02.02.2024: Hübner-Kraus-Hübner Trio – Jazzclub Biberach e.V.

02.02.2024: Hübner-Kraus-Hübner Trio

Jazzkonzert zu Ehren von Richie Beirachs 75. Geburtstag

Musikalisches Testament mit Freunden

BIBERACH – Gleich zur Eröffnung des eigentlich zusammen mit dem amerikanischen Weltklasse-Pianisten Richie Beirach geplanten Konzertes gewährte das ungewöhnliche Trio aus Joo Kraus und den Brüdern Gregor und Veit Hübner einen unverstellten Blick in den „Werkzeugkasten“ eines Jazzmusikers. Im nahezu ausverkauften Jazzkeller sprühten die drei befreundeten Musiker, die in dieser speziellen Konstellation im Jazzkeller eine Uraufführung hinlegten, geradezu vor Energie. Galt es doch den erkrankten Richie Beirach, mit dem die Hübners (Violine und Kontrabass) zu dessen 75. Geburtstag eine Tripel-CD mit dem Titel „Testaments“ produziert hatten, hochkarätig zu ersetzen.

Die Suche nach einem kurzfristig verfügbaren Pianisten aus der selben Liga blieb leider vergeblich, der befreundete Trompeter Joo Kraus aus Ulm hatte jedoch zufällig Zeit und Lust in dieser so ungewöhnlichen Konstellation aufzutreten, er hatte den Mut oder die Chuzpe auch auf für ihn neuen, ungewohnten Pfaden zu wandeln. Galt es doch, Kompositionen, die ursprünglich für Violine, Klavier und Kontrabass konzipiert waren ohne Anlauf in neuer Besetzung umzusetzen. Unvermittelt konnten die erstaunten Besucher jetzt erleben, dass der renommierte Jazzgeiger Gregor Hübner seine Violine auf dem Flügel parkte und als veritabler Pianist und ehemaliger Klavierschüler von Richie Beirach selbst in die Tasten griff. Die Melodie übernahm dann etwa Joo Kraus an der Trompete, wenn er diese nicht gerade durch diverse Perkussionsinstrumente, Congas, Beatboxing oder wie seine beiden Mitstreiter mit einer ganzen Batterie virtuos gehandhabter elektronischer Helferlein via Fußpedal oder auch durch einen Wechsel an den Flügel ersetzte. Damit brachte er nicht nur spielerische Abwechslung ins Geschehen, er machte so auch ein manches Mal den Weg für Gregor Hübner frei, der dann auf der Violine zeigen konnte, wo seine wahre Leidenschaft liegt. Mit Hilfe der versiert eingesetzten Elektronik entstand immer wieder der Eindruck, es stünde ein ungleich größeres Ensemble auf der Bühne.

Eine der unzähligen Definitionen des Jazz bezieht sich auf die Freiheit, alles wegzulassen, was einem nicht passt (oder das, was eben gerade nicht geht). Ebendies konnte gleich zu Beginn des Konzertes beim Blick in den „Werkzeugkasten des Jazzmusikers“ in Echtzeit beobachtet werden. Die konstruktive Dekonstruktion des bekannten Jazzstandards „Equinox“ von John Coltrane und das kreative und gleichermaßen virtuose Spiel mit dessen Einzelteilen glich der Aufwärmphase eines Profisportlers vor dem großen Einsatz. Als eine der wenigen Fremdkompositionen des Abends gab sie den frühen Hinweis auf ein überaus spannendes, abwechslungsreiches künstlerisches Techtelmechtel zwischen den Musikern. Es folgten in ästhetisierter Form politische Kommentare in „Angry Times“, ein faszinierendes Kontrabass-Solo über ein persönliches Erlebnis von Veit Hübner oder eine ergreifende Elegie auf die kürzlich verstorbene „Heike“. Der musikalische Herzschlag Afrikas in „African Heartbeat“ pulsierte neben quirligen „Impressionen aus Brooklyn“. Indische und lateinamerikanische Einflüsse, Anklänge an die klassische Moderne sowie zahlreiche spontane Ingredienzien kombiniert mit einer gehörigen Portion Spielfreude und Spielwitz kennzeichneten ein reichhaltiges und hochkarätiges Programm, gewissermaßen in historischer Einmaligkeit. Gegen Ende des offiziellen Teiles widmete das spontan gebildete Trio mit dem von ihm komponierten „Sunday Song“ und „Cape of good Hope“ auch noch explizit eine Hommage an den erkrankten Richie Beirach.

Gregor Hübners Kompositionen, oft ursprünglich für sein eigenes Streichquartett komponiert, nahmen in dieser Besetzung ganz neue Gestalt an, kamen frisch und ungeniert im neuen Gewand daher. Veit Hübners Kompositionen, besonders ein ausgedehntes Solo nach der Pause oder sein „Lied für Heike“ gingen in ihrer Intensität unter die Haut. Bei dem experimentell angehauchten musikalischen Abenteuer der befreundeten Musiker kam ein in jeglicher Hinsicht originelles und unvergleichliches Programm heraus. Die Funken sprühten, das Publikum jubelte, die Musiker hatten sichtlich Spaß, eine Zugabe jagte die nächste. Und nach dem Konzert gingen sogar die mitgebrachten Tripel-CDs zur Neige. Einmal mehr erwies sich, dass menschliche Nähe und gegenseitiges Vertrauen gerade bei einer in großen Teilen improvisierten Musik wie dem Jazz Grundvoraussetzung für inspirierte und wahrhaftige Kunst sind. Wohl dem, der das erleben durfte.

Text und Fotos: Helmut Schönecker