21.10.2016: nic demasow – Jazzclub Biberach e.V.

21.10.2016: nic demasow

„Nic demasow“ im Jazzkeller

Vom atmosphärischen Rauschen zur Musik der Welten

BIBERACH – Ein interessiertes und aufmerksames Publikum im Jazzkeller ließ sich bereitwillig mitnehmen auf eine Reise ins noch weitgehend unbekannte Reich der „Musik 4.0“. Dekonstruktion und Neuaufbau nach eigenen gut nachvollziehbaren Kriterien dürften die kompositorischen Verfahren des Darmstädter Trios um Martin Sadowski mit dem Kunstnamen „nic demasow“ wohl am besten charakterisieren. Auf dieselbe Weise, passend zur Musik, entstand denn auch der Bandname aus den Anfangssilben der Namen ihrer Mitglieder.

Als Hommage an Terry Riley, einen der wichtigsten Vertreter der „Minimal Music“ der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, trug der Opener des Konzertabends den Titel „In C“. Wie in der berühmten Vorlage rankte sich auch hier alles um den Zentralton c, womit sich aber die konkreten Gemeinsamkeiten schon erschöpften. Wie im musikalischen Minimalismus, der sich selbst als Reaktion auf die bis dahin dominierende, hochkomplexe und oft sehr abstrakte serielle Musik verstand, zerlegen auch der in Darmstadt lebende Martin Sadowski mit Biberacher Wurzeln mit seinen beiden Mitstreitern an Saxofon und Schlagzeug, Denise Frey (Sopran- und Alt-Saxophon) und Nico Petry (Schlagzeug), die Musik erst einmal in kleinste Patterns und Motive um diese dann zu neuen Strukturen zu formieren, zu neuem Leben zu erwecken, in neue Zusammenhänge zu bringen.

Unter massivem Einsatz elektronischer Klangmanipulatoren und – im Fachjargon oft auch als „Tretminen“ bezeichneten – Multieffektgeräten wurde das Instrumentalspiel des Trios oft nur noch als Materialquelle für die digitale Weiterverarbeitung benutzt. Sequenzierung, Verwendung von Mehrfach-Delays, ein sich permanent wandelndes Kontinuum zwischen Geräusch und harmonischem Klang, komplexe Übereinanderschichtungen rhythmischer, melodischer und harmonischer Motive erzeugten eine räumliche Tiefe und Intensität der Musik, die bei aller Vielfalt und mitunter psychedelischen Unbestimmtheit doch erstaunlich hohen Wiedererkennungswert und harmonische Ausgewogenheit erzielten. Dem ästhetischen Ideal der „Einheit in der Mannigfaltigkeit“ wuchs hier eine überraschend zeitgemäße Bedeutung zu. Weitere Titel wie „Raga“ in einem „Mash-Up“ mit „Reggae“ oder „1984“ in Anlehnung an Haruki Murakamis Kultroman „1Q84“ legten davon ebenso Zeugnis ab wie die Rückbeziehung auf „Bach“, „Samba“ oder „D’n’B“ (Drum & Bass) in den gleichnamigen Kompositionen Sadowskis.

Ein manches Mal auch an Filmmusik erinnernd („Cinematic“) entstand eine neuartige Musik, die zum Davonschweben einlud, zur Reise durch die Tiefen des Weltalls, vorbei an unbekannten Welten mit unbekannten Klängen und Farben. Unbekannte aber dennoch hörbar organisierte Welten mit einer schier grenzenlosen Vielfalt und je eigenen Galaxien mit immer neuen Formen und Schattierungen ließen diese Reise überraschend kurzweilig und unterhaltsam erscheinen. Der Strahlantrieb dieser Reise ins Unbekannte wurzelte einerseits in einem elementaren, digital vermittelten Spieltrieb, andererseits aber auch in immer wieder aus der Tiefe aufsteigenden Grooves und Rhythmuspatterns, besonders vom klangmächtigen 6saitigen E-Bass Sadowskis. Diese Patterns aus Blues, Rock oder Funk waren es denn auch vor allem, welche die nic-demasow’sche Musik erdeten und ihre Teile zusammen und vielleicht auch das Publikum auf der langen kurzweiligen Reise durch einen fantastischen Kosmos bei der Stange hielten. Jedenfalls wurden die drei hörenswerten Künstler nicht ohne Zugabe wieder in ihre Parallelwelt mit den zwei Monden entlassen.

gez. H. Schönecker