Kritik – Seite 20 – Jazzclub Biberach e.V.

10.11.2017: Susan Weinert Rainbow Trio

Kompromisslose Soundfetischisten im Biberacher Jazzkeller

Susan Weinert Rainbow Trio – ein wahres Freudenfest für Feinsinnige

BIBERACH – Durchaus nicht zu viel versprochen hatte die vollmundige Ankündigung des international renommierten, aus dem Saarland stammenden Susan Weinert Rainbow Trios durch den veranstaltenden Jazzclub Biberach. Das nach über 30 auch musikalisch gemeinsamen Jahren perfekt aufeinander eingespielte Ehepaar Susan (Gitarre) und Martin Weinert (Kontrabass) sowie der ihnen seit vielen Jahren freundschaftlich verbundene Konzertpianist Sebastian Voltz bildeten ein „schlagkräftiges“ Team und erreichten mit ihrer genreübergreifenden, feinsinnigen „Musik für Seele und Geist“ unmittelbar das zahlreich erschienene Biberacher Publikum. Von Beginn an waren es nicht nur lang anhaltender Beifall sondern auch euphorische, verbale Beifallskundgebungen, die deutlich stimulierende Wirkungen auf die Musiker ausübten.

Die glitzernden, hochpräzise perlenden Läufe des klassisch geschulten Konzertpianisten Sebastian Voltz auf dem frischgestimmten Kawaiflügel gerieten zum Ohrenschmaus und fügten sich klanglich bestens in das Soundgefüge des blendend harmonierenden Susan Weinert Rainbow Trios. Besonders wenn Voltz sich zupfenderweise im Inneren des Flügels zu schaffen machte, waren die gezupften Klänge unter sich und völlig aus einem Guss.

Mit den Weinerts waren kompromisslose Soundfetischisten am Werk. Ein ebenso umfangreiches wie hochkarätiges elektronisches Equipment mit ganzen Batterien von Fußschaltern und Effektgeräten, gesteuert über gleich zwei Macbooks, erzeugte einen üppigen und dennoch transparenten natürlichen Sound, der sich mit dem akustisch spielenden Flügel bestens vertrug.

Die meisten Kompositionen des Abends stammten von der bei Richie Beirach, John Abercrombie und Mike Stern ausgebildeten Gitarristin Susan Weinert. Vom ersten Stück an, dem munter groovenden „Windrad“ aus der CD „Fjord“, zeigte sich, dass hier ebenso homogene wie flexible künstlerische Interaktionen in einen spannungsreichen und vielschichtigen Personalstil eingebettet waren. Vom nervös vibrierenden „Tanz der Schmetterlinge“ bis zum nächtlich-mystischen Flug der „Kraniche“ mit zugespielten Originaltonaufnahmen über Susan Weinerts heiteres Lieblingsstück „Ein Sommertag“ bis zu „Der Unverzagte“ aus der Feder Martin Weinerts war es vor allem die unbekümmerte stilistische Vielfalt und Offenheit, gepaart mit spontanen Improvisationen, die eine federleichte Melange zwischen subtilem Kammerjazz und zupackenden jazzigen oder rockigen Grooves entstehen ließ.

Nach einem kurzweiligen Programm gab es noch zwei freudig gewährte Zugaben und von den Musikern sogar Applaus für das besonders aufmerksame Biberacher Publikum. Während der Vorträge konnte man beinahe eine Stecknadel fallen hören, danach war es dafür umso turbulenter.

Text & Fotos: Helmut Schönecker

21.10.2017: Palmarosa Band

Chansons und Lieder der Cantautori – Palmarosa Band im Jazzkeller vom Publikum umjubelt

Biberach (hbs) – Einen sehr unterhaltsamen und informativen, und dabei wahrlich exzellenten und vom Publikum umjubelten Auftritt gab es mit der Palmarosa Band aus Asti bei dem vom Kulturamt, Städte Partner Biberach e.V. und Jazzclub im Rahmen der Französischen Wochen veranstalteten Konzert im leider nur mittelmäßig-gut besuchten Jazzkeller. Unter der Federführung von Schlagzeuger und Bandleader Luciano Poggio hat die Gruppe den Einfluss der französischen Chansoniers und Chanteusen der späten 1950er und frühen 1960er Jahre auf die italienischen Cantautori mit erläuterndenen Texten und vor allem musikalisch erzählt. Mit diesem Auftritt der Gruppe aus der italienischen Partnerstadt Asti bei den Französischen Wochen und dem Mix aus Chansons und Cantautori wurde nebenbei das Dreieck Valence-Asti-Biberach betont: Alle drei Städte sind städtepartnerschaftlich rege miteinander verbandelt.

