28.01.2023: Jugend Jazzt South-West – Jazzclub Biberach e.V.

28.01.2023: Jugend Jazzt South-West

Landeswettbewerb „Jugend Jazzt South-West“ 2023

Wenig überraschend und dennoch kurios

BIBERACH – Entgegen der ursprünglichen Planung waren in der Stadthalle Biberach leider nur noch drei Formationen zum Landeswettbewerb für Jazzorchester um den ersten Platz mit Weiterleitung zum Bundeswettbewerb „Jugend Jazzt“ angetreten. Zu den drei mit einem eintägigen Coaching verbundenen Preisen hinzu kam der im Rahmen der baden-württembergischen Heimattage ausgelobte Sonderpreis der Stadt Biberach für die beste Interpretation einer Komposition des aus Biberach stammenden Komponisten Professor Dr. Thorsten Wollmann. Dementsprechend gab es, bei der vom letztjährigen Bundessieger „Duo Dimension“ umrahmten Preisverleihung, auch nur drei plus einen Sieger zu vermelden.

Die mit Thorsten Wollmann, Kira Linn und Christian Mück hochkarätig besetzte Jury unter dem Vorsitz des Nürnberger Professors für Jazzsaxophon und Mitglied der SWR Bigband, Klaus Graf, hatte bei der Platzvergabe wohl keine Schwerstarbeit zu verrichten. Platz Eins für die laut Jury „sowohl durch hervorragendes Ensemblesatzspiel als auch durch herausragende Solisten überzeugende“, klassisch besetzte und bereits vielfach preisgekrönte Bigband des Karlsruher Helmholtz-Gymnasiums mit einer rund fünfzigjährigen Bandtradition und seit 20 Jahren unter Leitung von Hartmut Petri war wenig überraschend. Waren doch die Bands der Mitbewerber aus Plochingen und Stuttgart deutlich jünger und die gewählten Kompositionen und Arrangements im Schnitt auch weniger anspruchsvoll. Dynamisch differenziertes Spiel, knackige Einwürfe, weite Spannungsbögen, homogene und präzise Unisonopassagen sowie die improvisatorischen Fertigkeiten lagen bei den Karlsruhern schon im semiprofessionellen Bereich. Lediglich dem Schlagzeuger hätte man statt dem kleinen Jazzset ein etwas größeres Fusionset für noch satteren Sound und mehr Power gegönnt.

Als jüngstes Ensemble durfte die Bigband der Stuttgarter Musikschule unter Leitung von Ralf Hesse den geteilten zweiten Preis in Höhe von 1000 Euro in Empfang nehmen. Hier würdigte die Jury neben dem jugendlichen Alter und „akustischen Feinheiten“ besonders die Eigenkomposition „Beach Blues“ der jungen Trompeterin Iria Bierhance-Papaseit. Ebenfalls auf Platz Zwei schaffte es die stark besetzte Bigband des Gymnasiums Plochingen unter Musiklehrer Burkhard Wolf. Ein kompakter, voller Bandsound und mit Jenny Grace eine ungewöhnlich ausdrucksstarke Sängerin konnten hier überzeugen. Besonders mit ihrer Interpretation des von Nina Simone und später durch Michael Bublé bekannt gemachten Musical-Songs „Feeling Good“ erzeugte sie einen regelrechten Gänsehauteffekt.

Da sich die Plochinger Bigband als einzige Formation auch an die durch zahlreiche Tempo- und Rhythmuswechsel gekennzeichnete Komposition „The Groove“ von Thorsten Wollmann gewagt hatte, war ihr der Sonderpreis in Höhe von 2000 Euro schon von vornherein sicher. Hinzu kamen die 1000 Euro für Platz Zwei, so dass sie kurioserweise am Ende mit einem höheren Preisgeld als die Karlsruher mit ihren 2500 Euro für den ersten Rang nachhause gehen konnten. Für den Weltbürger Thorsten Wollmann, der nach langjähriger Tätigkeit im Ausland seit 2019 eine Professur am Jazzinstitut der Berliner Universität der Künste innehat, war der Besuch in Biberach anlässlich seiner Jurytätigkeit eine nostalgische Reise in seine eigene Vergangenheit. War er doch bereits im zarten Alter von acht Jahren auf der Stadthallenbühne im musikalischen Einsatz. Bei der Preisübergabe lobte er neben dem guten Ensemblespiel und der guten Gesangssolistin besonders die Drums- und Mallets-Abteilung der Plochinger Band, gab aber mit dem augenzwinkernden Hinweis auf unterschiedliche Tempi bei Miles Davis in dessen eigenen Interpretationen seines Stückes „Four“, auch seiner Überraschung über das doch recht schnell gewählte Tempo Ausdruck.

Die Preisübergabe wurde musikalisch umrahmt durch die letztjährigen Bundessieger bei „Jugend Jazzt“ und Finalisten des internationalen Biberacher Jazzpreises 2022, dem „Duo Dimension“ mit der Posaunistin Carlotta Armbruster und Schlagzeuger Jonas Heck. Freie Improvisation, spontane Interaktion, klangliche Vielseitigkeit und eine Hommage an Albert Mangelsdorffs „Multiphonics“, dem mehrstimmigen Spiel auf der Posaune, bildeten einen interessanten Kontrast zu den elaborierten Kompositionen der großen Besetzungen.

Text und Fotos: Helmut Schönecker