Kritik – Seite 60 – Jazzclub Biberach e.V.

16.06.2000: Brass Mission 

Konzertbericht vom Jazzkonzert am 16.06.00 im Jazzkeller der JMS Biberach

Skurille Blasmusik mit „Brass Mission“ im Jazzkeller Biberach

Crazy chicken in a strange world oder „Verrückte Hühnchen in einer fremden Welt“

Eigentlich verrückt: Jazz, Blues und Salsa hieß es im Untertitel der Vorankündigung für das Jazzkonzert mit dem Frankfurter Blechbläserquintett „Brass Mission“ um Jürgen Roth, von dem auch die meisten Kompositionen des kurzweiligen Abends im Biberacher Jazzkeller kamen sowie dem charismatischen Mitbegründer Jürgen Roth, der seine Brötchen hauptsächlich in der hessischen Kultband „Rodgau Monotones“ – einer Art deutscher Blues Brothers Band – verdient.

Einen „Bossa chemical“, nicht ganz so synthetisch wie der Name vermuten ließe, und einen einzigen, etwas bemühten Salsa zu späterer Stunde, und keinen einzigen traditionellen Blues, der den Namen verdient hätte, konnte man im Programm finden. Und wer unter Jazz eine spontane, großteils improvisierte Musik mit viel Swing, Drive oder auch Groove suchte, der wurde bei „Brass Mission“ auch nicht fündig.

Irgendwo im Niemandsland zwischen alternativer Blasmusik, klassischer Kammermusik, Rhythm & Blues, Funk und Soul, vielleicht auch Rock angesiedelt, zauberten die drei Trompeter (wahlweise Flügelhörner), ergänzt und getragen von Posaune und Tuba einen ziemlich neuen Stil, durchaus keinen neuen Sound. Diese Instrumentenzusammenstellung ist im klassischen Bereich längst ausprobiert und klanglich ausgelotet worden. Aber mit dem in Jazz, Pop & Rock äußerst ungewöhnlichen, vollständigen Verzicht auf Schlagzeug und (!) traditionelle Begleitinstrumente wie Gitarre und Piano wirkten die fünf agilen Blechbläser wie ein Lösungsmittel, das die melodisch-strukturellen Elemente aus ihren ursprünglichen Stilzusammenhängen herauslöste und sie in elementarer Form gänzlich neu zusammenmixte.

Sollte etwa der erwähnte „Bossa chemical“ das genialische Leitmotiv von „Brass Mission“ darstellen? Sollte bei der alchemistischen Prozedur wirklich eine neue Substanz, ein neuer Stil entstehen?

Dass die fünf Musiker über der Sache stehen, zeigten sie mehrfach, unter anderem in einer höchst witzigen Persiflage auf „Star Wars“ & Co.: dem „Mission Theme“, der Filmmelodie zu einem 2024 zu drehenden Film (über die Band-Historie ?). Und um Selbstironie waren sie, besonders in den launigen Ansagen, ebenfalls nie verlegen. Sind die Fünf tatsächlich auf einem neuen Weg oder sind sie nur – so das Akronym zweier Kompositionen des Abends – „verrückte Hühnchen in einer fremden Welt?“ Die nicht allzu zahlreichen Konzertbesucher konnten sich ein Bild davon machen. Wenigstens sie wissen jetzt, dass hinter dem Begriff „Jazz“ auch heute immer noch Überraschungen lauern.

 

gez. Helmut Schönecker

19.05.2000: Patrick Tompert Trio 

Zupackender Modern Swing mit dem Patrick Tompert Trio

Kreative Eruptionen

Mit einem zupackenden Opener und der originellen Eigenkomposition “Sam`s Blues” setzte Patrick Tompert in seinem beherzt aufspielenden Trio die Standards für einen kurzweiligen Konzertabend im Jazzkeller der Jugendmusikschule: sicheres Timing, bluesig swingender Groove, virtuose Improvisationen, interessante Arrangements. Jede der folgenden Komposition löste sich mehr aus der anfänglichen Routine in eine ebenso eigenwillige wie kreative Kür, die mit sicherem Gespür den stilistischen Rahmen absteckte und zu einer lebendigen Interaktion der in distinguiertes Schwarz gekleideten Musiker führte.

Eigenkompositionen und Arrangements bekannter Standards klangen gleichermaßen wie aus einem Guss. Nicht nur die ausgewogene Balance der klassischen Klaviertrio-Besetzung, mit zum Glück nur akustisch gespieltem Flügel, sondern wohl auch die gemeinsame musikalische Wellenlänge der Musiker bot die Gewähr für einen höchst differenzierten modernen Swing. Für den kurzfristig ausgefallenen Davide Perocca spielte sensibel und melodiös, wenn auch zunächst noch etwas verhalten der Kontrabassist German Klaiber, am Schlagzeug überzeugte in gewohnter Souveränität und Präzision Werner Braun.

Seele und Motor des Trios war jedoch zweifellos Patrick Tompert. Seine phantasievollen Improvisationen mit immer wieder überraschenden Wendungen, seine brilliante Fingerakrobatik, die stimulierenden Synkopierungen der linken Hand, die glitzernden Glissandi und vor allem sein Sinn fürs musikalisch Ganze, für die richtige Mischung aller Elemente, durchströmten eine lebendige Musik, die das Publikum animierte und begeisterte. Dass Tompert dabei recht trocken und zurückhaltend blieb, entsprach in gewissem Sinne auch dem Charakter der Musik des Trios, die eben nicht billig anpreisend, effektheischend, oberflächlich oder  bloss unterhaltend sein wollte und diesem Anspruch durchaus genügte..

 

gez. H. Schönecker