Die im Original italienischen Erläuterungen wurden vorab von Viviane Burgio-Thomas übersetzt und am Abend in komprimierter Version von Hans-Bernd Sick, der seit über 30 Jahren mit Musikern der Palmarosa Band befreundet ist und über den Städte Partner Biberach e.V. vielfältige Kontakte in die Musikszene Astis pflegt, vorgetragen. Im Nachkriegsfrankreich waren es Interpreten wie z. B. Jacques Prévert und Edith Piaf, die Unterhaltung und Kultur miteinander verbanden. Sie wollten unterhalten und ihre Zuhörer gleichzeitig zum Nachdenken bringen. Während sich in Frankreich die „Kultur“ in die politische Diskussion einmischte und Bestandteil der politischen Auseinandersetzung war, wurde in Italien lediglich das Publikum unterhalten, das so dem Alltag „ohne zu denken“ entfliehen konnte. „Paris Canaille“ eröffnete den musikalischen Reigen, „Les Feuilles Mortes“, „Sous le ciel de Paris“ und „La Boheme“ folgten als weitere Beispiele dieser frühen Epoche. Die Palmarosa Band überzeugt von Anbeginn als homogenes Ensemble, fließend und nahtlos wechselten die Soli zwischen Keyboarder Claudio Genta, Alessandro Gianotti an der Gitarre, Ezio Cocito am Saxophon und der klassischen Mandolinistin Amelia Saracco hin und her. Amelia Saracco verlieh dem Abend mit ihrem farbenreichen Spiel einen schon auch klischeehaften, aber wohltuend klingenden italienischen Flair. Akzentuiert und präzise, und dabei doch sehr zurückhaltend unterstütze die Rhythmusgruppe mit Bassist Lorenzo Nisoli und Luciano Poggio am Schlagzeug das farbige Spiel. Und über allem schwebte die modulierende Stimme der zierlichen Sängerin Maria Rosa Negro, die mal zart und zerbrechlich klang und dann wieder kraftvoll die Zuhörer in ihren Bann zog. Das Ganze wurde von Vincenzo „Piuma“ Penna bestens abgemischt.

Der berühmte Faro di Genova, der mächtige Leuchtturm im Hafen von Genua, fungierte als Antenne und nahm die Signale auf, die die Pariser Antenne, der Eiffelturm, über die Alpen sendete. Dort traf sie den Nerv einiger Musiker und inspirierte diese sowohl musikalisch als auch inhaltlich. Vor allem in Genua entwickelte sich eine neue “Szene“ mit Umberto Bindi, Luigi Tenco, Gino Paoli, Fabrizio De Andrè und Bruno Lauzi. Auch Paolo Conte aus Biberachs Partnerstadt Asti gehörte dazu. Da seine Familie ein Häuschen am Meer besaß, hatte er auch als „Binnenländer“ leichten Zugang zur Genueser Musikszene. So also kam das gebannt lauschende Publikum in den Genuss der international bekannten Conte-Lieder „Genova per noi“ und „Onda su onda“.

Chansons wie „Domino“ mit dem typischen valzer musette , dem Klang des Akkordeons, und „Et maintenant“ kamen zwar in Italien an, die Inhalte der Texte dort jedoch „entpolitisiert“, und aus der engagierten Juliette Greco wurde beispielsweise in der italienischen Öffentlichkeit ein oberflächliche, ja geradezu langweilige Person. Der Liedtypus des Chansons wurde in Italien also aufgegriffen, aber zumindest anfänglich musikalisch geglättet und auch der Rhythmus „italienisiert“, wie am Beispiel von Gino Paolis „Il cielo in una stanza“ gezeigt wurde.

Diese Gruppe italienischer Musiker, deren Hochburg Genuas pittoreskes Stadtviertel Boccadasse war, erlangte Aufmerksamkeit, wurde zum berühmten, wegweisenden Festival in San Remo eingeladen, und 1960 wurde dort für diesen neuen Stil der Begriff „Cantautori“ geprägt. Exemplarisch für deren wohl bekanntesten Vertreter, dem zu früh verstorbenen Fabrizio di Andrè, gab es dessen „La citta vecchia“, einer Neuinterpretation von Brassens „Le Bistrot“, und „Si Fosse Foco“, dessen Melodie auf einer Komposition Telemanns basiert, zu genießen. In welchem gesellschaftlichen Kontext die Cantautori standen, macht das Beispiel von Umberto Bindi deutlich, der 1961 zwar mit großem Erfolg in San Remo auftrat, allerdings aus seiner Homosexualität keinen Hehl machte und deswegen von den Medien totgeschwiegen wurde.

