Kritik – Seite 36 – Jazzclub Biberach e.V.

16.11.2012: Duško Goykovich Quintet feat. Jürgen Seefelder

Gereifte Coolness der internationalen Spitzenklasse

Altmeister Dusko Goykovich (Trompete), trotz seiner 81 Lenze in einer Topverfassung, und Jürgen Seefelder (Saxophon), Jazzprofessor aus Mannheim, jazzten am Freitagabend im Jazzkeller das überaus zahlreiche Biberacher Jazzpublikum in Ekstase. Das „Drei-Generationen-Quintett“ hatte mit Christian Gall (Klavier) aus Rosenheim, Rocky Knauer (Bass) aus Augsburg und Michael Keul (Schlagzeug) aus München auch in der Abteilung Akkompagnement eine illustre Zusammensetzung auf Weltklasseniveau zu bieten.

Dass mit Dusko Goykovich einer der ganz großen Jazzer den Weg in den Jazzkeller gefunden hatte, war nicht zuletzt Jürgen Seefelder zu verdanken, der als Juror beim internationalen Biberacher Jazzpreis im Frühjahr 2012 sein Debut gegeben hat. Dass sich die beiden auch musikalisch gut verstehen, war ab dem ersten Titel bereits offenkundig. Souverän und inspiriert interagierten die beiden in ihren Soli. Besonders die Dialogimprovisationen boten neben dem augenzwinkernd spielerischen Moment manche inspirierte Kostbarkeit.

Der Rahmen für die Improvisationen bestand fast ausschließlich aus Eigenkompositionen von Goykovich, der in seiner langen Karriere nicht nur Max Greger, Kurt Edelhagen, Albert Mangelsdorff, Maynard Ferguson oder Woody Hermann und Kenny Clarke mit seiner Trompete und seinen musikalischen Ideen inspiriert hat. Selbst den Hohepriester des modernen Jazz, Miles Davis, nannte er seinen guten Freund, mit dem er nach dem Konzert manche Nacht, oft bis zum Morgengrauen zusammengesessen hatte. Darauf Bezug nimmt auch eine der eindringlichsten Kompositionen Goykovichs: „Five o´clock in the morning“, Miles Davis gewidmet. Der Song geriet in abgrundtiefer Melancholie und genialer Spiritualität zu einem der erfülltesten Momente eines an Highlights überreichen musikalischen Abends.

Ob mit Latineinflüssen, wie in dem seiner Frau gewidmeten Titel „Inga“ oder im Samba „Tsigane“, ob in Blues-, Soul- oder Balladenfeeling (Ballad for Miles) Dusko klingt immer nach Dusko. Nicht grundlos beginnen die ersten seiner Kompositionen zu Standards zu werden. Wie verwachsen mit seiner Trompete, die auch in hohen Lagen noch präzise und brillant und dennoch relaxt klingt, versteht er in unnachahmlicher Weise gerade so viele Töne wie nötig zu spielen. Kein unnötiges Beiwerk oder virtuoses Gehabe verstellen den Weg zu den musikalischen Ideen. Jürgen Seefelder war Goykovich ein kongenialer Partner, griff Ideen auf, steuerte Ideen bei oder verschaffte dem Altmeister ab und zu auch mal eine „Verrauchpause“ im Hinterzimmer um sich derweil entsprechend in Szene zu setzen. Ein echter Wohlfühlabend in Sachen Jazz ging – dank der ungebremsten Spiel- und Zugabenfreude des Quintetts erst nach fast 3 Stunden zu Ende.

gez. H. Schönecker

12.10.2012: Meike Goosmann Quartett

Meike Goosmann Quartett im Jazzclub Biberach

Meike Goosmann war im Biberacher Jazzclub zwar als Quintett angekündigt, es entpuppte sich dann aber als ein Quartett, was aus der Hauptstadt Berlin nach Oberschwaben angereist kam. Jazz vom Feinsten war es, was Meike Goosmann (Bassklarinette, Sopransaxophon), Julia Hülsmann (Klavier), Ulrich Moritz (Schlagzeug) und Tim Kleinsorge (Kontrabass) im Gepäck hatten.
Eine mit Leidenschaften und hoher Virtuosität vorgetragene Mischung aus Contemporary European Jazz und World Music, mit immer wieder hörbaren Ansätzen aus der Welt des Kleszmers, erwartete das hingerissene Biberacher Publikum. Musiker von Rang spielten auf einem technischen Niveau, welches keine Fragen offen ließ. Bestechend vor allem die persönliche Souveränität von Meike Goosmann, wie sie, ihren Mitmusikern Raum für berückende Soli lassend, immer wieder ins Thema führte, variierte und meisterliche musikalische Auflösungen fand. Die von ihr komponierten Stücke wirkten, obwohl schon fast als Programmmusik angelegt, nie intellektuell überhöht, sondern immer dem Thema sehr angemessen, oft berührend.
Ein wunderbarer Abend, der mit viel Applaus quittiert wurde.

Thomas Laengerer

04.10.2012: Swallow Jazz Trio

Italienische Wochen: Swallow Jazz Trio und Gäste

Ein volles Haus im Jazzkeller, auch an einem Donnerstagabend, war einmal mehr Beweis für die lebendige Partnerschaft zwischen Asti und Biberach, die seit Jahren vom Partnerschaftsverein rührig gepflegt wird. Um auch die musikalische Verbindung der beiden Städte lebendig zu halten war am Ende des in Kooperation mit dem Jazzclub organisierten Konzertes mit dem Swallow Jazz Trio aus Asti eine Jamsession zusammen mit Biberacher Musikern angesagt. Open Stage oder „wer kann, der darf“ hat im Jazz eine lange Tradition, die spontan Brücken zwischen Menschen und Kulturen schlägt.

