Kritik – Seite 52 – Jazzclub Biberach e.V.

02.03.2007: Salsaría – Lukas Brenner Trio feat. Alexander Bühl

Lukas Brenner Trio „Salsaria“mit Alexander Bühl im Jazzkeller Biberach

Mit Siebenmeilenstiefeln zum Erfolg

„Giant Steps“, eine Komposition von Joe Fessele in Anlehnung an den legendären John Coltrane Titel markierte nicht nur die packende musikalische Eröffnung des Jazzclub-Konzertes mit den Vorjahres-Finalisten des internationalen Biberacher Jazzpreises, dem Lukas Brenner Trio „Salsaria“ aus dem benachbarten Laupheim, die es im internationalen Umfeld immerhin bis ins Finale geschafft hatten. Mit „Giant Steps“, also mit Riesenschritten, haben die drei jungen Musiker, die erst seit zweieinhalb Jahren zusammenspielen und die zum Teil noch die Schulbank drücken, seither auch weitere Stufen der Karriereleiter erklommen.

Waren es noch vor einem knappen Jahr vor allem die guten Ansätze, die kreative Vielzahl musikalischer Ideen, das frische Outfit und der zupackende durch Latin- und Salsa-Rhythmen geprägte Groove der aufstrebenden Jungstars, so erlebten die am Freitagabend in großer Zahl erschienenen, rundum begeisterten „Salsaria“-Fans im Jazzkeller eine gut aufeinander eingestimmte Truppe mit einer abendfüllenden, kurzweiligen Performance in professionellem Zuschnitt. Neben dem Bandleader Lukas Brenner am Klavier, war es vor allem der als Gast mitwirkende 20jährige Saxophonist Alexander Bühl, Student an der Musikhochschule Nürnberg, Mitglied im Bundesjazzorchester und Träger des Skoda-Jazzpreises 2006, der die herausragenden musikalischen Akzente setzte. Erfrischend unkonventionell wirkende und unmittelbar sinnfällige musikalische Einfälle verbanden sich zu komplexen musikalischen Organismen, in denen auch der feinfühlig agierende, junge Biberacher Kontrabassist Matthias Werner sowie der beherzt und präzise zuschlagende Drummer Fabian Dettenrieder eine eigenständige, keineswegs nur begleitende Rolle spielten.

Schienen bei Brenners Improvisationen in unkonzentrierten Momenten noch da und dort die Nahtstellen zwischen den musikalischen Einfällen auf, waren Bühls Ideen überwiegend aus einem Guss und meist von eher lyrischem Zuschnitt.  Brenners Kompositionen zeigten jedoch eine hohe Energiedichte, eine wohl besonders von seinem Klavierlehrer und Coach Joe Fessele sowie Herbie Hancock inspirierte, funk- und rockmäßig groovende Rhythmisierung sowie einen ungewöhnlich großen musikalischen Gestaltungswillen bei hoher Ausdruckstiefe.  Letzteres korrespondierte zwar noch nicht immer mit den technischen Fähigkeiten auf dem Instrument, lässt aber gleichzeitig auf eine große musikalische Zukunft hoffen. Salsa und Samba dürften sich dabei eher als ein Übergangsstadium erweisen. Das überraschend junge Publikum feierte ihre „Rising Stars“ mit begeisterten Ovationen, zwei Zugaben rundeten einen inspirierenden Konzertabend ab.

02.02.2007: Fauzia Maria Beg Quartett

Volles Haus bei Fauzia Maria Beg im Jazzkeller

In Ellingtons Caravan um die ganze Welt

New York, Rio und Bombay umreißen das magische Dreieck in dem sich die musikalischen Wurzeln der in Stuttgart lebenden, gebürtigen Inderin Fauzia Maria Beg lokalisieren lassen. Vor einer eindrucksvollen Publikumskulisse mit zahlreichen erklärten Fans der faszinierenden Sängerin überreichte ihr Quartett am Freitagabend einen bunten Strauss an selbst arrangierten oder komponierten musikalischen Einfällen. ausgezeichnet

