuchteten Posaune. Hans-Peter Schmid zelebrierte als zweite Zugabe, nur sparsam begleitet von Magnus Schneider am Keyboard, seine ganz persönliche, anrührende Version von „Stille Nacht“. Einmal mehr setzten die „Rootbears“ mit diesem so traditionellen Konzert ein weihnachtliches Highlight und es bleibt zu hoffen, dass noch viele solche Jubiläen gebührend gefeiert werden können.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Rootbears | Weihnachts-Jazz

Am 22.12.2024 um 20:00 Uhr

Ort: Biberach, Schützenkellerhalle

Beschreibung

Das Rootbears Weihnachtskonzert. Für nicht wenige Biberacher ist es als Auftakt für die Feiertage unverzichtbar. Seit mehr als 30 Jahren gestalten die fünf Musiker einen Abend für Familie, Freunde und Musikinteressierte, der in der Biberacher Musikszene seinesgleichen sucht. Handgemachter Jazz, witzige Einlagen, A-cappella-Gesang und jedes Jahr neue, teils absurde Überraschungen warten auf die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Besetzung: Rüdiger Przybilla (sax), Hanspeter Schmid (tb), Magnus Schneider (acc, p), Martin Schmid (b), Holger Koppitz (dr)

Foto: Manfred Fakler

Eintritt: 18 Euro; ermäßigt 12 Euro
Kartenvorverkauf ab 30. November bei der Stadtbuchhandlung

Stefanie Boltz Trio

Am 06.12.2024 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach

Beschreibung

Update 06.12.2024:
DAS HEUTIGE KONZERT MUSS KRANKHEITSBEDINGT LEIDER ABGESAGT WERDEN!

Die Sängerin aus München stieß bereits 2016 und zuletzt im Jahr 2020 in Biberach auf große Begeisterung. Abwechslungsreich und mit großer emotionaler Tiefe entführten ihre eingängigen Melodien in eine ganz persönliche, atmosphärisch dichte Klangwelt voller Anmut. In ihren „Midwinter Tales“ entfaltet sich die jahrhundertealte Magie der Wintersonnenwende, das „Zur-Ruhe-kommen“, das Zusammenrücken am Kamin während der langen, kalten Nächte und die gemeinsame Sehnsucht nach dem Frühling. Jenseits überkommener Kategorien und Klischees zaubert Stefanie Boltz mit ihrem Trio in einem raffinierten Stilmix ein Programm voller Zwischentöne in dem Groove & Intimität, Virtuoses & Witziges, Deutsches & Englisches, Wärmendes & Unterhaltsames seinen Platz findet.

Stefanie Boltz (Gesang)
Martin Kursawe (Gitarren)
Clemens Rofner (Kontrabass)

www.fine-artist.de

Eintritt: 22 Euro, Jazzclub-Mitglieder 18 Euro, Studierende 10 Euro,
freier Eintritt für Biberacher Schülerinnen und Schüler

Foto: Mike Meyer

22.11.2024: Karoline Weidt Quartett

„Ladies in Jazz“-Reihe #6 – Karoline Weidt Quartett

„Die mit den Engeln singt“

BIBERACH – Nicht nur der rege CD-Verkauf, auch die glockenhelle Stimme der Brandenburger Jazz-Sängerin, Komponistin und Bandleaderin Karoline Weidt sowie die Schneelandschaft vor der Haustüre ließen den Verdacht aufkommen, das Fest der Feste sei nicht mehr weit. Machte schon das bestens aufgelegte Quartett aus dem Umfeld der Dresdener Musikhochschule mit seinem musikalischen Rundum-Wohlfühlpaket gute Laune, so taten die feinsinnigen Interpretationen ausgesuchter Texte und die wandelbare Stimme der jungen Sängerin ihr Übriges. Gelegentlich durften sogar die zahlreichen Gäste als Background-Chor in Aktion treten.

