15.04.2016: Beat Kaestli & Walter Fischbacher Trio – Jazzclub Biberach e.V.

15.04.2016: Beat Kaestli & Walter Fischbacher Trio

Gediegene Unterhaltung auf Weltklasse-Niveau

Alpenländische Urgesteine auf Heimaturlaub

BIBERACH – Die alpenländischen Urgesteine, Beat Kaestli aus Bern und Walter Fischbacher aus Wien mit seinem international besetzten Trio, seit vielen Jahren als Fremdenlegionäre in den Staaten und auch weltweit in Sachen Jazz unterwegs, erfreuten auf Einladung des Jazzclubs beim Freitagskonzert zahlreiche Fans des eher traditionell gehaltenen Vocal Jazz. Gehobene Stimmung und zufriedene Gesichter bei Publikum und Musikern gleichermaßen, reißender CD-Absatz sowie gleich zwei Zugaben zeugten von einem erfolgreichen Konzertabend.

 

Mit gelegentlichen Scateinlagen aufgelockert, entführte die samtig einschmeichelnde Stimme des seit seinem Studium an der Manhattan School of Music (1993) in NY lebenden Beat Kaestli die Besucher im voll besetzten Jazzkeller in die Welt der großen Swing-Entertainer der 1930er und 40er Jahre. Mit einem Stipendium der Ella Fitzgerald Stiftung drückte Kaestli vor rund 10 Jahren an der Aaron Copland School of Music in Queens nochmal die Schulbank und beendete sein Zweitstudium mit einem Master Degree. Als favorisierter Sänger des legendären Glenn Miller Orchesters und „Kulturbotschafter“ der Schweiz tingelte er fortan einige Jahre um die Welt. Gerade erst zurück von einer Nordafrika-, Indien- und Kalifornien-Tournee zeigte der weitgereiste Tausendsassa im Rahmen seiner CD Releasetour „Live in Europe“ auch im beschaulichen Biberach seine hohen Entertainment-Qualitäten. Sein drolliges Schwyzerdütsch ließ dabei die launigen Moderationen nicht minder interessant als seine Stücke erscheinen.

 

Neuinterpretationen und Arrangements von Oldies, wie etwa der als Opener gebrachte Titel „Blackbird“ von den Beatles, das Romberg/Hammerstein-Evergreen „Softly as in a morning sunrise“, dem Jazzstandard „Body & Soul“ oder Gershwins „Summertime“ sowie eingängige Eigenkompositionen in Schlagerqualität, verblieben dabei weitgehend im traditionellen eklektischen Stil. Eine für August geplante CD Release-Show im legendären New Yorker Jazzclub „Birdland“ zeigt dabei, dass er mit seinem nicht gerade in der vordersten Jazz-Avantgarde angesiedelten Stil durchaus den Geschmack des breiten (amerikanischen) Publikums trifft. Eine Neuinterpretation der Volksweise „La Haute sur la montagne“ über ein altes Chalet in der Romandie ragte als Highlight heraus und ging in ihrer intensiven Emotionalität direkt unter die Haut.

 

Das fachkundige Biberacher Publikum, erkannte zur Überraschung des Sängers die beiden Disco-Titel aus den 90er Jahren, die er zu einem neuen Arrangement verquirlt hat. Die Nennung der Originaltitel und Interpreten („Here Comes the rain Again“ von den Eurhythmics und „Missing“ von Tracey Thorn und Ben Watt die als Popduo „Everything but the Girl“ auftraten) brachten der Gewinnerin eine kostenlose CD mit Autogramm ein.

 

Auf der mitgebrachten PA-Anlage lieferte das „Walter Fischbacher Trio“ einen Spitzen-Sound, der besonders dem erstaunlich gut klingenden Mikro-Schlagzeug des gebürtigen Österreichers und Wahl-New Yorkers Andy Winter zugutekam. Auch am Bass-Sound des tschechischen Kontrabassisten Petr Dvorsky, der als mehrfacher Preisträger internationaler Wettbewerbe auch als Mitglied der Bigband des Tschechischen Rundfunks, Begleiter von Ingrid Jensen und Wynton Marsalis sowie als Redakteur der Jazz-Zeitschrift JAM tätig ist, gab es nichts zu mäkeln. Kraftvolle, inspirierte Klavierimprovisationen kamen von  Bandleader Walter Fischbacher, der vor Veranstaltungsbeginn kurzerhand auch dem Kawaiflügel noch eine neue Stimmung verpasste. Der „Super-Funky-Man“, der in NY auch ein Tonstudio betreibt, kam nach einer klassischen Ausbildung als Konzertpianist zum Jazz und ist seither gefragter Sideman (Randy Brecker, Chico Freeman, Ingrid Jensen). Sein souveränes Klavierspiel und die, trotz ihrer Virtuosität eher abgeklärt und unterkühlt wirkenden, dabei stilistisch äußerst vielseitigen Improvisationen setzten immer wieder Höhepunkte und erhielten verdienten Szenenapplaus.

 

 

gez. H. Schönecker