12.12.2014: Marialy Pacheco & Joo Kraus – Jazzclub Biberach e.V.

12.12.2014: Marialy Pacheco & Joo Kraus

Marialy Pacheco und Joo Kraus im Jazzkeller

Nur wer wagt, gewinnt – Biberacher Sternstunde des Jazz

BIBERACH – Beide sind sie vielfach ausgezeichnete Ausnahmekünstler. Joo Kraus ist unter anderem Echopreisträger als bester Trompeter Deutschlands. Die in Deutschland lebende, kubanische Pianistin Marialy Pacheco erhielt vor zwei Jahren und als erste Frau überhaupt den begehrten Montreux Jazzfestival Award als beste Jazzpianistin. Und das, obwohl oder auch gerade weil sie zunächst als klassische Konzertpianistin ausgebildet wurde. Aus einem zufälligen Treffen in Baden-Baden resultierten eine gemeinsame Aufnahmesession in den renommierten Bauerstudios und einige gemeinsame Titel auf Pacheros neuester CD „Introducing“. Und jetzt auch noch ein gefeierter Auftritt im Jazzkeller.

 

Für das Konzert in Biberach traten die beiden erstmals (!) als Duo auf, ohne Netz und doppelten Boden. Für die Premierengäste im ausverkauften Jazzkeller wurde das Event zu einer Sternstunde des Jazz, sie durften dieser lustvollen musikalischen Kontaktaufnahme exklusiv beiwohnen. In der intimen Atmosphäre des Jazzkellers, in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den weitgehend akustisch spielenden Künstlern entstand schnell eine unmittelbare emotionale Verbindung zwischen Musikern und Hörern. Das Fehlen von Bass und Schlagzeug ließ die komplexen Interaktionen des neuen musikalischen „Traumpaares“ transparent und unmittelbar greifbar werden.

 

Nach einer solistischen Einleitung von Marialy Pacheco, in der sie eindrucksvoll demonstrierte, welches spieltechnische und gestalterische Repertoire ihr zur Verfügung steht, lebten die beiden ihre musikalischen Vorlieben aus, griffen jazztypisch auf Vorlagen aus anderen Bereichen der Popularmusik zurück. Stings „Englishman in New York“ wurde ungeniert adaptiert, gegen den Strich gebürstet, verarbeitet und als relaxte, moderne Jazznummer mit frischen Improvisationen neu inszeniert. Ausgewählte Michael Jackson-Titel erwiesen sich in mehr oder weniger starker Verfremdung als gehaltvolle; inspirierende Vorlagen mit Ohrwurm-Charakter. Duke Ellington oder die klassische Bluesform waren weitere Anknüpfungspunkte musikalischer Unterhaltungen, die allesamt zu musikalischen Höhenflügen gerieten.

 

Spielerische, gefühlvolle Dialoge zwischen Kraus und Pacheco, auch in deren oft mit kubanischen Melodien und Rhythmen durchwirkten Eigenkompositionen, wechselten mit wahnwitzigen Solo-Improvisationen über gleichzeitig ablaufenden, hochkomplexen ostinaten Begleitfiguren der linken Hand Pachecos oder auch mit den experimentierfreudigen Spielereien auf diversen Effektgeräten von Joo Kraus. Letzterer gab nach der Pause in einer neuen, noch namenlosen Eigenkomposition, hoch konzentriert und kreativ, einen wundervollen Einblick in sein digitales Spielzimmer. Darin wurde etwa das Trompetenmikro zum Beatboxing oder zum effektvollen Spiel mit dem digitalen Delay verwendet. Da wurde die Trompete mittels Harmonizer unvermittelt in einen kompletten Trompetensatz eingebettet, gesungen, gepfiffen, geschnalzt, geräuschvoll geatmet oder mit der flachen Hand aufs Mundstück geschlagen und der Sound durch Handbewegungen über dem Effektgerät optisch moduliert. Das gleichzeitige Spielen, Aufnehmen und punktgenaue Wiedergeben der Aufnahmen im mehrstimmigen, polyphonen Spiel mit sich selbst erforderte echte Multitasking-Fähigkeiten, zeitigte jedoch verblüffende Resultate und erhielt langanhaltenden Beifall.