Lediglich bei den ersten Stücken mit noch etwas gebremstem Schaum, fanden Band und Publikum dann doch schnell und umso enger zusammen. Stimulierende Beifallsrufe und Szenenapplaus, vor allem bei den stupenden Solo-Improvisationen des Pianisten Mikolaj Suchanek aber auch der engelslockigen Kontrabassistin Liza Stadnitska motivierten sicht- und hörbar auch die Musiker. Weidts Stimme erfüllte selbst in den Passagen mit Scatsilben ihren solitären Part souverän, ohne deswegen dominant oder gar penetrant zu wirken. Am offenkundigsten offenbarte sich ihre Meisterschaft sowie die klassisch geschulte und dennoch jazztypische Stimme in der einzigen Fremdkomposition des Abends, in Kurt Weills „Speak low“.

Selten war das durchaus anspruchsvolle Stück des vor allem durch seine „Dreigroschenoper“ mit dem Libretto von Berthold Brecht bekannten Komponisten, im Original für Singstimme und Klavier, in solch lyrischer Empfindsamkeit und Ausdruckstiefe zu hören, die einfühlsame Begleitung mit eingeschlossen. Weidts Interpretation braucht sich selbst hinter der etwas überarrangierten Version eines Frank Sinatra nicht zu verstecken. Ihr persönliches Vorbild Sarah Vaughan schimmert zwar durch, deren waberndes Vibrato hat sie jedoch, dem Jazz und dem Zeitgeschmack geschuldet, auf ein Minimum reduziert ohne dadurch jedoch an Intensität einzubüßen.

Auch ihre eigenen, tiefsinnigen Kompositionen sind durch eingängige, weitgespannte und plastische Melodien gekennzeichnet. Das innige Verhältnis zwischen Text und Musik erschließt sich nur bei intensivem und am besten wiederholtem Hören, so dass ein CD-Kauf sicher kein Fehler war. Die Fülle musikalischer Einfälle besonders in den Klavierimprovisationen, die organischen Übergänge zwischen den einzelnen Formabschnitten und immer wieder die sensible und filigrane Begleitung für deren dezenten Groove neben dem Kontrabass besonders auch der Drummer Felix Demeyre verantwortlich zeichnete, sprechen ebenfalls für wiederholtes Hören. Und so wie wahre, geistvolle Kunst auch bei wiederholter Betrachtung und Kontemplation immer neue Schätze und Einsichten offenbart, verliert auch Weidts Œuvre durch Wiederholung nichts von seiner Faszination.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Karoline Weidt Quartett

Am 22.11.2024 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach

Beschreibung

Die 1995 in Brandenburg geborene Sängerin studierte Jazz-Gesang und Pädagogik an der Hochschule für Musik in Dresden und ist seit ihren Jahren im BUJAZZO im Bereich von Jazz und zeitgenössischer Musik auch als Komponistin tätig. Mit ihrem 2020 gegründeten und bereits mehrfach preisgekrönten Quartett produzierte sie 2023 die Platte „Inviting“ in der Reihe „Jazzthing Next Generation Vol 98“. Bis auf „Speak Low“ von Kurt Weill enthält das Debüt-Album nur Eigenkompositionen, neben eigenen Texten teilweise auch mit Lyrics von Emily Dickinson. Die Stimme von Karoline Weidt ist äußerst facettenreich, lässt an große Vorbilder wie Ella Fitzgerald oder Sarah Vaughan oder auch Norma Winstone denken. Songs wie „Yellow Sky“, „The Birds“ oder „She’s The Dawn“ vereinen die Energie und Komplexität des Jazz mit der Eingängigkeit aus der Welt des Pop.

Karoline Weidt (voc)
Mikolaj Suchanek (piano)
Liza Stadnitska (bass)
Felix Demeyre (drums)

www.karolineweidt.de

Eintritt: 22 Euro, Jazzclub-Mitglieder 18 Euro, Studierende 10 Euro,
freier Eintritt für Biberacher Schülerinnen und Schüler

Foto: Marlene Rahmann

16.11.2024: Rebecca Trescher Tentett

Rebecca Trescher Tentett gibt fulminantes Gastspiel in der Stadthalle

Magische Klänge aus Rebeccas Zaubergarten

BIBERACH – Ein Tentett mit 10 Musikern an rund 20 Instrumenten unter Leitung von Rebecca Trescher, ein Jazzkonzert mit kammermusikalischem Einschlag, elaborierte Kompositionen mit überraschend vielen improvisatorischen Freiheiten und ein über viele Jahre hinweg bestens eingespieltes Team irgendwo zwischen Jazzcombo und Symphonie-Orchester angesiedelt, mit einer repräsentativen Auswahl an Holz- und Blechbläsern, Konzertharfe, tiefe Streicher, Vibrafon, Schlagzeug, Klavier und Kontrabass in immer neuen Klangkonstellationen verzauberte in der Stadthalle mit Charakterstücken aus dem Ideenpool der Musiker ein musik- und jazzaffines Publikum. Ein fulminanter Höhepunkt in der Konzertreihe „Ladies in Jazz“ des Jazzclubs.

