Der Jazzclub präsentierte: Boogaloo mit Crime Jazz
„Kriminelle“ Umtriebe in der Theaterkneipe
Im Chicagoer Gangster-Outfit, mit gefährlichen Blicken aus den Augenwinkeln, mit furchteinflößenden Reden und markerschütternden „Todesschreien“, mit Blaulicht auf der Hammond-Orgel, Pistolenschüssen vom Band und anderen Ingredienzien inszenierte die Revolverlady Ruth Görig mit ihren vier Männern einen recht unterhaltsamen, dabei mäßig spannenden Clubabend in der gut besetzten Biberacher Theaterkneipe „Applaus“. Woran es letztlich lag, dass der Funke lange Zeit nicht so richtig überspringen wollte, ist schwer zu sagen. An der fehlenden Animation durch die Frontfrau am rotzig-frech klingenden Tenorsaxophon lag es sicherlich nicht. Wilde Saxophon-Improvisationen, Tanz- und Gesangseinlagen, launige Moderation der einzelnen Titel, gar einer Solo-Polonaise durchs Publikum und wiederholten Aufforderungen sich klatschender Weise oder gar chorisch zu engagieren lockten das Publikum nur kurzzeitig aus der Reserve. Blueslastige, teilweise brillante solistische Einlagen des ausgebufften, mit allen musikalischen Wassern gewaschenen britischen Hammond-Orglers, Martin Johnson, des temperamentvoll groovenden sizilianischen „Abkömmlings eines Mafiabosses“ am rudimentären Schlagzeug, Christoph Sabadino oder auch des agilen Kontrabassisten Christoph Sauer boten durchaus Anlass zum intensiveren Hinhören. Den sachdienlich agierenden Thomas Kraus an der E-Gitarre ließ das alles gangstertypisch völlig cool.
Die Wahl der Musikstücke, meist mehr oder weniger bekannte Film- oder Schlagermelodien mit entsprechendem Potential an kriminell-gefährlichen Assoziationen, stimulierenden Tremoli, chromatisch durchsetzten dramatischen Motiven, schwer lastenden Mollakkorden, straffen Tango- oder Boogaloo-Rhythmen in geradtaktigen Metren und sphärischen Klängen erschien für die gewählte Programmatik ebenfalls gelungen. Erinnerungen an Jack the Ripper, Miss Marple, Kommissar Maigret, James Bond, Tatort- und andere Krimihelden sind aber vielleicht auch mit gemütlichen Fernsehabenden, mit Bier, Chips und hochgelegten Beinen verbunden und lösen beim Zuhörer somit auch entsprechende Reaktionen aus. Die enge Rollendefinition der Musiker sowie die damit verbundene etwas einseitige Ausdruckswelt schien ein Übriges dazu beizutragen: ein zu einseitiges Nischen-Programm kann, Marktlücke hin oder her, auch fesseln und knebeln.
Mit feinem Gespür hat die Boogaloo-Chefin Ruth Görig dies bei all ihren kriminellen Machenschaften wohl auch registriert. Mit der tapfer erklatschten Zugabe wollte sie denn auch die kriminelle, fernseh-unterhaltungslastige Sphäre ihres Programms bewusst verlassen und den braven Zuhörern noch etwas Liebe mit auf den Nachhauseweg geben. Befreites Aufatmen signalisierte: Wohl getan.
Gez. Dr. Helmut Schönecker