Die französischen Chansons selbst eroberten auch die USA, berühmte Jazzer landeten in Paris, und Paris avancierte zur europäischen Hauptstadt des Jazz. Den Einfluss der Chansons auf den Jazz belegte die Palmarosa Band mit unter die Haut gehenden Interpretationen von Porters „I Love Paris“ und den von Louis Armstrong bzw. Sidney Bechet neu interpretierten Chansons „C’est si bon“ und „Petite fleur“.

Zahlreiche weitere ausgefeilte Arrangements bot die Band dem gebannt lauschenden Publikum, und nicht nur bei Klassikern wie Piafs „Non je ne regrette rien“ dürften etliche im Saal eine Gänsehaut bekommen haben. In der Hoffnung, dass am Ende doch immer die Liebe siegen möge, beendete die Palmarosa Band ihr grandioses Programm mit der „L’hymne a l’amour“. Zwei Zugaben gab es obendrauf, mit einer phantastischen Interpretation von „O sole mio“ (eigentlich mag man das Lied ja schon gar nicht mehr hören) endete ein großartiger Konzertabend und alle Gäste waren überzeugt, dass so ein Konzert einen deutlich größeren Rahmen verdient hätte. Vielleicht gibt es ja doch ein nächstes Mal?!

Text: Hans-Bernd Sick
Foto: Michael Schlüter

20.10.2017: Jazzchor Biberach & Jazzchor Stuttgart

Jazzchöre aus Stuttgart und Biberach können rundum begeistern

Wohlige Schauer, schräge Töne und stimmungsvolle Partysongs

BIBERACH – Am Ende eines kurzweiligen Doppelkonzertes der Jazzchöre aus Stuttgart und Biberach im Jazzkeller der Bruno-Frey-Musikschule traf die fulminante Gospelhymne „A Human Right“ aus der Feder von Tore W. Aas und dem Oslo Gospel Choir wohl genau den Nerv des begeistert skandierenden Publikums. Zuvor hatten beide Chöre einen abwechslungsreichen Querschnitt aus ihrem Repertoire geboten. Jazz-, Rock- und Popnummern, topaktuelle Songs, Oldies und Evergreens, die meisten mit Ohrwurmcharakter, erfreuten, neben Neubearbeitungen bewährter Jazz-Standards, das Publikum im ausverkauften Jazzkeller.

Während der Biberacher Jazzchor, zunächst noch verhalten aber stimmungsvoll und inspiriert mit dem Standard „My funny Valentine“ aus den 1930er Jahren den Konzertabend mit eher leisen Tönen historisch korrekt eröffnete, führte bereits der zweite Titel in die musikalische Gegenwart. Ed Sheerans „Thinking out loud“ in einer engagierten Interpretation von Jolanta Jarosinska sowie das frisch und frech daherkommende “All About That Bass” von Meghan Trainor, unterbrochen durch „Angel Eyes“, einem weiteren Swing-Standard aus den 1940er Jahren, verordneten dem Publikum stilistische Wechselbäder zum Aufwärmen und zur besseren Durchblutung. Verstärkt durch das „Trio Feuervogel“ aus Zwiefalten und instrumentale Aushilfen einiger Chormitglieder kulminierten die Darbietungen der Biberacher Einheizer in den eigens vom Chorleiter arrangierten Titeln „Black Orpheus“ und „Careless Whisper“. Abgerundet durch die in den 60er Jahren entstandene Zugabe „Moon River“ aus der Feder des legendären Henry Mancini machte der Jazzchor Biberach sodann die recht beengte Bühne frei für die Gäste aus Stuttgart, die unter der Leitung von Christiane Holzenbecher die Stimmung weiter anheizten.

Fast ausschließlich „a cappella“ gesungene Titel in bestechend sauberer Intonation auch „schräger Töne“ in verqueren Jazzharmonien sowie in höchst präziser Rhythmisierung zeugten nicht nur von den Früchten jahrelanger Zusammenarbeit mit Profis von „Manhattan Transfer“, „Flying Pickets“, „King’s Singers“ oder den „Wise Guys“ auf zahlreichen Workshops und Wochenendseminaren. Sie ließen auch auf hell begeisterte Chormitglieder sowie eine engagierte und disziplinierte Probenarbeit unter der Leitung von Christiane Holzenbecher schließen. Sie hat es sich trotz einer starken Erkältung auch nicht nehmen lassen, in der zweiten Zugabe noch selbst zum Mikrofon zu greifen und mit bluestypisch heiserer und rauchiger Stimme im witzigen Duell mit einem ihrer Chorsänger den „Hafer- und Bananenblues“ vom „Äffle und Pferdle“ zu zelebrieren.