Mal eher programmatisch angelegt, mal kontrapunktisch gewirkt, mal durch ostinate Motive oder Klangflächen geprägt, immer aber mit plastischen Melodielinien und impressionistisch schillernden Klangfarben versehen, von rasanten Improvisationen und expressiven Soli durchzogen, rhythmisch und metrisch mal mehr mal weniger komplex und dabei strukturell äußerst facettenreich, entfaltete sich ein kurzweiliges Programm, dessen durchaus überzeugender Individual-Stil schwer zu fassen ist. Die intensive Wirkung auf die begeistert applaudierenden Zuhörer, ob eher melancholisch, heiter, dramatisch oder optimistisch und aufmunternd, war jedenfalls mit Händen greifbar.

Die meisten Stücke entstammten der brandneuen CD „Character Pieces“, das Schlussstück „Where We Belong“ war gar eine Uraufführung. Das Konzept der Charakterstücke bestand darin, von jedem Musiker eine mehr oder weniger ausgearbeitete Idee für eine Komposition skizzieren zu lassen. Aus den disparaten Bausteinen komponierte, instrumentierte und arrangierte Rebecca Trescher schließlich die Kompositionen, die somit trotz ihrer Verschiedenartigkeit eine einheitliche Handschrift trugen.

Das Eröffnungsstück „Le Moutardier“ ließ einen manchen Zuhörer zunächst verwundert die Augenbrauen hochziehen, schien doch zunächst nichts so richtig zusammenzupassen. Als nachträglich der Titel des Stückes verkündet und mit „Der Senfmacher“ übersetzt wurde, ging aber schließlich dem einen oder anderen Zuhörer doch noch ein Licht auf. Zu einer ostinaten Begleitformel in Klavier und Kontrabass traten nach und nach eine Klarinetten- und Flötenmelodie, weitere Instrumente mischten sich ins Geschehen, pikante Ingredienzien, dissonante Kollisionen, teils in schriller Tonlage von Flöte und Klarinette, immer neue Drehfiguren umschlangen sich und rührten den Senf zusammen, dessen Würze schließlich förmlich am Gaumen zu spüren war.

Eine ganze Reihe von Kompositionen erschloss sich über ihre programmatischen Titel. Bezwingend das düstere Nachtstück nach einer Idee des Vibrafonisten Roland Neffe. Wunderschön und deutlich harmonischer das Stück „Aussichtsreich“, entstanden während einer Probephase in einer hoch über Bregenz gelegenen Jazzscheune mit Blick über den Bodensee. Silvio Morger am Schlagzeug und Andreas Feith am Klavier waren die Ideenlieferanten. Pittoresk auch der Titel „Höhenwind“, durchsetzt mit Blasgeräuschen durch tonloses Blasen ins Instrument sowie quirligen Figuren in der Klarinette aus der Tiefe in die höchste Lage aufsteigend. Gefolgt wurden diese von schnell auf- und absteigende Skalenmotiven und einer rasanten Improvisation vom Klavier durch Andreas Feith, von dem auch die Idee zum Stück stammte. Die wilde Improvisation zu „Wildwasser“ durfte deren Urheber, der Tübinger Markus Harm am Altsaxophon beisteuern.

Eines der eindrucksvollsten und faszinierendsten Stücke war der von brasilianischen Rhythmen durchzogene, klanglich entzückende „Zaubergarten“, der sich, wie das im 15/8 Takt über einem Vibrafon-Ostinato gehaltene „Verborgen im Wald“, wohl auf der nächsten CD wiederfinden dürfte. Nach zwei Stücken aus dem Paris Zyklus Rebecca Treschers als Zugabe fanden die mitgebrachten und signierten CDs reißenden Absatz.

Text und Fotos: Helmut Schönecker