14.06.2013: Rainer Böhm & Johannes Enders – Jazzclub Biberach e.V.

14.06.2013: Rainer Böhm & Johannes Enders

Böhm & Enders im Jazzkeller Biberach

Von konzentrierter Entspannung zu entspannter Konzentration

Biberach (sz) – Freitagabend heißt für die meisten berufstätigen Menschen entspannter Wochenausklang, zwanglose Unterhaltung, aktives Kontrastprogramm und willkommene Abwechslung zum oft stressigen Berufsalltag. All das wurde den zahlreichen Konzertbesuchern im Biberacher Jazzkeller bei Rainer Böhm (Klavier und Komposition) und Johannes Enders (Saxophon) am vergangenen Freitagabend geboten.

Den beiden vielfach preisgekrönten Musikern gelang mühelos der Spagat zwischen komplexen Strukturen, Rhythmen und Harmonien einerseits und einfühlsamen Improvisationen, starken Affekten und therapeutischen Meditationen andererseits. Meist mit Eigenkompositionen von Rainer Böhm aber auch mit gut ausgewählten Standards abseits des Jazz-Mainstreams, wie etwa Sam Rivers rasanter Boptitel „Beatrice“, fanden die beiden unmittelbar den Weg in das Innerste ihres Publikums. Wer wegdriften wollte, konnte dies tun, ohne mit verstörenden Lautstärkeunterschieden oder abrupten Brüchen rechnen zu müssen. Versunkene Kontemplation mit geschlossenen Augen gab es nicht selten im zahlreich erschienenen Publikum zu beobachten. Wer in den inneren Kreis der intelligent gemachten Musik vordringen wollte, musste freilich von der konzentrierten Entspannung erst den Weg zu entspannter Konzentration finden. Der äußere Wohlklang der höchst abwechslungsreichen Stücke musste durch einschmeichelnde Saxophon-Kantilenen in samtig weichen Tönen oder glasklar perlende Klavierkaskaden aktiv hindurch stoßen um zu den substanziellen Kernaussagen, zur eigentlichen Message der Musik zu gelangen. Dort fand sich eine urbane Virilität und gestalterische Kraft in kammermusikalischer Dichte, die den Anschluss an die musikalische Avantgarde dokumentierte. Dort fand sich aber auch eine aufs Allernotwendigste reduzierte innere Romantik in gediegenen Formen und geläuterten Emotionen – in kammermusikalischer Transparenz. Der aus Ravensburg stammende Ausnahmepianist Rainer Böhm, der übrigens schon öfter in Biberach zu hören war und bald wieder mit dem Dieter Ilg Trio in der Stadthalle aufspielt, lebt mittlerweile in Köln und unterrichtet neben seiner regen Konzerttätigkeit unter anderem an der Hochschule für Musik in Mainz. Wer seine musikalische Entwicklung verfolgt, erlebt einen hochinteressanten Prozess, der durchaus Einflüsse von Dieter Ilg erkennen lässt und der dem Jazzpianospiel durchaus neue Impulse zu geben vermag.

Die gereifte Abgeklärtheit des Duos in Kombination mit hochvirtuoser Behändigkeit ergab eine mitunter fast bestürzend machende Spannung, welche die permanente Erfindung und Entwicklung musikalischer Ideen in atemlos machender Stringenz voranpeitschte und den Hörer geradezu magisch ins Gravitationszentrum dieses eigenwilligen und innovativen Musikuniversums hinein wirbelte. Obwohl dieser Prozess für sensible Hörer durchaus anstrengend werden konnte, mussten die beiden Künstler dem kundigen Publikum gleich zwei Zugaben geben.

gez. H. Schönecker