Die große Bandbreite an gestalterischen Ideen, die technische Perfektion ihrer Umsetzung, die Kreativität der eingestreuten Improvisationen und vor allem der unglaubliche Groove, der einen das in der Quartett-Besetzung ausgesparte Schlagzeug nicht wirklich vermissen ließ, zeugten von hoher Professionalität. Die klangliche Transparenz der Besetzung ermöglichte eine fast schon kammermusikalische Verdichtung der musikalischen Strukturen bei gleichzeitig höchster Eigenständigkeit der Partner.  Auf einem souveränen Fundament von Kontrabassist Thomas Krisch, der durch vielfältige Spieltechniken, teilweise auch unter Einsatz des Bogens sowie virtuoser Beherrschung von Flageoletttönen glänzte, bauten der professorale Martin Schrack am Steinwayflügel und der Ex-Biberacher Jochen Feucht an Sopran- und Tenorsaxophon sowie Querflöte ihre fantasievollen musikalischen Traumpaläste, denen Fauzia Maria Beg nicht nur die krönende exotische Komponente hinzufügte.

Die indische Vollblutmusikerin schaffte es spielend, die divergierenden Elemente der vielfältigen Stilelemente und Musiker zusammen zu halten und daraus auch noch jene Spannung zu beziehen, die erst den Funken überspringen lässt. In ihren knappen, auf Deutsch und Englisch gehaltenen Moderationen, vermittelte sie einen überzeugenden Eindruck davon, was ihre Musik bedeutet und was Musik für sie bedeutet. So wurde jedem im Publikum sinnfällig, dass sie den Blues bekommen hat, als sie in einer überfüllten S-Bahn täglich zwei Stunden zur Arbeit ins Hotel Sheraton im Süden Bombays fahren und eingeklemmt zwischen stinkenden Fischverkäuferinnen und schwitzenden Marktweibern die Inspiration für eine gepflegte musikalische Unterhaltung des internationalen Hotelpublikums suchen musste. Dass daraus eine so reizvolle Mischung aus indischer Gesangstechnik, brasilianischer Rhythmik und nordamerikanischem Jazzidiom wurde, gehört zu den Glücksfällen einer globalisierten, multikulturellen Musikwelt. Bindeglied schien übrigens die Liebe zu einprägsamen Jazzmelodien etwa eines Cole Porter oder Duke Ellington, dessen „Caravan“ neben dem „Nature Boy“ zu einem der Höhepunkte des Konzertes wurde.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

 

 

 

07.01.2007: Riverside Jazzband

Riverside Jazzband mit Auftakt nach Maß

Mit viel guter Laune im Gepäck

Einmal mehr sollte sich das vom gerade zu sich gekommenen Bassisten und Moderator der Riverside Jazzband Roland Ekle ins Publikum geworfene Bonmot bewahrheiten, wonach der Jazzfrühschoppen von Jazzmusikern erfunden wurde um besser aufzuwachen und in die Gänge zu kommen. Tatsächlich gestaltete sich der musikalische Auftakt zum Jazzjahr 2007 im Biberacher Jazzkeller zunächst noch etwas verhalten. Wie ein betagter Oldtimer aus der Frühzeit des Automobils kam auch der Oldtime Jazz der Riverside Jazzer aus Stuttgart und Umgebung etwas stotternd und mit viel Qualm erst langsam in Fahrt. Im zweiten und erst recht im dritten Set ging dann aber so richtig die Post ab.

