Archiv – Seite 23 – Jazzclub Biberach e.V.

Jazzclub Biberach: Konzertübersicht 2020

Übersicht über alle Veranstaltungen des Jazzclubs Biberach im Jahr 2020:

1. Halbjahr 2020 – Flyer     1. Halbjahr 2020 – Plakat

2. Halbjahr 2020 – Flyer

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06.12.2019: Sebastian Studnitzky | Memento

Sebastian Studnitzky fasziniert und begeistert

Applaus-Dankeschön-Konzert lockt viele Gäste in den Jazzkeller

BIBERACH – Rekordverdächtige Besucherzahlen und stürmischer Applaus empfingen die in der Jazzszene ziemlich ungewöhnliche Besetzung aus Streichquintett, Klavier und Trompete um Sebastian Studnitzky im Jazzkeller, vom Jazzclub als Dankeschön für den Gewinn des deutschen Spielstättenprogrammpreises „Applaus“ ausgerichtet. Erste und zweite Violine, Bratsche, Cello und Kontrabass, eine in Jahrhunderten gereifte Besetzung mit der heute jedermann den Begriff Klassik verbindet, bildeten den fliegenden Klangteppich auf dem der Magier Studnitzky an den Tasten und Ventilen seine kreativen Ideen entfalteten konnte. Lebendig pulsierender harmonischer Wohlklang durchströmte den Veranstaltungsraum, in dem man eine Stecknadel hätte fallen hören. Die konzentrierte Aufmerksamkeit und die trockene Raumakustik forderten dabei den Musikern höchste Präzision und Disziplin ab.

Auch wenn Studnitzky kalauerte, im Jazz sei alles möglich und alles erlaubt und er diese Freiheit augenzwinkernd auch für sich und seine Improvisationen reklamierte, gelang es ihm in sympathischer Beiläufigkeit, gelegentlich auch etwas unterkühlt oder verspielt, seine Töne exakt so zu setzen, dass sie wie selbstverständlich wirkten und rundum überzeugten. Und auch wenn Studnitzky wiederholt die trockene Raumakustik monierte, die von den meisten Jazzern gerade geschätzt wird, hatte die resultierende Transparenz der Klänge doch auch ihr Gutes. War bereits die Reduktion auf ein Streichquartett eine Absage an den schwelgerischen selbstgenügsamen Wohlklang orchestraler Besetzungen, so verstärkte sich dieser Effekt im vollbesetzten Jazzkeller auf eine wohltuende kammermusikalische  Durchsichtigkeit, die gerade in den kompositorisch dichteren Passagen den Nachvollzug erleichterte. Der mal gestrichene, meist aber gezupfte Kontrabass fungierte dabei als strukturelle Brücke zwischen dem freieren Jazzidiom und den klassisch auskomponierten strengeren Komponenten, je nach Bedarf schlug sich der wandlungsfähige Paul Kleber der einen oder anderen Seite zu.

Gerade die stilistische Wandlungsfähigkeit von Kleber, und natürlich auch diejenige des abwechselnd am Kawaiflügel oder an der jazztypisch verhaucht geblasenen Trompete waltenden Studnitzky selbst, war gewissermaßen das Scharnier zwischen den beiden Welten Klassik und Jazz. Ein auf einem harmonisch erweiterten und moderat modernisierten Unterbau basierender Streicherapparat, durchzogen von weiten Melodielinien (etwa im Titelsong „Memento“ aus dem gleichnamigen Album) oder wellenförmig schwingenden Figurationen (wie in „Waves“ ) bildete häufig Grundlage für die Soloimprovisationen der Jazzabteilung. Im Unterschied zu den heutzutage immer häufiger verwendeten Loopmaschinen groovten und pulsierten die vier jungen Damen des Streichquartetts in wohltuender Natürlichkeit. Dass eine nicht loopbasierte Begleitung wesentlich komplexer, differenzierter, dynamischer und lebendiger klingt und, gerade weil sie durchkomponiert ist, überdies künstlerisch anspruchsvoller und klanglich ansprechender ist, ja sogar melodische, homophone und polyphone Aufgaben übernehmen kann (wie in „Fugato“), wertet diese und damit auch das ganze Projekt erheblich auf.

Studnitzky wandelt mit dieser Fusion auf einem Pfad, der bereits vor einem halben Jahrhundert Brücken zwischen den verschiedenen Genres schlagen sollte. Die moderne Musik und der moderne Jazz, beides hochentwickelte und stark ausdifferenzierte Sphären, sollten zusammenwachsen. Plötzlich war echter symphonischer Jazz denkbar geworden, Charles Mingus Lebenstraum erwachte, Gunter Schuller oder das „Modern Jazz Quartet“ gingen mit anderen zusammen den „dritten Weg“, der leider bis heute ein Pfad geblieben ist. Der Beifall und die Begeisterung – immerhin gab es zwei Zugaben – scheinen Studnitzky Recht zu geben, diesen Pfad zu erweitern und darauf zu neuen Ufern zu gelangen. Dankeschön an Studnitzy und seine Truppe, Dankeschön an den Jazzclub für einen inspirierenden Konzertabend.

