Rebecca Trescher Tentett gibt fulminantes Gastspiel in der Stadthalle
Magische Klänge aus Rebeccas Zaubergarten
BIBERACH – Ein Tentett mit 10 Musikern an rund 20 Instrumenten unter Leitung von Rebecca Trescher, ein Jazzkonzert mit kammermusikalischem Einschlag, elaborierte Kompositionen mit überraschend vielen improvisatorischen Freiheiten und ein über viele Jahre hinweg bestens eingespieltes Team irgendwo zwischen Jazzcombo und Symphonie-Orchester angesiedelt, mit einer repräsentativen Auswahl an Holz- und Blechbläsern, Konzertharfe, tiefe Streicher, Vibrafon, Schlagzeug, Klavier und Kontrabass in immer neuen Klangkonstellationen verzauberte in der Stadthalle mit Charakterstücken aus dem Ideenpool der Musiker ein musik- und jazzaffines Publikum. Ein fulminanter Höhepunkt in der Konzertreihe „Ladies in Jazz“ des Jazzclubs.
Mal eher programmatisch angelegt, mal kontrapunktisch gewirkt, mal durch ostinate Motive oder Klangflächen geprägt, immer aber mit plastischen Melodielinien und impressionistisch schillernden Klangfarben versehen, von rasanten Improvisationen und expressiven Soli durchzogen, rhythmisch und metrisch mal mehr mal weniger komplex und dabei strukturell äußerst facettenreich, entfaltete sich ein kurzweiliges Programm, dessen durchaus überzeugender Individual-Stil schwer zu fassen ist. Die intensive Wirkung auf die begeistert applaudierenden Zuhörer, ob eher melancholisch, heiter, dramatisch oder optimistisch und aufmunternd, war jedenfalls mit Händen greifbar.
Die meisten Stücke entstammten der brandneuen CD „Character Pieces“, das Schlussstück „Where We Belong“ war gar eine Uraufführung. Das Konzept der Charakterstücke bestand darin, von jedem Musiker eine mehr oder weniger ausgearbeitete Idee für eine Komposition skizzieren zu lassen. Aus den disparaten Bausteinen komponierte, instrumentierte und arrangierte Rebecca Trescher schließlich die Kompositionen, die somit trotz ihrer Verschiedenartigkeit eine einheitliche Handschrift trugen.
Das Eröffnungsstück „Le Moutardier“ ließ einen manchen Zuhörer zunächst verwundert die Augenbrauen hochziehen, schien doch zunächst nichts so richtig zusammenzupassen. Als nachträglich der Titel des Stückes verkündet und mit „Der Senfmacher“ übersetzt wurde, ging aber schließlich dem einen oder anderen Zuhörer doch noch ein Licht auf. Zu einer ostinaten Begleitformel in Klavier und Kontrabass traten nach und nach eine Klarinetten- und Flötenmelodie, weitere Instrumente mischten sich ins Geschehen, pikante Ingredienzien, dissonante Kollisionen, teils in schriller Tonlage von Flöte und Klarinette, immer neue Drehfiguren umschlangen sich und rührten den Senf zusammen, dessen Würze schließlich förmlich am Gaumen zu spüren war.
Eine ganze Reihe von Kompositionen erschloss sich über ihre programmatischen Titel. Bezwingend das düstere Nachtstück nach einer Idee des Vibrafonisten Roland Neffe. Wunderschön und deutlich harmonischer das Stück „Aussichtsreich“, entstanden während einer Probephase in einer hoch über Bregenz gelegenen Jazzscheune mit Blick über den Bodensee. Silvio Morger am Schlagzeug und Andreas Feith am Klavier waren die Ideenlieferanten. Pittoresk auch der Titel „Höhenwind“, durchsetzt mit Blasgeräuschen durch tonloses Blasen ins Instrument sowie quirligen Figuren in der Klarinette aus der Tiefe in die höchste Lage aufsteigend. Gefolgt wurden diese von schnell auf- und absteigende Skalenmotiven und einer rasanten Improvisation vom Klavier durch Andreas Feith, von dem auch die Idee zum Stück stammte. Die wilde Improvisation zu „Wildwasser“ durfte deren Urheber, der Tübinger Markus Harm am Altsaxophon beisteuern.