Mit sichtlichem und hörbarem Enthusiasmus erklangen zuvor selbst so hochvirtuose Titel wie „Sir Duke“ von Stevie Wonder, „Java Jive“ (Manhattan Transfer), „Happy“, „Viva la vida“ oder „Uptown funk“. Auswendig vortragend konnten die rund 20 Sängerinnen und Sänger des leider etwas ersatzgeschwächt angetretenen Chores auf jeden Fingerzeig der umsichtigen Chorleiterin reagieren und in differenzierter Dynamik eine hochkarätige Interpretation nach der anderen abliefern. Eine Hommage ans Publikum waren so eingängige Stimmungsmacher wie das von den „Comedian Harmonists“ in den 1920er Jahren populär gemachte und von den Männern der Stuttgarter Truppe solistisch und mit gebührender Theatralik vorgetragene „Lass mich dein Badewasser schlürfen“, Irving Berlins swingender Foxtrott „Puttin‘ on the Ritz“ oder auch der in den 1930ern für ein jiddisches Musical entstandenen Swingtitel „Bei mir bist du schön“ und viele weitere Ohrwürmer.

Text: Helmut Schönecker
Fotos: Sophia Schönecker

14.10.2017: The Last Show

Blues Trio aus Valence überzeugt im Jazzkeller

Filigraner Blues mit “The Last Show“

Biberach (hbs) – Im Rahmen der Französischen Wochen gastierte das Trio „The Last Show“ aus Biberachs französischer Partnerstadt Valence im sehr gut gefüllten Jazzkeller. Mit Musik zum Zuhören und Träumen war die Band angekündigt worden, und dieses Versprechen wurde bestens erfüllt. Schon beim Opener „Nobody Knows You When You’re Down And Out“, im Original von Billy Cox, zeigte sich die Stärken der drei Musiker: filigrane Arrangements, präsent und präzise, dabei doch zurückhaltend und unaufdringlich. Man könnte meinen, sie hätten ihr Programm unter das Motto „manchmal ist Weniger mehr“ gestellt. So entstand ein leichter, weicher Sound, dem man vollkommen entspannt die zwei Stunden lauschen konnte und auch gerne hätte noch länger lauschen wollen. Manch einer dürfte überrascht gewesen sein, wie zart Blues klingen kann. Was aber überhaupt nicht heißt, dass das Geschehen auf der Bühne einfach so vor sich hin plätscherte. Nein, auf der Bühne standen drei hervorragende Musiker, die sowohl als Solisten als auch im Team überzeugten. Vince Brunet glänzte auf der Gitarre und mit seiner variablen Stimme. Sie klang mal klar und hell, dann wieder bluesig und rau. Beim Bob Dylan-Song „Billy“ meinte man, das näselnde Timbre käme vom Altmeister selbst. Bei dem Stück spielte Vince auf seinem Dobro, eine Resonatorgitarre, und mit dem Bottleneck erzeugte den typischen „gleitenden“ Sound, über die Alain mit seiner Düsenberg-Gitarre locker seine Soli legte. Bei Robert Johnsons „“Kind Hearted Woman“ überzeugte Alain Michel mit seinem exzellenten Spiel auf der Bluesharp, das er einfühlsam über Vincents Dobro-Slides webte. Aus dem Hintergrund wurden die beiden Solisten von Drummer Stéphane Ranaldi grandios unterstützt, wohl einer der gefragtesten Jazz und Blues Drummer im Rhonetal. Mal treibend und kraftvoll, mal sanft und unaufdringlich, manchmal schon fast unhörbar setzte Stéphane gekonnt die richtigen Akzente.

