„Sonore Wandbehänge“ aus Dresden und Berlin gastieren im Jazzkeller
Eric Satie goes Jazz
BIBERACH – Das hätte sich der rebellische Stammvater des Minimalismus und Kubismus, Erik Satie, bestimmt nicht träumen lassen. Fünf junge Jazzmusiker mit dem klingenden Bandnamen „Sonore Wandbehänge“, die zum 150. Geburtstag Saties 2016 ihre erste CD auf den Markt bringen wollen, spielen fast ausschließlich Stücke des französischen Sonderlings, der seinerseits mit seinen Miniaturen den komplizierten Orchesterexzessen seiner Zeit und insbesondere Wagner etwas entgegensetzen wollte. Witzig. Sarkastisch. Sardonisch. Das Publikum im gut besuchten Jazzkeller hatte sichtlich Freude an dem Unterfangen des 2014 für seine Interpretation zeitgenössischer Musik mit dem BASF-eco-Preis prämierten Ensembles.
Selten wurde der philosophische Altmeister Adorno, der nicht nur mit seinem bissigen Lob über Satie („in den schnöden und albernen Klavierstücken Saties blitzen Erfahrungen auf, von denen die Wiener Schönbergschule sich nichts träumen ließ“) sondern auch mit seiner auf weitgehender Unkenntnis beruhenden, wütenden Ablehnung des Jazz offenbar daneben lag, so geist- und humorvoll widerlegt.
Hinter der lässigen Melancholie von Saties berühmter „Gymnopédie No. 1“, die in diversen Soundtracks und Bearbeitungen aufbereitet wurde, geraten seine skurrilen Klavierstücke oft in Vergessenheit. In der Instrumentation der „Sonoren Wandbehänge“ (der Name geht auf ein unveröffentlichtes Musikstück von Satie zurück) und immer wieder um improvisierte Teile erweitert, erwachen die schlichten Stückchen jedoch prickelnd zu neuem Leben. Die „Wandbehänge“ namentlich Frontmann Otto Hirte (sax, fl, cl), Leon Albert (g), Marius Moritz (p), der sich als sympathischer Moderator versuchte, sowie Sebastian Braun (kb) und Halym Kim (dr) geben den Vorlagen – ganz jazztypisch – mal mehr mal weniger Raum, lassen weg, was ihnen nicht zusagt und improvisieren dazu Neues im Idiom des 21. Jahrhunderts. Vor allem aber geben sie den Stücken Saties, ohne diesen ihre Würde und jeweiligen Besonderheiten zu nehmen, neue, teils auch recht komplexe Strukturen und Farben.
Unter den zahlreichen Stücken Saties ragten die zwei Stücke für einen Hund „Seul À La Maison“ (Allein zu Haus) und „Sévère Réprimande“ (Strenger Verweis) besonders hervor. Sie sprachen in ihrer pittoresken Anschaulichkeit für sich, regten die Fantasie der Zuhörer an und brachten nicht nur Hundehalter zum Schmunzeln. Zur Auflockerung gaben die „Sonoren Wandbehänge“ neben Satie auch noch zwei zeitgenössische Kompositionen des rumänisch-ungarisch-österreichischen Komponisten Györgi Ligeti (u.a. Filmmusik zu „Odyssee im Weltraum“) zum Besten. Auch hier erwies sich die Chuzpe der „Sonoren Wandbehänge“, bekannte und charakteristische zeitgenössische Kompositionen ungeniert durch die Brille des Jazzmusikers zu betrachten und auch mal gegen den Strich zu bürsten, als durchaus fruchtbar. Dem kunstsinnigen Publikum hat es jedenfalls gut gefallen.
gez. H. Schönecker