„Heartstrings“ – Classic meets Jazz
Isoldes Lamento vor vollem Haus
BIBERACH – Mit ihrer Konzeptformation „Heartstrings“ lockte die Ulmer Komponistin, Gitarristin und Sängerin auf Einladung des Jazzclubs zahlreiche Fans in den Biberacher Jazzkeller. Die ungewöhnliche Besetzung aus Violine, Cello, Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug ergab denn auch nicht nur eine aparte Klangkulisse sondern stand für das anspruchsvolle Bandkonzept, Klassik und Jazz zusammen zu bringen. Der renommierte amerikanische Jazzschlagzeuger Bill Elgart, seit vielen Jahren in Ulm lebend, stand dabei mit seinen 69 Jahren zusammen mit dem erst 20jährigen Biberacher Kontrabassisten Matthias Werner primär für den jazzigen Anteil der Stilmischung, während Violine (Uli Karlbauer) und Cello (Veronika Frauendienst) auch in ihrer Spiel- und Zugriffsweise für den klassischen und ausnotierten Part standen. Das Bindeglied dieser grundverschiedenen Welten verkörperte die Bandleaderin Isolde Werner, die mit diversen Gitarren und eher neutral gehaltener Singstimme die divergierenden Sphären auch klanglich zusammenhielt.
Keine leichte Aufgabe war es jedoch, den musikalischen Zusammenhalt zwischen so breit gefächerten musikalischen Inspirationen und Sinnwelten zu stiften. Vielleicht war die anfängliche Angespanntheit und Unsicherheit Isolde Werners, auch in der etwas holprigen Moderation, der unbewusste Ausdruck dieser bevorstehenden Sisyphusarbeit. Piazolla-Tangos und freie Improvisationen, Barock und Moderne, Gefühl und Verstand waren zusammen zu zwingen. Wo letztere sich im Gleichgewicht befinden, so eine geläufige Definition von Strawinsky, herrscht Klassik.
Sinnfälliger konnte Isolde Werners Konzept, klassische Musik mit Jazz zu verbinden, jedenfalls gar nicht werden, als in der direkten Gegenüberstellung des Lamentos der tragischen Königin Dido aus Henry Purcells barocker Oper „Dido und Aeneas“ aus dem späten 17. Jahrhundert und dem, durch die junge Judy Garland Ende der 1930er Jahre berühmt gemachten „Somewhere over the rainbow“ aus dem Film „Der Zauberer von Oz“. Beide Stücke leben aus den intensiven Affekten besonders ihrer Melodik und beziehen ihre ursprüngliche musikalische Bedeutung und Wirkung aus der dramaturgischen Funktion im Werk. Während das chromatische Lamento der unglücklich verliebten Dido, der Gründerin von Karthago, über die Abreise des geliebten Aeneas, dem späteren Gründer von Rom, jedoch einem tragischen Helden-Ende zustrebt, markiert Dorothys heiter-sentimentales und diatonisch-schlichtes Aufwachlied das Happy End einer harmlosen Kindergeschichte im Traumland hinter dem Regenbogen. Die beiden so gegensätzlichen Ausdruckswelten schienen in der Interpretation durch Isolde Werners „Heartstrings“ fast gänzlich aufgehoben. Während man im Lamento die seelische Zerrissenheit einer aufgewühlten, verzweifelten Dido vermisste, fehlte – erfrischender weise – in „Somewhere over the rainbow“ das falsche Sentiment aus dem überstrapazierten Hollywood-Schinken. Der Zusammenhalt von Klassik und Jazz durch Isolde Werners Gesang und Gitarrenspiel erschien jedoch, vielleicht auch aufgrund einer suboptimalen Tagesform, nicht unbedingt zwingend. Es entstand kein Classic Jazz, auch keine jazzige Klassik und eben auch keine echte Fusion. Unterhaltend und erfrischend andersartig war das Resultat aber auf jeden Fall. Das Publikum war jedenfalls begeistert und wollte gleich zwei Zugaben, von denen es jedoch – leider – nur eine bekam.
Gez. Dr. Helmut Schönecker