Obwohl hauptsächlich nordamerikanische Songs gespielt wurden, war es doch ein französischer Abend. Der Großteil der Ansagen erfolgte in französischer Sprache, was auch beim Publikum, in dem einige Gäste aus Valence und zahlreiche frankophile Oberschwaben saßen, sehr gut ankam. Auch an der Bar des Jazzclubs gab es zusätzlich einen französischen Roten im Ausschank. So durften auch französische Titel im Programm nicht fehlen. Damit begann „The Last Show“ den zweiten Set des Abends. Alain Michel steuerte dazu ein paar Eigenkompositionen bei. Der Song „Partit pour pas rester“ erzählt von einer Reise mit dem Zug, allerdings nicht mit dem besten überhaupt, dem französischen TGV, sondern einem recht alten Zug. Hier ahmte Alain beim Intro den Rhythmus des Zuges auf der Bluesharp gekonnt nach. Der Song „Quand j’ai trop le blues“ entstand, als sich Alain einmal die Frage stellte, warum er als Franzose eigentlich Blues spielt und komponiert. Da wollte er einfach mal was anderes machen und hat diesen Boogie geschrieben. „Là-bas a New Orleans“ entstand, nachdem ihm wohl bereits zum zwölften Mal die Freundin verlassen hatte, er diesen Kummer mit „think positive“ bewältigen wollte, und einen Song schreiben wollte, der dann bestimmt ein Hit wird – aber auch damit wurde es nichts… Es folgte ein Ausflug nach Louisiana, in die Heimat der Cajun-Musik. Normalerweise, so erzählte Alain bei seiner Einführung, beginnen die Cajun-Stücke immer mit einer Akkordeon-Einleitung. Dem Instrument, das man auch als Piano der armen Leute bezeichnet. Da es ihm aber nicht einmal für ein Akkordeon reicht, muss er diesen Part zwangsläufig mit der Bluesharp, dem Piano der Ärmsten der Armen, übernehmen. Alain Michel, der in den letzten zwanzig, fünfundzwanzig Jahren schon etliche Male mit verschiedenen Formationen in Biberach gastierte, bedankte sich herzlich beim Publikum und den Gastgebern für die Gastfreundschaft. Das Publikum war zwar beim Mitklatschen eher zurückhaltend, lauschte dafür aber umso aufmerksame dem Geschehen auf der Bühne und bedachte die drei Musiker auch mit viel und verdientem Applaus, und erklatschten sich zum Abschluss auch noch zwei Zugaben.

Text und Foto: Hans-Bernd Sick

06.10.2017: John Stowell – Manfred Junker Duo

John Stowell – Manfred Junker Duo im Jazzkeller

Meistergitarristen fesseln Biberacher Jazzpublikum

BIBERACH – Der in Konstanz lebende Manfred Junker ist im Biberacher Jazzclub ein alter Bekannter. In den verschiedensten Formationen war er in den letzten Jahren schon zu Gast im Jazzkeller und seine familiären Wurzeln mütterlicherseits liegen ebenfalls in der Oberschwabenmetropole. Bei seinem jüngsten Besuch im Jazzkeller hatte er allerdings eine gestandene Gitarrenlegende als Duopartner mitgebracht. Der gebürtige New Yorker John Stowell, der seit den 1970er Jahren als „reisender Minnesänger“ um die Welt tourt, fand in Junker einen kongenialen Mitstreiter und bei den Jazzbibern viele aufmerksame Zuhörer und sicher auch viele neue Fans.
Zu vielen Originalkompositionen Stowells komponierte Junker eigenständige Gitarrenstimmen, mal in Form eher rhythmisch geprägter Begleitfigurationen, oft aber auch in kontrapunktischer Verschränkung und komplementärrhythmischer Verzahnung in elaborierter Polyphonie. Die Intensität und kreative Vielfalt der gestalterischen Ideen, gepaart mit einer dezenten Virtuosität der beiden Meistergitarristen fesselten und begeisterten von Beginn an.
Das reibungslose Mit- und Ineinander der beiden Partien, deren chamäleonartige Rhythmus- und Strukturwechsel auch immer wieder durch längere Improvisationen aufgelockert wurden, verlangte nach aufmerksamen Zuhörern, ließ aber durchaus auch ein entspanntes Wegdämmern in die Transzendenz versunkener Kontemplation zu. Nicht immer war dabei die Dramaturgie in der Reihenfolge der Stücke besonders glücklich, wie auch Junker bei der Ankündigung einer stimmungsvollen Ballade für Zwei nach einer lyrisch-introvertierten Eigenkomposition anmerkte. Manch ein Gast schien während dieser hochkomplexen Darbietungen mitunter sehr tiefenentspannt in weit entfernten metaphysischen Gefilden zu verweilen, aus denen ihn erst der rauschende Schlussapplaus wieder zurückholen konnte.
Als besonderes Highlight erwies sich nach der Pause ein Wechsel der Instrumente. John Stowell und Manfred Junker adelten den Biberacher Gitarrenbauer Christoph Reck indem sie auf den von Reck bereitgestellten Gitarren ein gemeinsames Musikstück spielten und ihn danach ausdrücklich für seine in Handarbeit als Unikate gefertigten Gitarren lobten. Der Klang stand den Meistergitarren der beiden Gitarren-Heroen in keiner Weise nach, wirkte in seiner geschmeidigen Ausgewogenheit vielleicht sogar noch etwas klarer und transparenter als diese. Gegen die Praxistauglichkeit von Stowells zerlegbarer „Reisegitarre“, einer sündhaft teuren Spezialanfertigung im Format flugtauglichen Handgepäcks, kamen die Biberacher Meisterinstrumente allerdings nicht an.
Nach zahlreichen Eigenkompositionen von Stowell und Junker, darunter auch viele Titel der gemeinsamen Duo-CD „Here at last“ sowie einigen erfrischenden Arrangements von Thelonius Monk -, Miles Davis -oder John Scofield – Titeln, gab es am Ende gleich zwei Zugaben und reichlich Lob seitens der Musiker an ein überaus aufmerksames und CD-Kauf-freudiges Publikum.