Text: H. Schönecker; Beitragsfoto: Wolfgang Volz; Galeriefotos: Helmut Schönecker

 

Sebastian Studnitzky | Memento

Am 06.12.2019 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
*** Dieses Konzert wird ermöglicht durch das APPLAUS-Preisgeld ***

SEBASTIAN STUDNITZKY ist als Trompeter und Pianist wie wenige andere Instrumentalisten seiner Generation in den Clubs und auf den Festivals weltweit durch seine Zusammenarbeit mit Nils Landgren’s Funk Unit, Jazzanova, Mezzoforte oder Wolfgang Haffner präsent.
2012 gründete er mit „Contemplate“ sein eigenes Label/Netzwerk. 2014 initiierte er als musikalischer Leiter das XJAZZ Festival – das aus dem Stand größte Jazzfestival Berlins – und stellte damit mal eben die Jazzszene in Deutschland auf den Kopf. Seit September 2014 lehrt Sebastian Studnitzky als Professor an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden, 2017 kam die Professur in Berlin dazu.

Verfolgt man Studnitzkys musikalisches Schaffen der letzten Jahre, versteht man, wie sehr er einer klaren künstlerischen Stringenz folgt: dem Suchen nach dem perfekten Verschmelzen und gegenseitigen Befruchten unterschiedlicher Genres. Studnitzky schafft seinen ganz eigenen Stil und vollbringt dabei den Spagat, zeitgemäß modernistisch zu sein und zugleich Zeitlosigkeit auszustrahlen.

MEMENTO
Schon immer war Studnitzky als Wanderer zwischen den Genres Jazz, Klassik und Elektro unterwegs. Mit „MEMENTO – orchestral experience“ bringt er seine Vielseitigkeit und stilistische Aufgeschlossenheit eindrucksvoll auf den Punkt. Von einem Streichquartett oder Kammerorchester begleitet zelebriert er sein Spiel an Trompete und Klavier. Bei diesem ungewöhnlichen Projekt erscheint kein Ton zu viel: Detailliert, minimalistisch und transparent, dabei von großer emotionaler Tiefe und beeindruckend eigen. STUDNITZKY setzt sich mit seiner Musik wohltuend vom gängigen Klassik – Jazz Crossover ab. Hier wird tatsächlich etwas ganz Neues geschaffen. Musik zu kantig für Pop, zu emotional für Jazz, zu üppig für Elektro, zu groovig für Avantgarde.

Eintritt 17 €/ermäßigt 13 €
Biberacher Schüler*innen können das Konzert kostenfrei genießen

29.11.2019: Axel Kühn Trio

Mehrfach preisgekröntes Axel Kühn Trio im Jazzkeller

Kraftvoll, überzeugend und authentisch

BIBERACH – Die drei bestens aufeinander eingespielten Musiker hatten eindeutig etwas mitzuteilen, eine Botschaft, die aus tiefstem Herzen kam und überaus kraftvoll nach außen drängte. Dabei fühlte sich das Trio um Axel Kühn beim Freitagskonzert im gut besuchten Jazzkeller sichtlich wohl, die Funken sprangen unmittelbar auf das Publikum über und die Spannungskurve ließ bis zum dreifachen Finale nicht einen Moment nach. Kräftig zupackend aber auch in entrückter Transzendenz fanden die Stücke, die meist aus der Feder des Bandleaders am Kontrabass stammten und sich größtenteils auf der neuen CD „Zeitgeist“ befinden, offene Ohren und großes Wohlwollen. Gleich zwei Zugaben rundeten einen erfüllten Abend ab.

Axel Kühn, mehrfach prämierter Jazz-Kontrabassist und -Komponist, verleugnete dabei keinesfalls seine Vorliebe auch für andere Musikstile. Schon der Umstand, dass er seine Musik selbst als Grunge-Jazz bezeichnet, lässt darauf schließen, dass er seine ästhetischen Wurzeln in den frühen 1990er Jahren im Umfeld von Kurt Cobain und „Nirvana“ hat. So fand sich unter vielen Eigenkompositionen auch der Coversong „Cats in the cradle“, im Original zwar von Harry Chapin in den 70ern komponiert, nach Johnny Cash in den späten 80ern, erst Mitte der 90er jedoch von Ugly Kid mit großem Erfolg in die Rock-Charts gebracht. Axel Kühn strickte daraus mit viel Herzblut eine durchaus überzeugende neue, eigenständige Version, die Spuren der Vorgängerversionen enthielt, Respekt vor dem Original zeigte und dennoch gänzlich neue Perspektiven herausarbeiten konnte.

