Archiv – Seite 2 – Jazzclub Biberach e.V.

Andy Herrmann Trio

Am 10.03.2023 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Zusammen mit dem aus Kirchberg an der Jagst stammenden Bassisten und Professor an der Musikhochschule Mannheim, Thomas Stabenow und dem amerikanischen Schlagzeuger Rick Hollander spielt der gebürtige Biberacher Andreas Herrmann (Abitur am Wieland-Gymnasium) mit Professuren für Komposition und Jazzpiano in Luzern und München nach längerer Pause im Rahmen der Konzertreihe des Jazzclubs anlässlich der Heimattage mit seinem angestammten Trio wieder einmal in seiner Heimatstadt Biberach. Frischer Modern Jazz mit Wurzeln im „Great American Songbook“ zu dem die Fachpresse konstatierte: „ Mit ihrer Musik malten die Drei elegant poetische Bilder zum Träumen, schufen sphärische Soundlandschaften, überraschten mit subtilen rhythmischen Verschiebungen und begeisterten mit fulminant-rasanten Tonfolgen.“

03.03.2023: Maltett

Fünf junge Musiker, die tief im Jazz verankert sind
Schlagzeuger Malte Wiest überzeugte mit seinem Maltett zu den Heimattagen im erneut ausverkauften Jazzkeller durch große Spielfreude. Die Formation knüpft an die Tradition des Bebop und des Modern Jazz der 60er-Jahre an und führt sie mit verblüffender Authentizität durch Eigenkompositionen in die Jetztzeit. Das augenscheinlich junge Alter der Band täuschte über das Hörerlebnis in Erwartung einer Aufnahme des „Blue Note“ oder „Impulse“ Labels. Man fühlte sich bei geschlossenen Augen in einen der legendären New Yorker Jazzclubs wie Village Vanguard oder Birdland versetzt.
Schon beim ersten Stück „Afro Centric“ des Saxophonisten Joe Henderson wird klar um was es geht. Hoch verdichtete Energie, präzises Zusammenspiel, Spielwitz, originaler Gesamtsound und höchste improvisatorische Virtuosität auf allen Instrumenten. Malte Wiest versteht es auf dem Drum-Set die Stilistik des modernen Spiels noch weiter zu entwickeln. Die rhythmische Freiheit des jungen Meisters, scheinbar im Widerspruch zum ständig fühlbaren Puls, erzeugte höchste musikalische Spannung, die beim sehr geneigten Publikum spontane Ausrufe der Begeisterung auslösten.
Der ausgewogene Bandsound lebte durch den stets aufmerksamen Bassisten Grégoire Pignède, der als Rückgrat „aus der Tiefe des Raums“, gut sicht- und hörbar zwischendurch ordentlich Druck machte und auch als „stage organizer“ wirkte. Pianist Valentin Melvin unterstützte mit Präzision, high educated voicings, und mitreißenden Soli die hohe internationale Qualität des jungen Ensembles.
Das fachkundige Publikum honorierte jedes der Soli mit Szenenapplaus. Vor allem im letzten Stück ihres Bandleaders „Mu 1“, bezogen auf einen Ausweich-/Komponierraum der Musikhochschule Mainz, kamen einmal mehr die Bläser Lukas Wögler (tsax) und Gabriel Rosenbach (trumpet) zur Geltung. Ihre schlüssigen, gut aufgebauten Soli in bester Bebop-Tradition, mündeten cool und souverän im präzisem Satzspiel der Themen.
Eine würdigende Geste dem kürzliche verstorbenen Saxophon Hero Wayne Shorter (Miles Davis/Weather Report) gegenüber war es, dessen Komposition „Deluge“ spontan in das Programm aufzunehmen. Malte Wiest bezog sich mit seinem Stück „homewords“ auf das verständliche Erinnern im neuen Studienort Berlin, an seine Heimat und bedankte sich beim Publikum und den Organisatoren des Jazzclubs BC. Seine sympathischen Ansagen zwischen den Tunes, die auch den dezenten Hinweis auf die obligate Wohnungssuche in der Hauptstadt enthielt, sorgten für eine angenehm, lockere Atmosphäre im Club und lösten den unbedingten Wunsch nach einer Zugabe aus.
Fotos: Manfred Fakler, Text: Markus Merz