Text und Foto: H. Schönecker

22.09.2017: Finn Wiest Quartett

APPLAUS, APPLAUS für das junge Finn Wiest Quartett

BIBERACH – Die vier Jazzteens des neu formierten Finn Wiest Quartetts legten bei ihrem ersten abendfüllenden Auftritt einen beispiellosen Senkrechtstart in eine vielversprechende Bandkarriere aufs Parkett. Im überfüllten Jazzkeller, vor erwartungsvollem Publikum mit vielen Freunden und jugendlichen Fans gab es von den ersten Tönen an tosenden und motivierenden Applaus für die Mitglieder des baden-württembergischen Landesjazzorchesters.

„Four stars were born“, sagte eine Stimme aus dem älteren Block des Stammpublikums. „Bei der Energie und dem Elan brauchen wir uns um unsere Zukunft keine Sorgen machen“.

Das vermeintliche Risiko, eine „unerfahrene“ junge Truppe für den Saisonauftakt der Jazzclub Konzertreihe zu engagieren hat sich als absoluter Glücksgriff erwiesen. Die unbändige Spielfreude, die virtuose Beherrschung ihrer Instrumente, die Mannigfaltigkeit der ungebremst sprudelnden und vor Kreativität strotzenden Ideen ließ über gelegentliche Brüche und seltene Unregelmäßigkeiten leicht hinweg sehen. Wie bei den ausgebufftesten Profis funktionierte die Kommunikation durch gelegentliche Blickkontakte und Handzeichen ausgezeichnet und spontan.

Der erst 16jährige Frontmann Jakob Manz am Altsaxophon spielte mit vollem Einsatz und unglaublicher Leidenschaft bis fast zur völligen Erschöpfung. Parallel zur Schule absolviert er bereits ein Vorstudium an der Musikhochschule Stuttgart, Prof. Klaus Graf versteht sich als sein Mentor. Viele begeisterte Besucher fragten sich, was der junge Mann denn noch lernen solle. Ausgedehnte Improvisationen, in denen, nur manchmal unterbrochen durch rauschenden Szenenapplaus, gelegentlich fast „die Pferde mit ihm durchgingen“ zeigten eine Differenziertheit und stilistische Vielfalt, die in den weiteren Unterrichtsjahren vielleicht gar nicht mehr so stark gezügelt werden sollten. Chapeau!

Der vielfach preisgekrönte Bandleader Finn Wiest am Schlagzeug gefiel vor allem durch eine nur optisch etwas unterkühlt wirkende Bühnenpräsenz, rhythmische Präzision und Vielfalt, Souveränität auch in vertrackteren Taktarten und Rhythmen und vor allem der Fähigkeit „den Laden zusammen zu halten“.

Nicolai Daneck am Kawaiflügel sprühte vor musikalischen Einfällen, die er mit spielerischer Eleganz, kultiviertem Anschlag und perlenden Läufen zu prickelndem Leben erweckte. Am Kontra- und gelegentlich am E-Bass wirkte Neil Richter als sicher groovendes Fundament. Von ihm wie auch von Daneck wurden auch eigene Kompositionen in das Programm eingebracht, das ansonsten von teilweise durchaus überraschend neuartig arrangierten Standards geprägt war.

Von dieser Band wird man sicher noch hören…

Text und Fotos: Helmut Schönecker