Bekannte Jazzstandards in Triobesetzung für Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug bieten meist keine großen Überraschungen, werden gerne auch zur wohlgefällig-dezenten Unterhaltung von nicht musikalischen Veranstaltungen verwendet. Komplizierte Kost wurde auch von den drei befreundeten Astigiani Rocco Caliendo (Schlagzeug), Gianni Alessandria (Gitarre) und Pino Castagnaro (Kontrabass) nicht geboten. Gediegen, unterhaltsam, eingängig waren Melodien und Arrangements. Und dennoch. Beim genaueren Hinhören traten interessante persönliche Noten auf. Gianni Alessandria fand in seinem typischen, leider etwas stark verhallten Gibson-Sound eine hochinteressante Mixtur aus Akkord- und Melodiespiel. Im fliegenden Wechsel mit seinen Mitstreitern, die ihrerseits kurzweilige Improvisationen beisteuerten, entstand eine abwechslungsreiche Jazzmusik mit eindeutig italienischer Note an der das Publikum sichtlich Gefallen fand. „Take Five“ in einem wahnwitzigen Tempo oder der beschwingte Jazz Waltz „My favorite things“ ragten als Highlights heraus.

Eindeutiger Höhepunkt des Abends wurde aber die anschließende Jamsession, zu der sich gleich drei einheimische Musiker einfanden. Mit dem in Biberach lebenden Briten Sam Maitland (CD „Ich bin ein Biberacher“) sowie Michael Dümmler (Saxophon) und Gunnar Schreiner (Piano) von der Biberacher Formation „Miles and More“ kam neuer gestalterischer und klanglicher Spielraum in die Musik. Bekannte Standards ermöglichten weitgehend reibungsloses Zusammenspiel und Freiräume für Soloimprovisationen aus denen gewitzte Altsaxophonsoli besonders herausragten. Sam Maitland als Sänger stand dabei auch als Organisator im Mittelpunkt. Seine Glanzleistung lieferte er ausgerechnet bei dem Stück ab, dessen kleingedruckten italienischen Text er nicht lesen konnte. Seiner jazzigen Neuinterpretation von „O sole mio“ fügte er daher spontan eine deutsch-englische Neutextung hinzu aus der die Aussage „I lost my glasses“ auf das „O sole mio“- Motiv für allgemeine Erheiterung sorgte. Spontaneität und Improvisationskunst verbanden sich zu einer witzigen Neuauflage des unsterblichen italienischen Schlagers, die der Veranstaltung die musikalische Krone aufsetzte und europäische Dimensionen verlieh.

 

gez. H. Schönecker

21.09.2012: Tuija Komi New Quartet

Tuija Komi eröffnet mit ihrem New Quartet illustren Konzertreigen

Die finnische Sängerin Tuija Komi lieferte mit ihrer neuen Münchner Formation einen Auftakt nach Maß für die zweite Veranstaltungsserie des Jazzjahres beim Biberacher Jazzclub. Fremd und eigenartig, wenn nicht gar exotisch wirkte das finnische Sprachidiom der in München lebenden Sängerin aus dem Land der Mitternachtssonne in Verbindung mit avantgardistischem europäischen Jazz. Die Integrationskraft des Jazz, besonders in seiner weltweit immer stärker beachteten mitteleuropäischen Ausprägung, vermochte aber auch hier Innovatives überzeugend mit Bewährtem zu verbinden. Zumal mit dem Münchner Komponisten und Pianisten Walter Lang ein kreativer Arrangeur die folkloregeprägten nordischen Sujets in eine moderne Musiksprache einbinden konnte. Aus den scheinbaren Gegensätzen resultierten so gerade die entscheidenden Spannungsmomente.
Ebenso souverän wie sympathisch führte Tuija Komi durch den Abend. Ihre hell timbrierte, klar und natürlich wirkende Stimme überstrahlte den transparenten Bandsound ohne aufdringlich zu wirken. Das ungewöhnliche Konzept entfaltete beim sichtlich begeisterten Publikum im Jazzkeller durchaus seine Wirkung. Die Melancholie der weiten nordischen Landschaft, die Düsternis des arktischen Winters aber auch das Feuer der auf wenige Wochen zusammen gedrängten sommerlichen Vitalität im wildromantischen Land der tausend Seen verbanden sich nahezu bruchlos mit dem dynamisch-urbanen Zugriff der universellen Sprache des Jazz zu ausdrucksstarken, atmosphärisch dichten Songs, die unter die Haut gingen. Die zahlreichen verzückt, entrückt, oft mit geschlossenen Augen lauschenden Gäste durften auch erste Proben aus der neuen CD der Sängerin hören. Den Pausengesprächen und den im Anschluss an das Konzert großzügig verteilten Autogrammen nach zu urteilen, hat Tuija dabei eine ganze Reihe neuer Fans gefunden.
Martin Kolb am Schlagzeug hatte mit seinen differenzierten und vielseitigen, überwiegend auf Becken und Snare sensibel realisierten Patterns großen Anteil an der stimulierenden Transparenz, die neben Tuija besonders Walter Lang am Steinwayflügel mit raumgreifenden Improvisationen, dichten Harmonien, filigranen Verzierungen und Lyrizismen zu nutzen wusste. Der gebürtige Slowake Peter Cudek am Kontrabass überzeugte mit dezent groovendem Unterbau im Dienst der Band, konnte jedoch in den wenigen aber inspirierten und hochvirtuosen Soloimprovisationen auch zeigen, dass er darüber hinaus durchaus noch etwas mehr in Petto hat.

Dr. H. Schönecker