20.10.2023: Stefan Schöler Trio – Jazzclub Biberach e.V.

20.10.2023: Stefan Schöler Trio

Stefan Schöler Trio mit Finn Wiest im Jazzkeller

Erlesener Trio-Jazz zum Hinhören

BIBERACH – Dem fleißigen Konzertbesucher bot sich in den letzten Jazzkonzerten im Rahmen der Biberacher Heimattage-Konzertreihe ein vertiefter und vergleichender Einblick in die Welt des Klaviertrios, der wohl beliebtesten Besetzung des Jazz überhaupt. Vor vollbesetztem Haus offenbarte jetzt das Stefan-Schöler-Trio mit dem aus Biberach stammenden Ausnahme-Drummer Finn Wiest im Jazzkeller eine durchaus der Avantgarde der Szene zuzuordnende Meisterleistung. Finn Wiest studiert derzeit mit einem Master-Stipendium in New York, dem Mekka des Jazz, und bestritt sein heimatliches Gastspiel mit seinem alten Trio aus den Kölner Studienjahren in bester Spiellaune.

Der nordrhein-westfälische Pianist und Komponist Stefan Schöler, nach seinem Klavierstudium in den Niederlanden und in Schweden vor allem in diversen Triobesetzungen international unterwegs, steht für einen höchst individuellen Zugang zum Jazz und zur Jazz-Improvisation. Nach klassischer Ausbildung und großen Vorbildern wie Keith Jarrett, Carla Bley oder Herbie Hancock hat er zu einem ganz eigenständigen Personalstil gefunden. Niemals überladen oder in kontemplativer Selbstdarstellung versunken, lässt er, trotz herausragender Virtuosität und munter sprudelndem Ideenreichtum seinen Mitspielern viel Raum für deren eigene Einfälle. Gepaart mit spielerischer Interaktion auf Augenhöhe und einer stringenten Dramaturgie der Stücke führte dies zu einer hohen kommunikativen Dichte und komplexen Vielschichtigkeit, die aktives und konzentriertes Hinhören erforderte und nichts mit dem „Easy-Listening“ eines für die Hotel-Lobby tauglichen „Smooth-Jazz“ zu tun hat. In kammermusikalischer Transparenz agierten hier drei Solisten mit viel Leidenschaft in gegenseitigem Respekt und auf gleicher Wellenlänge. Die stilistische Bandbreite dabei war enorm. Ob nervöser Bebop, wilder Free Jazz, quirliger Modern Swing oder relaxter Neobop, ob romantische Ballade mit melodramatischem Tiefgang, heiter beschwingtem Jazz Waltz (Kleiner Walzer), tiefsinniger Vertonung von Psalmen (Psalm 116, Johannes 16,33) oder in der rasanten Rastlosigkeit wilder und ausgedehnter Solo-Improvisationen, der individuelle Zugriff und die spezifische Trio-Charakteristik wurden genreübergreifend immer deutlich.

Schölers Kompositionen aus der 2021 produzierten CD „Wiedersehen“ dominierten das Biberacher Programm. Ausgewählte, gegen den Strich gebürstete Standards aus dem „American Songbook“, zum Ende des ersten Sets etwa Cole Porters „All of you“, jahreszeitlich passend das auf einem französischen Chanson beruhende „Autumn leaves“ im zweiten Set oder die als zweite Zugabe gespielte Ballade „My foolish heart“ rundeten die breitgefächerte Stückauswahl ab. Durchaus zeitkritisch gemeinte, neuere Kompositionen des Bandleaders, wie das zur Eröffnung gespielte „Spiellied“, „Bikini“ oder „Gelbe Blumen“, ergaben schon mal einen Vorgeschmack auf die kommendes Jahr erscheinende neue CD.

Besonders lang anhaltenden Beifall erhielten zwei ausgedehnte Schlagzeugsoli von Finn Wiest. Technisch perfekt mit treibendem Groove und scheinbar völlig unabhängig voneinander agierenden Armen und Beinen entwickelte sich eine grandiose Performance, die große Augen und offene Münder beim begeisterten Publikum verursachten, sich im äußerst reduzierten Mienenspiel des hoch konzentrierten Schlagzeugers aber kaum widerspiegelte. Lukas Keller am Kontrabass gefiel, neben gelegentlichen virtuosen Walking-Bässen und perfektem Timing besonders durch seine plastisch-melodischen Soli mit denen er sich immer wieder aus der nur dienenden Funktion in den Vordergrund spielen konnte. Alles in allem wurde dem begeisterten Publikum hier Trio-Jazz der Extraklasse geboten. Getoppt allenfalls von dem demnächst in der Stadthalle spielenden Dieter-Ilg-Trio.

Text und Fotos: Helmut Schönecker