Ohne Scheu vor bekannten Jazz-Klassikern, in selbstbewussten Eigenarrangements des gefeatureten Posaunisten und Arrangeurs Eberhard Budziat und in durchaus untypischer Besetzung, die ohne das ansonsten im frühen Jazz dominierende Kornett auskam und auch die Klarinette durchweg durch Sopran- oder Tenorsaxophon ersetzte, spielten die aus dem Raum Tübingen/Stuttgart mit viel guter Laune im Gepäck angereisten Musiker einen überraschend abwechslungsreichen, transparenten, ja gediegenen Traditional Jazz, dem es an rein gar nichts mangelte. Im Gegenteil: mit der geradezu genial geblasenen Blues Harp brachte der Pianist und Posaunist Helmut Schneider ein urtypisches Bluesfeeling in die Standards und widerlegte all diejenigen, die immer noch glauben, die Hohner-Mundharmonika sei ein bieder bürgerliches Instrumentchen für jüngere Kinder. Die Art und Weise, in der seine Bluesharfentöne unter die Haut gingen, ließ eher an eine Altersfreigabe ab 18 denken. Mit seinem New Orleans-typisch ungekünstelt direkten Jazzgesang, frech-rotzigem Tenorsax-Sound und einschmeichelndem Sopransaxophonklängen war Peter Wolff neben Schneider der zweite Multi-Instrumentalist, dessen Karriere gar mit der Jazztrompete begann. Peter Hensinger an Banjo und Gitarre sowie der Riedlinger Herbie Wachter als Gast-Drummer komplettierten die Besetzung und sorgten für einen dezent-verlässlichen Groove mit gelegentlichen solistischen Ambitionen.

Rock-, Pop- und Swingeinflüsse und eine stilistische Bandbreite, die selbst vor lateinamerikanischen Tanzrhythmen und schlagerhaften Elementen keinen Halt machte, sorgten gepaart mit einer offenkundigen und ansteckenden Spielfreude im weißwurstsatten Publikum für eine Bombenstimmung und verpflichteten zu zwei gern gewährten Zugaben, die den „Früh“-Schoppen erst kurz vor dem Nachmittagskaffee enden ließen.

08.12.2006: Peter Lehel Quartett

Hochkarätiger Modern Jazz im Biberacher Jazzkeller

Peter Lehel Quartett zeigte sich in bester Spiellaune

Atmosphärisch dicht, energiegeladen, höchst kreativ und außerordentlich spannend wurde die engagierte Musik des Peter Lehel Quartetts zu einem der musikalisch herausragenden Ereignisse des fast schon vergangenen Jazzjahres. Einmal mehr erwies sich, dass künstlerischer Anspruch und Publikumszuspruch wohl doch  umgekehrt proportional zueinander stehen. Unter dem Sigel „Modern Jazz“ steckt zwar keine voraussetzungslose Unterhaltungs- oder Stimmungsmusik, aber auch die Zeiten, in denen egozentrische Jazzheroen mit dem Rücken zum Publikum die Reise in ihr abgründiges Selbst antraten sind längst Geschichte.

Die drei Schwaben um den Karlsruher Saxophonisten Peter Lehel gehören mit zum Besten was das Ländle musikalisch aufzubieten hat. Der brillante Stuttgarter Pianist Uli Möck und der frischgebackene Stuttgarter Kontrabassprofessor Mini Schulz, unterstützt durch den Tübinger Schlagzeuger Dieter Schumacher erwiesen sich als kongeniale Mitmusiker eines, trotz schütterer Publikumskulisse eher inspiriert als routiniert wirkenden Peter Lehel an Tenor- und Sopransaxophon. Seiner Feder entsprangen nicht nur die abwechslungsreichen Kompositionen des Abends, seine spannungsgeladenen Soli und Improvisationen ließen auch sonst nichts anbrennen. In schnörkelloser Direktheit entlockte er seinen Instrumenten genau so viele Töne wie erforderlich, keinen einzigen mehr. Das geriet mitunter zu einem Feuerwerk ausgefallener Einfälle, wie etwa in der Hommage an Béla Bartók, dann aber auch zu stimmungsvollen aphoristischen Miniaturen á la „Kind of Blue“ zu Ehren von Miles Davis oder zu klangmächtigen balkanischen Fresken im Gedenken an Zoltan Kodaly. Lehels kraftvollen Gefühlseruptionen stellte Uli Möck am Steinway-Flügel eher narrativ-elegante Elemente gegenüber, im perfekten Kontrapunkt zwischen Engagement und Distanz. Das vor allem erzeugte, über die rhythmische Hochspannung hinaus, eine Energiedichte, die in ihrer kammermusikalischen Konzentration auch die hellauf begeisterten Zuhörer zu Höchstleistungen im Erhören komplexer musikalischer Gehalte anspornte, die Lösung des finalen musikalischen Rätsels erbrachte für die Gewinnerin gar eine CD freier Wahl aus dem Bandangebot.

Lehels Musik besitzt trotz ihres eher intellektuellen Zuschnitts ein Übermaß an Witz, Kraft und Unmittelbarkeit, erlaubt so eine anhaltende Identifikation ohne Reue auf hohem Niveau. Selbstverständliche Virtuosität,  kreative Vielfalt und ehrliche Affekte ohne schalen Beigeschmack oder vorweihnachtlichem Zuckerguss verleihen dem europäischen Modern Jazz des Peter Lehel Quartetts eine stilistische Eigenständigkeit, die sich jeder Konkurrenz stellen kann. Zwei Zugaben, darunter auch in festlicher Vorfreude eine Paraphrase über „Auld lang syne“, rundeten einen inspirierten Konzertabend ab.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

24.11.2006: Fabro

Fabro-Fanclub übernimmt Biberacher Jazzkeller

Wogen der Flamenco-Begeisterung schlagen hoch

„Eine echte Alternative zu Tokio Hotel“ konstatierte Fabro, als am Ende des zweiten Sets seines Klasse-Konzertes auch seine jüngsten Gäste im Kindergarten- und Grundschulalter noch putzmunter die zweite Zugabe mit herbei applaudierten.

Die Begeisterung war beiderseitig, als  die eilends herbei geschleppten zusätzlichen Sitzgelegenheiten und auch die Treppenabsätze ausgegangen und nur noch Stehplätze zu ergattern waren. Spätestens nach den ersten Tönen des Kult-Trios war denn auch klar: hier sind die Fabro-Fans der ganzen Region zusammengeströmt um den bereits zu den Stammformationen des Biberacher Jazzclubs zählenden Säckinger Ausnahmegitarristen Oliver Fabro und seine beiden musikalischen Mitstreiter, die aus Sigmaringen stammenden Zwillingsbrüder Wolfgang und Harry Eisele, zu erleben. Und alle sind sie auf ihre Kosten gekommen.

Die Musiker liefen vor der motivierenden Kulisse zur Hochform auf und selbst die vertracktesten Arrangements, allesamt aus der Feder des Bandleaders, gelangen mühelos. Rasende Unisonolinien, komplementär verzahnte komplexe Rhythmen – nicht nur in den flamencotypisch geklatschten „palmas“ – und  vor allem die fliegenden Wechsel zwischen den zahlreichen, virtuos beherrschten Instrumenten vermittelten eine selten erlebte Spielfreude, sorgten für glänzende Unterhaltung und nur mühsam gezügelten Bewegungsdrang auf Seiten des Publikums.

Von indischen Wasserkrügen (madgas) bis zu peruanischen Obstkisten (cajons), Tamburin, Minibongos, Schüttelrohr, selbst gebastelter Fußtrommel und anderen Klein-Perkussionsinstrumenten über Querflöte, Alt- und Sopransaxophon, 2 Gitarren, Mandoline bis zum Steinwayflügel kamen eine Vielzahl von Instrumenten zum Einsatz. Besonders beeindruckend dabei war die Selbstverständlichkeit mit der die eigenständigen Sounds und Spielweisen sich organisch ins Ganze fügten. Da kam nichts gehetzt oder aufgesetzt daher. So selbstverständlich wie sich Klavier- und Gitarrensound, Badener und Schwaben, Madgas und Cajons vertrugen, so überzeugend mischten sich die unterschiedlichsten Stilelemente zu einem eigenständigen Fabrostil, von dem nicht nur die erklärten Fans gar nicht genug bekommen konnten.

 

Gez. Dr. Schönecker