Ebenso fanden die „Giant Steps“ des stilbildenden Jazz- und Saxophon-Giganten John Coltrane in Axel Kühns „Step by Step“ eine neue Heimat. Ein raffiniertes Konstrukt aus abwechslungsreichen, teilweise hochvirtuosen und komplexen Versatzstücken kulminierte in einem finalen Ostinato von Kontrabass und Klavier (Ull Möck) über dem der glänzend disponierte Schlagzeuger Eckhard Stromer, in Chicago geborener Schlagzeugdozent der Stuttgarter Musikhochschule, ein Füllhorn von rhythmischen Einfällen ausschüttete. Saubere Triolen auf der Hihat, kombiniert mit vertrackten 16tel-Rhythmen auf Snare und Becken und kontrapunktiert mit synkopierten Akzenten auf der Bassdrum ließen auch manchen fachkundigen Zuhörer fast schwindelig werden.

Einer der Höhepunkte des Abends war die Kühn’sche Version der Ballade „Don’t Cry“ von Axl Rose, Axel Kühns Namensvetter von den „Guns N‘ Roses“. Vom ursprünglichen Hard Rock blieben das geradlinig zupackende Moment und das ungekünstelte Sentiment, aus der Jazzperspektive die Variabilität, Komplexität und die Freiheit der Improvisation und – typisch auch für alle Eigenkompositionen Kühns – die Seele des Ganzen. Mit großem musikalischen Feingefühl vermag es Axel Kühn seinen Stücken das mitzugeben, was nur die ganz Großen in der Musik haben: Tiefgang und Überzeugungskraft. Der Finalist beim Biberacher Jazzpreis im Jahr 2006, Landesjazzpreisträger in Baden-Württemberg 2009 und Gewinner des europäischen Nachwuchsjazzpreises Burghausen hat mittlerweile nicht nur seinen eigenen Stil gefunden, in welchem er den Zeitgeist wie in einem Brennglas eingefangen hat, er beginnt Jazzgeschichte zu schreiben.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Axel Kühn Trio

Am 29.11.2019 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Mit seinem jüngsten Werk „ZEITGEIST“, stellt das Trio um den preisgekrönten Bassisten und Komponisten Axel Kühn eindrucksvoll unter Beweis, wie homogen ihre Mischung aus Jazz,
Grunge Rock, Pop und Weltmusik klingt. Die verschiedenen Genres verschmelzen zu einem ganz neuen Stil, welchen Bandleader Kühn „Grunge Jazz“ nennt. Konsequent wird der Weg, welchen das Trio bei seinem Vorgänger Album „OPEN-MINDED“ einschlug weitergegangen.

Dabei hört man deutlich, dass ihre gemeinsame Reise nun schon einige Jahre anhält. Die Musik hat an Raffinesse, Eigenständigkeit, Power und Intensität deutlich dazu gewonnen. Zusammen agieren die 3 Musiker wie ein großer Organismus bei dem alles perfekt aufeinander abgestimmt ist. So entsteht ein ganz eigenständiger Triosound, der tief in unserer Zeit verwurzelt ist und immer von Axel Kühns persönlichem Anliegen zeugt. Es besteht darin, mit jedem Song ein klares emotionales Statement abzugeben, um den Zuhörer dort zu treffen, wo Musik die größte Wirkung hat: im Herzen.

Axel Kühn – bass
Ull Möck – piano
Eckhard Stromer – drums

Eintritt 17 €/ermäßigt 13 €
Biberacher Schüler*innen können das Konzert kostenfrei genießen

15.11.2019: Autschbach & Illenberger

Gefeierte Gitarrenpäpste lassen nichts anbrennen

Duo Autschbach-Illenberger stößt auf großen Wiederhall beim Publikum

BIBERACH – Bereits im Vorverkauf riss das Gitarren-Duo Autschbach-Illenberger, welches nach sechs Jahren wieder einmal in Biberach gastierte, alle Dämme ein. Schon Tage vor dem Konzert im Jazzkeller waren alle Karten ausverkauft. Der Ansturm auf die Tickets war ebenso hoch wie die Erwartungen an die Weltklassemusiker. Obwohl in manchen Ankündigungen zu lesen war, dass es sich bei den Eigenkompositionen und Improvisationen nicht unbedingt um Jazz handelt, wurde da oder dort doch eine gewisse Verwunderung darüber laut, dass Jazz bei dem Gitarrenkonzert doch eher eine Randerscheinung blieb.

Irgendwo zwischen Easy Listening, mittelalterlichem Lautenspiel und romantischem Virtuosentum angesiedelt, mit Einsprengseln aus der Folklore oder aus dem Rock- und Blues-Genre erwiesen sich die abwechslungsreichen Stücke als durchweg sehr eingängig, überaus einfühlsam und mit viel Liebe zum perfekten Sound interpretiert. Eine stupende Spieltechnik, ein außerordentliches Maß an Virtuosität und ein nahezu perfektes Zusammenspiel der beiden Künstler ließen eigentlich nichts zu wünschen übrig. Dennoch fehlte manchen Gästen etwas der Biss oder auch die kraftvolle Authentizität in vielen Stücken. Etwas mehr Experimentierfreudigkeit, mehr Tiefe und Intensität, wie etwa in dem von Autschbach solistisch, singend und musizierend, herausragend dargebotenen „Suitcase Blues“ über oft nicht ganz so saubere Hotelzimmer, die dem reisenden Musiker das Leben unnötig schwer machen, hätte auch manch anderem Titel gut getan.

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