Maltett

Am 03.03.2023 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Der in Berlin studierende junge Jazzschlagzeuger Malte Wiest (Abitur am Wieland-Gymnasium) aus der Kaderschmiede des Warthausener Schlagzeuglehrers Markus Merz kehrt mit seinem ersten eigenen Bandprojekt, dem Maltett an seine frühere Wirkungsstätte zurück. In klassischer Jazz-Quintett-Besetzung spielt die Gruppe in erster Linie Originalkompositionen aus eigener Feder aber auch Lieblingstücke der fünf Musiker. Stark geprägt vom Jazz der 60er Jahre aber auch vom modernen Straight-Ahead-Jazz findet das Maltett seinen eigenen jungen und frischen Sound. Besetzung: Gabriel Rosenbach (tr); Lukas Wögler (tsax); Valentin Melvin (p); Grégoire Pignède (b); Malte Wiest (dr)

10.02.2023: Vogelfrei-FM

Frischer Wind aus heimischen Gefilden

Vogelfrei-FM auf der musikalischen Erfolgsspur

BIBERACH – Erneut in voller Auslastung geriet das dritte Konzert in der Heimattage-Reihe des Jazzclubs trotz technischer Startschwierigkeiten zu einem außergewöhnlichen Event. Ein neuer, bisher kaum wahrgenommener Stern am Komponistenhimmel scheint aufgegangen. Der Warthausener Schlagzeuglehrer Markus Merz, der peruanische Multi-Perkussionist und Wahlbiberacher Cesar Gamero und die Brüder Jochen und Alex Vogel aus Biberach haben sich, trotz räumlicher Nähe, erst vor Kurzem zu einer neuen ungewöhnlichen Formation unter dem Namen „Vogelfrei-FM“ zusammengefunden. Ohne stilistische Festlegung wildern sie – vogelwild – in den angesagten Musikstilen der jüngeren Vergangenheit und interpretieren diese neu, auf ganz individuelle und authentische Weise, jedoch durchaus überzeugend.

Leises, nach Aussage eines frühen Gastes durchaus beruhigendes Meeresrauschen empfing die Gäste im Jazzkeller und schien Teil der Inszenierung zu sein. Als beim ersten Songtitel „LGE.A.B“, einem funky und mit viel Power gespielten Stück im Stil der 70er- und 80er-Jahre dann die E-Gitarre verzerrte Klänge produzierte, schien auch das zunächst ein beabsichtigter Effekt, der allerdings nach den Schlusstakten einfach nicht enden wollte. Allgemeine Ratlosigkeit und zunehmend anschwellendes, weißes Rauschen bremsten die Begeisterung und streuten vorübergehend Sand ins konzertante Getriebe. Als auch die versammelte technische Kompetenz aller Anwesenden zu keiner Lösung führte, wurde kurzerhand – während einer kleinen Rauch- bzw. Rauschpause – umgestöpselt. Rauschfrei und mit neuer Souveränität nahm das Programm danach seinen Fortgang.

