18.03.2011: Wolfgang Lackerschmid & Stefanie Schlesinger – Jazzclub Biberach e.V.

18.03.2011: Wolfgang Lackerschmid & Stefanie Schlesinger

Lyric Jazz mit Wolfgang Lackerschmid & Stefanie Schlesinger

Musikalisch-poetische Aphorismen – raffiniert gewürzt und sinnlich dargeboten

BIBERACH – Die Biberacher Stadtbücherei wurde am Freitagabend in einer Veranstaltung des Jazzclubs zum Musentempel an der Schnittstelle zwischen Musik und Literatur. „Lyric Jazz“, vom renommierten Augsburger Künstlerpaar Wolfgang Lackerschmid (Vibraphon, Komposition) und Stefanie Schlesinger (Gesang, Komposition) mit lyrischen Texten von Brecht, Rilke, Lüpertz, Dempf und – etwas weniger lyrisch – von Mozart mit der Ausdruckstiefe und dem Anspruchsniveau von Kunstliedern dargeboten, erfreute und begeisterte ein bunt gemischtes, illustres Publikum im überaus passenden Ambiente des alt-neuen Gebäudes inmitten von Literatur und Vergeistigung.

Geistigem Kraftfutter gleich inspirierten die vitalen Konzentrate von Brechts „Pflaumenbaum“ oder dem „Plärrerlied“ über das von ihm eher ungeliebte Augsburger Volksfest in der poetischen Brechung ihrer Neuvertonung mit ähnlicher Wucht und Wirkungsmächtigkeit wie zu ihrer Entstehungszeit. Kraftvoll und überzeugend, sublim und humoristisch kamen auch die von Peter Dempf neugetexteten und von Lackerschmid vertonten Nummern aus der aktuellen Inszenierung des Augsburger „S’ensemble-Theaters“, dem Musiclett „Jetzt ist er tot, der Hund“ über die Liebe zwischen Bert Brecht und Paula Bannholzer mit Stefanie Schlesinger in der Hauptrolle. Die von Stefanie Schlesinger anmoderierte Nummer über die Verbannung von Paula ins Allgäuer Kimrazhofen, das nach deren Brief an Brecht „vom Nabel der Welt so weit entfernt ist, wie der große Zeh vom Verstand“ bot einen amüsanten Einblick in die Kompositionswerkstatt des Duos. Sprachklang, -rhythmus und -melodie geben der musikalischen Idee im Rahmen des gewählten Genres Form und Gestalt. Die anfängliche „Ladehemmung“ bei der Vertonung des Wortes „Kimrazhofen“ löste sich schließlich unter dem Zeitdruck der bevorstehenden Aufführung in einer jazzigen Persiflage im schwäbischen Sprachidiom in Wohlgefallen auf.

Köstlich auch die Vertonung von Mozarts letztem Brief an sein Augsburger Bäsle, „Bäsle Adieu“, von Stefanie Schlesinger. Die deftige Sprache („Sauschwanz von Drecken“) des genialen Komponisten mit den Augsburger Wurzeln löste bei ihrer Vertonung auch eine gänzlich neue Sichtweise auf viele andere Kompositionen Mozarts aus, unmittelbar demonstriert durch Lackerschmids eigenwillige Adaption der Cherubino-Arie aus Mozarts „Figaro“ für Vibraphon und Stimme. Und was für einer Stimme. In einer Mixtur aus Jazz & Kabarett mit lyrisch-warmem Sopran-Timbre interpretierte die auch in klassischem Gesang ausgebildete Stefanie Schlesinger die berühmte Hosenrolle unter völligem Verzicht auf große Opernattitüde in sympathischer, ganz natürlich wirkender, nuancenreich differenzierter Expressivität, in erfrischender Weise gegen den Strich gebürstet.

Als Zugaben gab es schließlich noch eine Hommage ans traditionelle Jazzpublikum mit Irving Berlins Jazzklassiker „Cheek to cheek“ und Antonio C. Jobims „Dindi“ in urbaner Weltläufigkeit á la Ritz nach Mitternacht zu hören, genau das Richtige zum entspannten Loslassen auf dem Weg ins Wochenende.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker