18.11.2022: Lorenzo Petrocca Italian Organ Trio – Jazzclub Biberach e.V.

18.11.2022: Lorenzo Petrocca Italian Organ Trio

Locker-leichter Soul mit italienischem Flair

Petroccas melodienseliges Italian Organ Trio im Jazzkeller

BIBERACH – „Konzert für Schlagzeug und Begleitband“ hätte auf den ersten Eindruck das Motto der Veranstaltung im Jazzkeller der Bruno-Frey-Musikschule lauten können. Dominant in mehrfacher Hinsicht war er nämlich, der Mailänder Schlagzeuger Tommaso Bradascio mit sizilianischen Wurzeln. Mittig auf der Bühne platziert, zwischen seinen feinfühligen Mitspielern an der warm und einschmeichelnd klingenden Gibson-Gitarre des Wahlstuttgarters Lorenzo Petrocca und der im unverwechselbaren Hammond-Leslie-Sound vernehmbaren Viscount-Legend-Orgel stand er auch ohne elektrische Verstärkung akustisch im Mittelpunkt des Geschehens. Temperamentvoll, leidenschaftlich, hoch virtuos und voll überschäumender Spielfreude bildete er das nimmermüde Kraftwerk des „Italian Organ Trios“. Der Turiner Organist Alberto Marsico, den Formablauf und die Grammatik der Stücke fest im Blick, musste ihn ein manches Mal gar durch laute Zurufe aus seinen Exerzitien heraus zur Ordnung rufen.

Hatte man sich aber einmal um das Schlagzeug „herum“ gehört oder hatte Bradascio von den Sticks gelegentlich auf die Jazzbesen gewechselt, offenbarte sich der locker-leichte italienische Stil mit seinen plastischen und gestaltkräftigen Motiven und Melodien erst so richtig. Der aus der Pythagoras-Stadt Crotone in Kalabrien stammende Lorenzo Petrocca, der in seiner Jugend übrigens auch schon württembergischer Boxmeister war, pflegt mittlerweile einen abgeklärten, sensiblen Stil mit weichem aber vollem Gitarren-Sound. Dieser eignet sich in hervorragender Weise um die überwiegend italienischen Melodien, die „Canzoni Italiane“ oder auch seine melodischen Eigenkompositionen wie das vor der Pause erklingende rasante „Cromatism“ zu interpretieren. Und an schönen Melodien und Ohrwürmern litt das illustre Programm wahrlich keinen Mangel. „Parla piu piano“ aus „Godfather“, besser bekannt als Titelmelodie und Ohrwurm aus „Der Pate“, eine soulige Version des italienischen Gassenhauers „O Sole Mio“ als „O Soul Mio“ oder das unsterbliche „Nessun Dorma“ von Puccini ließen dem melodieseligen Zuhörer wohlige Schauer auf den Rücken laufen. Mit diesen bekannten und berührenden Melodien im Ohr erschlossen sich aber auch die interaktiv-improvisatorischen Umspielungen und Variationen derselben umso unmittelbarer. Bereinigt um den Schmalz unzähliger Coverversionen, klanglich etwas verfremdet, rhythmisch geschärft und versehen mit einer farbig erweiterten Harmonik erwachten die längst totgeglaubten Evergreens zu neuem Leben und versöhnten mit dem zumindest direkt vor der Bühne leider nicht ganz so ausgewogenen Gesamtklang.

Spätestens mit dem enthusiastischen Schlussapplaus und dem als Zugabe gespielten Bis-Blues war im stimmungsvoll dekorierten Jazzkeller aber wieder alles im Lot, und dass Petrocca bei all der Spielfreude und Begeisterung trotz der anbrechenden Vorweihnachtszeit vergessen hatte, auf die mitgebrachten CDs hinzuweisen, hinderte kaum jemanden am Kauf derselben.

Text und Fotos: Helmut Schönecker