Wo der anspruchsvolle Jazzhörer vielleicht Bedenken ob der stilistischen Vielfalt und Authentizität der Musikstücke aus der Feder des Gitarrenlehrers Jochen Vogel hätte haben können oder gar eklektizistische Oberflächlichkeit befürchtet hatte, ließ der überzeugende Personalstil des Komponisten diese Bedenken schnell verschwinden. Als wahrer Meister seines Fachs ließ der versierte Gitarrenprofi die verschiedensten Spieltechniken und Patterns sowie deren stilistisches Umfeld in Stücke mit völlig eigenständigem Zuschnitt einfließen. Auf der klassischen Gitarre virtuos zelebrierter Flamenco, etwa in „Deception Of The Hearts“, überzeugte ebenso wie diverse Funk-, Fusion- oder gar HipHop-Nummern. Hier fanden auch die vielfältigen technischen Helferlein ihre klangliche Rechtfertigung. In diversen Latin-Titeln, in Samba, Salsa oder Bossa, konnten sich die mit umfangreichem Equipment ausgestatteten Schlagwerker Markus Merz und Cesar Gamero nach Herzenslust austoben. Einprägsame Riffs, oft auch im Unisono zwischen E-Bass und E-Gitarre, akzentuiert durch perkussive Grooves sowie gestaltkräftige, vielfach auch mit ungekünstelter Naturstimme gesungene Melodien hielten alles zusammen.

Aus den meisten Songtiteln ersichtlich und durch die erläuternden Ansagen von Jochen Vogel verdeutlicht, war ein weiteres verbindendes Element des Programms der spezifische Kompositionsstil und die Inspirationsquellen zu den scheinbar so divergenten Stücken. Pittoreske Namen wie „Bob’s Samba“, der „Rabbit Samba“ über das „ungebührliche“ Verhalten eines zur Familie gehörenden Kaninchens während der Musikproben oder die im Stil des NuJazz vorgestellte Nummer „Mei Vogelhaus“ im winterlich verschneiten Garten, ließen die Stücke anschaulich werden, erwiesen sich als gut nachvollziehbare „Programmmusik“ oder „darstellende Musik“. So ließen etwa auch das an Landsknechtstrommeln erinnernde Schlagzeugintro von „Ritter Falkenburg“ und die folgenden heroisch-martialischen Klänge den Sinngehalt des Stückes unmittelbar sinnfällig werden.

Nicht ohne zwei, durch langanhaltenden Applaus forcierte Zugaben, darunter das für elektronische Mallets arrangierte, im ersten Anlauf leider etwas „verrauschte“ Lieblingsstück von Markus Merz, „Remember your Roots“, ging ein abwechslungsreicher Konzertabend seinem späten Ende entgegen.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Vogelfrei-FM

Am 10.02.2023 um 20:30 Uhr

Ort: Jazzclub Biberach
(c/o Bruno-Frey-Musikschule, Wielandstraße 27, 88400 Biberach an der Riß)

Beschreibung
Die Biberacher Brüder Alex und Jochen Vogel (Bass und Gitarre), der einheimische Schlagzeuglehrer Markus Merz sowie der peruanische Perkussionist und Wahlbiberacher Cesar Gamero bilden das Quartett „Vogelfrei-FM“. Und die Musik der Combo ist tatsächlich vogelfrei… wild, unbeugsam, bunt, listig, unberechenbar, dreckig, ungehobelt, romantisch, charmant, virtuos, entspannt und witzig! Ein Kernelement sind dabei eingängige Melodien gepaart mit atemberaubenden Grooves. Wenn man eine Stil-Schublade öffnen will, findet man alles zwischen Fusion, Latin, Funk, Jazz, Blues, Klassik, Flamenco und Worldmusic. Die Musiker, die trotz räumlicher Nähe erst kürzlich zusammengefunden haben, verschmelzen hier jahrzehntelange Erfahrung in diesen so heterogenen Bereichen zu einer außergewöhnlichen Einheit.

03.02.2023: Knudsen Fessele Streit Trio

Jazzkonzertreihe der Heimattage boomt

Friedlich-freudige Hochstimmung mit Knudsen, Fessele und Streit

BIBERACH – Eine „Bombenstimmung“ herrschte im Jazzkeller – wäre man geneigt zu sagen, hätte das Motto des zweiten ausverkauften Konzertes der Heimattage-Konzertreihe des Jazzclubs nicht „Peace, please!“ – „Frieden, bitte!“ gelautet. Gleichwohl schlugen die Wogen der Begeisterung hoch und immer höher, vorangetrieben durch die überaus sympathische Moderation der dänischen Sängerin Lea Knudsen, die in Ulm eine neue Heimat gefunden hat. Der einheimische Jazzpianist und Arrangeur Joe Fessele und der Laupheimer Musikschullehrer Norbert Streit, seit vielen Jahren auch unter dem Namen „Streit mit Fessele“ ein eingespieltes Duo, sind vor rund fünf Jahren mit der quirligen Lea Knudsen eine regelrechte Symbiose zum Trio eingegangen. Die Früchte dieser engen Zusammenarbeit – Showelemente, Wortwitz und eine mitreißende Interpretation überwiegend bekannter, von Fessele eigens arrangierter Musiktitel – verbanden sich zu einer regelrechten Wohlfühlmelange, die beim Biberacher Publikum auf offene Ohren traf.

Bei der Stückauswahl des Trios standen zwischenmenschliche Beziehungen in all ihren Facetten im Vordergrund. Der bunte Stilmix aus Blues, Swing, Latin, französischem Chanson, deutschem Pop und nordischen Balladen machte dabei das Besondere der Formation aus. Stellvertretend für viele treffend charakterisierte Beziehungen und Befindlichkeiten in Songtiteln wie Sinatras „The Lady is a tramp“, „Kiss“ von Prince, „Let’s fall in Love“ von Ella Fitzgerald, „Peace“ oder auch dem „Stormy Monday Blues“ und als Zugabe gar „Du lässt dich gehn‘“ von Charles Aznavour, soll hier lediglich „Nimm deinen Kerl zurück, Annette“ von Roger Cicero explizit angesprochen werden. Glücklicherweise fand sich im Publikum eine Annette, die sich vor die Bühne traute und sich Lea Knudsen als Ansprechpartnerin für eine Showeinlage zur Verfügung stellte. Verstärkt durch die Situationskomik und die Bühnenpräsenz Knudsens gelang hier eine besonders umjubelte und sehr persönliche Interpretation. Emotional getoppt wurde diese nur durch die musikalische Liebeserklärung an Knudsens anwesende Schwester Pia „die immer für mich da ist“, wie sie in der Anmoderation bekannte. Besonders eindrucksvoll gerieten aber auch Titel wie das auf Dänisch gesungene Kinderlied „Jeg ved en laerkerede“ mit einer Querflöteneinlage von Norbert Streit, der ansonsten durch dezente Rhythmusbegleitung, leidenschaftliche Improvisationen auf verschiedenen Saxofonen und stilsichere Gesangseinlagen glänzte. Gesangsduette á la „Louis & Ella“, bei Streit mit eindrucksvoll kratzig und rauchig imitierter Armstrong-Stimme, bei Lea mit eloquenter Virtuosität, gehören zu den Kernkompetenzen der beiden Frontleute.

Wo Joe Fessele drauf steht, sind immer auch lateinamerikanische oder kubanische Rhythmen und Stücke mit temperamentvollen, stilsicheren Improvisationen drin. Astor Piazzollas „Libertango“ durfte dabei natürlich nicht fehlen. Anscheinend hat aber das Latin-Virus mittlerweile auch auf Lea Knudsen abgefärbt. Mit Piazzollas „Yo soi Maria“ hinterließ sie, auf Spanisch gesungen, einen nachhaltigen Eindruck mit ihrer spezifischen Liaison aus dänischer Herzlichkeit und der Seele des Tango Argentino. Zwei Zugaben, darunter Louis Armstrongs „What a wonderful world“, rundeten einen gelungenen und unterhaltsamen Wohlfühlabend ab. Einen Abend in gemütlicher, ja in seelenvoller Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens gemeinsam mit lieben Leuten genießen konnte, eben ganz im Sinn des dänischen „Hygge“ und der Maxime „Make Jazz, not War“.

Text und Fotos: Helmut Schönecker