Peter Lehel Quartett am 24. November 2002 im Biberacher Jazzkeller
Entzückender Schön-Jazz mit Tiefenwirkung
Vom ersten rauchigen Saxophonton an zeigte der mehrfach preisgekrönte Peter Lehel im Biberacher Jazzkeller mit seinem Quartett die Klasse, die Kenner der Jazzszene von ihm gewohnt sind und schätzen. In zumeist balladesken Eigenkompositionen, die schönsten davon seiner ungarischen Herkunft verpflichtet, entwickelte der Karlsruher Peter Lehel in beseelten warmen Tönen seine Genre-Kompositionen mit je eigenem Stimmungsgehalt und Profil.
In innigem Miteinander vor allem mit dem ausgezeichneten Pianisten Uli Möck, gefühlvoll getragen von Mini Schulz am Kontrabass und rhythmisch gestützt von Dieter Schumacher am Schlagzeug, musizierte der gerade von einer China-Tournee zurückgekehrte Lehel eindrucksvoll und ausdrucksstark.
Seine koreanischen Impressionen bilden ebenso wie die tief empfundenen ungarischen Musiknummern Highlights in einem insgesamt exquisiten Programm. Dass Lehel damit jedoch nicht nur inhaltsarme Mode-Klischees folkloristischen Kolorits bediente war etwa in der niveauvollen Parodie eines ungarischen Csardas sinnfällig nachzuvollziehen. Ob das gefühlvolle „Schluchzen“ imaginärer Geigen im „Zigeunermoll“, charakteristische Tempomanipulationen wie das finale Accellerando, die ostinaten Quint-Wechsel-Bässe oder andere folkloristische Floskeln, alles wurde nur soweit überzeichnet, dass einerseits die Würde der Vorlage gewahrt blieb, andererseits aber der künstlerisch eigenständige Zugriff und die persönliche Integrität der Interpreten außer Zweifel stand. Gerade hierin zeigte sich die wahre künstlerische Größe, die ein Sujet schon dadurch erhöht und adelt, dass sie dieses aufgreift. Der kosmopolitisch, multikulturelle Ansatz von Lehel findet seine ästhetische Einbindung in einer überaus offenen Perspektive des Jazz als kommunikativem Prozess. Improvisationen stehen hier nicht für einen darstellerischen Selbstzweck narzisstischer Egomanen, sie sind originäre rhetorische Ausdrucksformen und als solche eben auch in dialogische Interaktionen eingebunden. Was hier an anspruchsvoller musikalischer Unterhaltung, besonders zwischen Peter Lehel und Uli Möck, im Stile jazztypischer Dialogimprovisationen stattfand, gehörte zum Feinsten, was in letzter Zeit in Biberach zu hören war. Schade nur, dass lediglich eine kleine Schar von sachverständigen Jazzfans den Weg in den Jazzkeller fanden. So blieb einmal mehr eine vorzügliche Werbung für den Jazz als zeitgemäße – oder gar zeitlose (?) – Musiksprache in ihrem hermeneutischen Insider-Zirkel gefangen.
Von Dr. Helmut Schönecker