21.09.2018: Steffen Dietze & Cesar Gamero & Special Guest Otto Hehl – Jazzclub Biberach e.V.

21.09.2018: Steffen Dietze & Cesar Gamero & Special Guest Otto Hehl

Mit Esprit und Leichtigkeit in die Herbstsaison

Biberacher Lokalkolorit trifft chinesisches Tangram

Der Biberacher Pianist Steffen Dietze und der peruanische Perkussionist und Wahl-Biberacher Cesar Gamero fanden sich im Frühsommer im Bibliothekssaal der Landesmusikakademie in Ochsenhausen zu einer CD-Produktion mit dem Titel „Tangram“ zusammen. Die Live-Version dieser noch druckfrischen CD durfte nun die Herbstsaison des Biberacher Jazzclubs eröffnen. Wohl auch, weil durchgesickert war, wer der angekündigte Überraschungsgast sein würde, sind die Sitzplätze im Jazzkeller reichlich knapp geworden. Otto Hehl, bekannt als energiegeladener Hardrock-Sänger, unter anderem in der Biberacher Band „Cold Turkey“, hatte eine ganze Reihe Fans angelockt und begeistert.

Im ersten Set stellte Steffen Dietze die elf Kompositionen seiner CD vor. Als musikalischer Autodidakt beschreibt er darin mit seinem Duopartner Cesar Gamero in facettenreichen Aphorismen verschiedene Bilder, Stimmungen und Situationen aus dem Alltag. Dietzes Kompositionen, darunter eine gemächlich durch die Wüste schaukelnde „Karawane“, eine kurze aber hektische urbane „Rush Hour“, ein mit lautmalerischer Unterstützung von Perkussions- und Rhythmusinstrumenten in ewiger Gleichförmigkeit rauschendes „Meer“ aber auch eine impressionistisch amorphe Hommage „An den Mond“ erzeugen klingende Abbilder ihrer visuellen Analogien. Das mag auch die Idee hinter der Wahl des CD-Titels „Tangram“ gewesen sein. Das aus sieben Grundformen bestehende chinesische Legespiel bildet aus wenigen Grundformen durch geschicktes Zusammensetzen immer neue Figuren und Formen als abstrahierte Abbilder der Realität. In der ursprünglichen Wortbedeutung von „componere“ als „zusammensetzen“ fügen sich auch in Dietzes Kompositionen musikalische Versatzstücke zu größeren und komplexeren Formen. Mit rhythmischen, harmonischen oder strukturellen Bausteinen und musikalischen Grundelementen formt der Komponist eine Musik, die auf erstaunliche Weise jenen auch auf dem wunderschön gestalteten CD-Cover dargestellten Tangram-Schattenrissen entspricht. Der Entwicklungsgedanke einer motivisch-thematischen Kompositionsweise blieb dabei wohl bewusst ausgespart.

Im zweiten Set gab es zur großen Überraschung vieler Gäste vom Duo Steffen Dietze und Otto Hehl eine Art „Kammer-Rock“ zu hören. Unplugged, also ohne Mikrofon und Verstärker, trauen sich nur wenige Rockmusiker vor ihr Publikum. Oft haben diese dafür auch durchaus gute Gründe, zumeist eine ohne elektronische Effekte etwas harmlos klingende Singstimme. Mit großer Chuzpe und noch größerer Stimme trat Otto Hehl gegen den Flügel und gegen eine gut gedämpfte Raumakustik an – und konnte überzeugen. Energiegeladen und dennoch dynamisch differenziert und ausdrucksvoll gestaltete er Songs von den Beatles (Eleonore Rigby, Michelle), von AC/DC (Sin City) oder Amy Winehouse (Love is a losing game) mit souveräner Bühnenpräsenz. Lediglich die ganz leisen Passagen gerieten auf den hinteren Rängen gegen den Kawaiflügel etwas ins Hintertreffen. Mit dem Rock-Klassiker „Roxanne“ von „The Police“ lieferte Otto Hehl unzweifelhaft sein musikalisches Meisterstück ab, mit überzeugendem individuellem Ausdruck und ohne Fehl und Tadel. Bravo!

Für die eingefleischten Jazzfans kam bei diesem abwechslungsreichen Konzertabend möglicherweise der Jazz und vor allem das improvisatorische Element und die Spontaneität etwas zu kurz. Für musikalische Grenzgänger, die auch vor anderen Stilrichtungen nicht zurückschrecken, eröffneten sich jedoch neue Horizonte und interessante neue Möglichkeiten. Die drei Akteure dieses ungenierten Cross-Overs durften vor einem begeisterten Publikum nicht ohne zwei Zugaben (Dietzes „Tangram“ und Gershwins „Summertime“), diesmal auch im gemeinsamen Spiel, die Bühne verlassen.

Text und Fotos: H. Schönecker