22.02.2013: East Drive – Jazzclub Biberach e.V.

22.02.2013: East Drive

„East Drive“ sorgt für den richtigen Drive im Jazzkeller

Folksongs voller Opulenz und Tiefe

BIBERACH – „Seelenverwandtschaft“, so einer der vorgestellten Titel von der neuen CD „Folksongs 2“, umschreibt am besten das künstlerische Erfolgsrezept von „East Drive“, dem als „Power-Quartett Ost“ angekündigten Trio des vielfach preisgekrönten Bodek Janke mit Berklee-Professor Vadim Neselovsky als Gast. Die angekündigte Pianistin und Sängerin Tamara Lukasheva war kurzfristig leider verhindert, so dass der mit Bodek Janke befreundete in New York lebende „Chopin unter den Jazzpianisten“ ihren Platz einnahm. Dass die spritzig unterhaltsame Interaktion so reibungslos funktionierte und dem überaus zahlreichen Publikum im Jazzkeller knapp drei musikalische Sternstunden bescherte, war unzweifelhaft der polnisch-ukrainisch-russischen Seelenverwandschaft der quirligen Musiker zu verdanken.

Bereits mit den ersten Tönen zündeten die vier ein kreatives Ideen-Feuerwerk, das vor Intelligenz und Vitalität sprühte und das enthusiastisch mitgehende Publikum permanent in Atem hielt. Als Vadim Neselovsky, der zuvor dem Steinway virtuos perlende Tonkaskaden und vollgriffige Harmonien entlockt hatte, schließlich seine im Jazz eher ungewöhnliche Melodica hervorholte und pure Emotionen in den Raum blies, waren die verblüfften Zuhörer vollends in den Bann der jugendlich frischen Weltmusik mit Jazzeinschlag geraten.

Die Definition „Jazz ist die Freiheit, alles weglassen zu dürfen, was einem nicht gefällt“ (W. Lackerschmidt) kam hier einmal mehr beispielhafter Form zur Ausprägung. Nahezu alle musikalischen Konventionen wurden suspendiert oder spielerisch verfremdet, teilweise fast atomisiert. Aus den Bruchstücken von Themen, Motiven oder rhythmischen Patterns wurden großartige neue Strukturen gebildet und in größtmöglicher Spontaneität auch gleich wieder zerschlagen und umgruppiert. Was eben noch ein harmloses Begleitmotiv schien, war im nächsten Moment konstituierender Baustein eines mächtigen Klanggebäudes. Sentimentale balkanisch-ukrainisch-russische Volksliedmelodien wurden verquirlt und eingeschmolzen um schließlich doch immer wieder aus dem „feinen Süppchen“ (so ein weiterer Titel aus der präsentierten CD) an die Oberfläche zu driften und als Ohrwürmer ein Eigenleben zu führen. Vitaliy Zolotov, der überaus feinsinnige ukrainische Komponist und Gitarrist der Formation, lieferte das Rezept für dieses leckere Süppchen, das durchaus Appetit auf mehr machte. Auch der mit leichter Hand souverän groovende Bassist Philipp Bardenberg steuerte mit „Ratka Mitrovi?a“ und „Sam“ zwei Kompositionen zum Geschehen bei. Herausragend war jedoch das Wiegenlied „Kolybel’naya“ seiner Moskauer Tante Tatjana Kamysheva und vor allem die Olivia Trummer gewidmete Komposition Bodek Jankes „Tangolivia“. Ein Meisterwerk der Parodie und Verfremdung und dennoch ein intimes Bekenntnis voller Anmut, Würde und tief empfundener Leidenschaft. Janke, der vom Schlagzeug aus die musikalische Regie führte, machte sich damit auch unzweifelhaft zum kreativen Kopf der Truppe, die in ihrer bewundernswerten Spielfreude natürlich auch mit Zugaben nicht geizte.

 

gez. Schönecker