Archiv – Seite 92 – Jazzclub Biberach e.V.

23.01.2011: Stützles Halbe Stompers

Friede, Freude, Jazz & Weißwurst

Familiäres Dixieland Jazz – Event mit „Stützles Halbe Stompers“ 

BIBERACH – Ohne Zweifel hat sich der Dixieland-Jazz, zumal in einer so gediegenen Form, wie ihn die „Stützles Halbe Stompers“ zelebrieren, neben Volks- und Blasmusik einen festen Platz beim musikalischen Frühschoppen erobert. Die letzten Gäste mussten beim traditionellen Weißwurst-Frühschoppen des Biberacher Jazzclubs regelrecht eingeparkt werden, selbst auf Podesten und Treppenabsätzen war der Platz knapp geworden. Musikfans aus mindestens drei Generationen hatten sich versammelt um die junggebliebenen oberschwäbischen Oldtimer um Trompeter und Bandleader Ekke Wall aus Riedlingen jazzen hören.

 

Louis Armstrong, Fats Waller, Jelly Roll Morton und andere Größen des frühen Jazz waren mit ihren bekanntesten Titeln „Oh when the saints“, „Honeysuckle Rose“, „Kansas City Stomp“ und vielen anderen, allesamt in Arrangements von Ekke Wall vertreten. Besonders der unkonventionellen, schlagzeuglosen Rhythmusgruppe war ein erfreulich transparenter Band-Sound zu verdanken, der vor allem die stimmungsvollen – leider viel zu seltenen – Kollektivimprovisationen der klassischen Frontline aus Klarinette, Trompete und Posaune hervorragend zur Geltung kommen ließ. Die Soli durchzogen alle Stimmen und lagen bei allen Stompers spielerisch und stilistisch auf hohem Niveau. Stiltypisch beklatschte das Publikum dankbar jedes solistische Hervortreten.

 

Verblüffend nahe an das Vorbild Fats Wallers, auch was Leibesumfang und Lebensfreude angeht, vor allem aber in der intensiven, ausdrucksstarken Art zu Singen, kam Ekke Wall, der selbst seine rasantesten Trompetensoli so unaufgeregt und selbstverständlich rüberbrachte, wie seine launige Moderation. Der Funke sprang vernehmlich über zwischen allen Musikern und Publikum, so dass ein friedlich, fröhliches Jazz- und Weißwurstfest auch nicht ohne Zugabe zu Ende gehen durfte.

 

Gez. Dr. H. Schönecker

 

21.01.2011: Alexander Braun „JazzZoneTrio“

Jazziger Auftakt der Konzertsaison beim Jazzclub Biberach

Alexander Brauns „JazzZoneTrio“

BIBERACH – Einen Auftakt nach Maß für die Jazzsaison 2011 des Jazzclubs Biberach legte das „JazzZoneTrio“ von Alexander Braun auf die Bretter der Bühne im gut gefüllten Jazzkeller.  Gediegener „Smooth Jazz“ in dessen positivem Wortsinn, heiter swingender Mainstream-Jazz mit gefälligen Harmonien und eingängigen Melodien, unterhaltsamen Improvisationen und frischem, lockeren Groove ließen eine stimmungsvolle „JazzZone“ im urbanen Ambiente aufblühen.

Im Tetrapack beiläufig moderiert vom Bandleader erklangen bekannte Standards aus der großen Broadwaymusical- und Songtradition von George Gershwin, Cole Porter, Richard Rodgers oder Kurt Weill mit hohem Unterhaltungswert. Auf besonderes Interesse und entsprechenden Applaus stießen aber auch eine Reihe von Eigenkompositionen Alexander Brauns aus denen besonders „Spanish Waltz“ mit hörbar angenehmen Erinnerungen an einen Urlaub auf La Gomera oder „My Inner Voice“ in wohltuend divergentem Groove als inspirierte Preziosen herausragten.

Gelegentliche musikalische Ausflüge in den Latin Jazz, wie in „Corcovado“ von A.C. Jobim oder im „Elisamba“ mit Anklängen an Beethovens Dauerbrenner „Für Elise“ wirkten eher als Konzession ans breite Publikum wohingegen die Streifzüge durch Bebop und Hardbop (Thelonius Monk, Miles Davis, Lee Morgan)  oder zu Herbie Hancock deutliche Synergien freisetzten und frischen Wind entfachte. Vor allem die zweite Zugabe, Watermelon Man, ließ Musiker und Publikum gleichermaßen befreit durchatmen.

In der Reihe „Local Jazz Heroes“ standen dem Biberacher Jazzpianisten Alexander Braun, der an der Bruno-Frey-Musikschule unterrichtet, zwei routinierte Jazzmusiker zur Seite. Für den treibenden Groove sorgte das Ulmer Jazz-Urgestein Hans Peter Gruber, der seit den frühen 60er Jahren die Jazzszene der Region mitprägte. Mit sattem Bassklang legte der Donzdorfer Peter Funk am Kontrabass nicht nur ein sicheres Fundament sondern trat ganz in der Tradition klassischer Klaviertrios auch immer wieder mit Improvisationen solistisch hervor. Der Gesamtsound erwies sich als transparent und ausgewogen und trug gleichermaßen zur Spielfreude der Musiker und zum Hörgenuss des Publikums bei.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

23.12.2010: Rootbears

Bärige Bescherung nach Noten

Zum traditionellen Kult-Auftritt der smarten Doppel-Twens kam dieses Jahr Frischluft ins Programm. Nach 20 Jahren Jazzkeller-Enge ward die Schützenkeller-Halle adäquate Voliere für ihre dynamischen Töne und frei fliegenden Bonmots. Sie fasst gut zwei Jazzkellerfüllungen. Trotzdem waren noch Stehplätze gefragt.

Gespeist wird ihr unikater Stil durch ein „Vieltakt“-Gemisch aus mentaler Vernetzung, Gespür für Rampen-Appeal, Spielfreude, Spontaneität und musikalische Dialogfähigkeit. Selbst offensivem Jazz lassen sie eine Grundmenge Swing, sichern so der Abfolge stilgetreuen Fluss.

Rüdiger Przybilla (Saxophon), Hanspeter Schmid (Posaune), Magnus Schneider (Piano, Akkordeon), Christoph Reck (Gitarre), Martin Schmid (Bass), Peter Schmidt (Schlagzeug) sind die Akteure. Das Programm war eines ihrer besten. Markant akzentuiert: Experimentelles, Schmeichel-Sound, Latin-Würze. Harte Probenarbeit war erahnbar, wurde aber durch routinierte Lässigkeit süffig gemacht. In dichter Folge zeigten die Solisten Highlights. Das Saxophon glänzte durch eruptives Improvisationsfeuerwerk bei Solopassagen wie durch Akkuratesse im – oft synkopisierten – Paarlauf mit der Posaune, die ihrerseits sonore Wärme einbrachte, durch griffige Ansatztechnik, die Kunst des Diminuendo und füllige Soli bestach. In bläserfreien Stücken wie „Wave“ zeigte der Gitarrist, der seine Instrumente teils selbst baut, packende Gestaltungsideen und technische Brillanz, die das Akkordeon spielerisch leicht aufnahm, mit raumgreifenden Imrovisationsgirlanden die fast endlose Weite, filigrane Aussage und Dosierbarkeit dieses Klangtyps demonstrierte. Durch Pep, Drive und stringenten Schub sorgten die Rhythmus-Brüder Peter und Martin Schmid für das bärentypische Pulsieren der Stücke. Martin trat mit behänden Soli, wie in „My Romance“ akustisch an die Rampe und Peter überzeugte erneut durch die Beherrschung seiner Technik und deren Einsatz der nie in Dominanz ausuferte. Das Schützenfest-Stück stammt aus der Feder des Gitarristen und der Pianist schöpfte in „Waltz for Debby“ alle Dimensionen aus.

Gags wie Einschub von doubletime-Schlägen und die Umtopfung des Walzer-Mittelteils in den 4/4-Takt fehlten ebenso wenig wie die umlaufenden humorigen Sprüche. Selbst auf die Bären-Groteske war Verlass. Jeder musste bei „Tochter Zion“ ein Fremdinstrument spielen. Und es klang absolut singbar. Wohlhabend müssen sie geworden sein. Denn beim obligaten Rätsel gab es Preise diesmal „sackweise“. Nach drei Stunden und zwei Zugaben ging man rootbear-selig heim.

Dieter Schefold

Originaltext für die Schwäbische Zeitung

 

10.12.2010: Cornelius Claudio Kreusch

Jazzpianist der Superlative in der Stadthalle

Cornelius Claudio Kreusch in bester Spiellaune

BIBERACH – Vor ausverkauftem Haus im kleinen Saal der Stadthalle präsentierte sich im Rahmen der Abonnementkonzerte der in München und New York lebende Weltklasse-Pianist CCK hochmotiviert einem andächtig und begeistert lauschenden Publikum. Nachdem er bereits im vergangenen Frühjahr den Vorsitz der Jury beim Biberacher Jazzpreis übernommen hatte, spielte er jetzt, 20 Jahre nach seinem eigenen Sieg in dem international ausgeschriebenen Jugend-Wettbewerb, erneut in Biberach. Zu einem großartigen Künstler gereift, faszinierte er über zwei Stunden lang seine Fans, die teilweise gar aus Berlin anreisten. Ein Zuhörer aus Friedrichshafen brachte es auf den Punkt: „So viel Temperament bringt kaum ein anderer Jazzpianist der Gegenwart in die Tasten“. Und in der Tat, CCK, der nach seinem kometenhaften Aufstieg bereits Mitte der 1990er gemeinsam mit Herbie Hancock das erste Internetkonzert gegeben und erst letzte Woche zusammen mit Klaus Doldinger („Das Boot“, „Passport“) in München zu hören war, gehört zu den komplettesten Jazzpianisten unserer Tage. Von filigran ziselierten Pianissimo-Motiven über plastisch modulierte, gewissermaßen atmende Themen und perlenden Prestissimo-Passagen zu wahrhaft titanischen Akkordschichtungen kolossaler Klanggebäude steht ihm eine immense Ausdruckspalette zur Verfügung. Das ungewöhnlichste dabei ist aber die unnachahmliche Agilität seiner Leidenschaft. Eben noch völlig introvertiert in zarten Klangmalereien versunken explodiert er im nächsten Moment in dynamischen Eruptionen, die selbst einen ausgewachsenen Bösendorfer-Imperial-Flügel an den Rand seiner Leistungsfähigkeit bringen. Ein Instrument, das „im Laufe der Jahre sogar noch an Klangqualität zugenommen hat (Zitat: Kreusch) und welches den hochexpressiven Künstler nach seiner eigenen Aussage zusätzlich motiviert und zu Höchstleistungen angespornt hat.

Kreuschs Kompositionen sind unverstellte persönliche Bekenntnisse. Wahlweise seinen drei Kindern oder intensiven persönlichen Erlebnissen gewidmet, wie etwa „Weihnachten in New York“, „Folkloretänze in Neu-Guinea“ oder „Impressionen aus Afrika“ setzen sie in ihm jene Energien frei, die sein Spiel zu einem bedeutungsvollen kommunikativen Akt werden lassen. Hochspannung ist garantiert.  Kurzweil ebenso. Keines der Stücke ist ausschließlich einer einzigen Ausdruckshaltung gewidmet. Jedes Stück enthält einen ganzen Kosmos an Stilmitteln und Aussagen und dennoch gelang es Kreusch, den Spannungsbogen bis zur dritten Zugabe zu halten und zu steigern.

Gez. Dr. Helmut Schönecker

12.11.2010: Elisa Weiß & Band

Melancholischer Pop-Jazz aus Dresden im Biberacher Jazzkeller

Prinzessin Elisa singt auf Wolke 7

BIBERACH – Eines der Formate von „Rethberg Music“, der neugegründeten Firma des Dresdner Pianisten und Arrangeurs der „Elisa Weiß Band“ Matthias Rethberg, ist die Präsentation der Sängerin und Komponistin Elisa Weiß und ihrer Band. Ein rundum überzeugendes Konzept, wie am Freitagabend im Biberacher Jazzkeller zu hören war, zeigt die junge Künstlerin doch ein ungewöhnlich vielschichtiges künstlerisches Profil.

Markenzeichen von Elisa Weiß sind eine wandlungsfähige, ausdrucksstarke Stimme, die nötige Bühnenpräsenz und – für den kommerziellen Erfolg vielleicht am wichtigsten – ein facettenreicher,  gefälliger Musikstil im Grenzbereich zwischen Jazz und Pop mit einem gehörigen Schuss Romantik und psychedelischer Transzendenz. Ließen sich zu Beginn des Konzertes noch Assoziationen zu großen Vorbildern, etwa Kate Bush, Sophie Hunger, Christina Aquilera oder auch zu Björk und Enya herstellen, so trat im Verlauf des Abends immer stärker Elisa Weiß pur in den Vordergrund, am überzeugendsten in der zweiten Zugabe, einem noch nicht fertig arrangierten Titel von der neuen, bisher noch unveröffentlichten CD.

Hinter der Begleitband von Elisa Weiß verbergen sich Matthias Rethberg am Klavier, Matthias Weisbach an der Violine, Karina Nunez am Cello und Nadja Schrötter am Schlagzeug. Wenn auch da oder dort Bedauern zu hören war, darüber, dass sich die durchaus versierten Bandmitglieder vielleicht allzu servil in den musikalischen Hintergrund zurückgezogen haben um ihre Elisa Weiß wie eine Prinzessin auf Händen zu tragen, so wirkte die Konzeption doch insgesamt stimmig und überzeugend. Die Streichinstrumente sorgten für eine üppige und dennoch filigrane Klanglichkeit jenseits poptypischer Automatismen, das Schlagzeug groovte in präziser Leichtigkeit, das Klavier füllte in selbstauferlegter Zurückhaltung und feiner Gediegenheit sensibel alle weiteren Lücken. Gemeinsam webte die Band eine dichte Klangwolke auf der sich Elisa Weiß im weißen Spitzenkleid sinnlich stimmlich räkeln konnte. Zum romantischen Outfit der Inszenierung gehörte auch ein kunstvoll auf der Bühne drapierter und vorweihnachtlich illuminierter Wolkenschleier sowie gedämpfte Raumbeleuchtung mit stimmungsvollem Kerzenschein. Auch wenn die Bevorzugung modaler Tonarten mit der daraus resultierenden Motivik und Harmonik eine überwiegend melancholische Grundstimmung erzeugte, die auch noch den eher heiteren Themen eine tiefere Bedeutung verlieh, so bewahrte der zupackende Groove der Rhythmusabteilung die Musik doch davor, allzu tief in den psychedelischen Untiefen zu versinken. Beim Publikum stieß die Elisa Weiß Band auf breite Zustimmung und große Begeisterung und auch nach den beiden Zugaben standen alle Bandmitglieder gerne noch bis zum frühen Morgen für fruchtbare Gespräche mit ihren dankbaren und zahlreichen Fans zur Verfügung.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker