Kritik – Seite 67 – Jazzclub Biberach e.V.

19.05.2000: Patrick Tompert Trio 

Zupackender Modern Swing mit dem Patrick Tompert Trio

Kreative Eruptionen

Mit einem zupackenden Opener und der originellen Eigenkomposition “Sam`s Blues” setzte Patrick Tompert in seinem beherzt aufspielenden Trio die Standards für einen kurzweiligen Konzertabend im Jazzkeller der Jugendmusikschule: sicheres Timing, bluesig swingender Groove, virtuose Improvisationen, interessante Arrangements. Jede der folgenden Komposition löste sich mehr aus der anfänglichen Routine in eine ebenso eigenwillige wie kreative Kür, die mit sicherem Gespür den stilistischen Rahmen absteckte und zu einer lebendigen Interaktion der in distinguiertes Schwarz gekleideten Musiker führte.

Eigenkompositionen und Arrangements bekannter Standards klangen gleichermaßen wie aus einem Guss. Nicht nur die ausgewogene Balance der klassischen Klaviertrio-Besetzung, mit zum Glück nur akustisch gespieltem Flügel, sondern wohl auch die gemeinsame musikalische Wellenlänge der Musiker bot die Gewähr für einen höchst differenzierten modernen Swing. Für den kurzfristig ausgefallenen Davide Perocca spielte sensibel und melodiös, wenn auch zunächst noch etwas verhalten der Kontrabassist German Klaiber, am Schlagzeug überzeugte in gewohnter Souveränität und Präzision Werner Braun.

Seele und Motor des Trios war jedoch zweifellos Patrick Tompert. Seine phantasievollen Improvisationen mit immer wieder überraschenden Wendungen, seine brilliante Fingerakrobatik, die stimulierenden Synkopierungen der linken Hand, die glitzernden Glissandi und vor allem sein Sinn fürs musikalisch Ganze, für die richtige Mischung aller Elemente, durchströmten eine lebendige Musik, die das Publikum animierte und begeisterte. Dass Tompert dabei recht trocken und zurückhaltend blieb, entsprach in gewissem Sinne auch dem Charakter der Musik des Trios, die eben nicht billig anpreisend, effektheischend, oberflächlich oder  bloss unterhaltend sein wollte und diesem Anspruch durchaus genügte..

 

gez. H. Schönecker

19.02.2000: Until Summer 

Jazzkonzert vom 19.02.2000, Konzertkritik

„Until Summer“ groovte vor vollem Haus

„Warum denn in die Ferne schweifen?..“ mag sich ein mancher Biberacher Latin-Jazz-Freund auch angesichts der schlechten Witterung am Freitagabend gedacht haben. Jedenfalls konnte die Band „Until Summer“ mit ihrem „Häuptling“ Joe Fessele am Piano, in Biberach ja beileibe kein unbeschriebenes Blatt, ein ungewöhnlich großes Publikum mobilisieren und den diversen Fasnetsveranstaltungen erfolgreich Paroli bieten. Gute, ja ausgelassene Stimmung herrschte im Biberacher Jazzkeller, die Samba-Salsa-Bossa-Afro-Swing-Rhythmen des ausgelassen aufspielenden Trios taten schnell ihre enervierende Wirkung, gingen unter die Haut und in die Beine, veranlassten zum aktiven Mitvollzug der temperamentvollen Musik.

Respektable Arrangements bekannter Standards von Herbie Hancock, Chick Corea oder Wayne Shorter, besonders stark beklatscht wurde das virtuos dargebotene „Spain“ von Chick Corea, bildeten die künstlerische Kernsubstanz, das Rückgrat aus Rockjazz und Funk, vielleicht die Jugendliebe des agilen Bandleaders, um die herum sich vor allem die rhythmischen Einflüsse aus dem Afro-Latin-Jazz und gut ausbalancierte melodische Strukturen zu einem komplexen Gemenge besonderen Zuschnitts kristallisierten. Den abwechslungsreichen und sehr individuellen Improvisationen und der integrativen Kraft Fesseles aber auch dem beherzt groovenden Drummer Udo Kehlert und dem gleichermaßen zupackend und differenziert aufspielenden Kontra- und E-Bassisten Klaus Kappmeyer ist es zu danken, dass sich hier ein musikalischer Treibsatz mit enormer Überzeugungskraft zusammenbrauen konnte. Eine ebenso natürlich sympathische wie emotional angeregte und spritzig witzige Musik mit hohem Unterhaltungswert kennzeichnete diese musikalisch arrivierten Programmteile.

Mit einer Reihe durchaus eigenständiger Kompositionen, herausragend die „Monster Cat“, inspiriert durch eine recht eigenwillige Hauskatze“, konnte der besonders auch in dem genannten Stück sehr inspiriert wirkende Joe Fessele glaubhaft auf einen authentischen eigenen Stil verweisen, der kaum noch – am ehesten vielleicht noch in der Harmonik – auf grundlegende Berklee-Inspirationen bezogen werden konnte. Trotz zahlloser „Vamps“ im Dienste rhythmisch-melodischer Spannungssteigerung zeugten die Kompositionen von einer erfreulich vielseitigen Melodik über einer komplexen Rhythmusschicht. Die gestalterische Kraft Fesseles wies gerade in den plastisch herausgearbeiten Melodielinien auf eine ungewöhnliche interpretatorische Begabung hin, die in einer auf das Wesentliche reduzierten Triobesetzung aus Drumset, Bass und Piano in besonderem Maße Früchte tragen kann und die wohl das eigentliche Erfolgsrezept der Formation bildet. Ob der hier aufscheinende Weg musikalisch-künstlerischer Weiterentwicklung am Nerv des Publikums bleiben wird, ob der Puls der Zeit weiterhin die Musik von „Until Summer“ inspirieren wird und so eine auf breiter Basis akzeptierte Mischung aus Altem und Neuen, Allgemeinem und Besonderem, Inspiration und Konstruktion entsteht, dürfte entscheidend von der permanenten Interaktion mit dem Publikum bei Livekonzerten abhängen. Fesseles Musik ist im besten Sinne des Jazz originäre Livemusik, Aufnahmen nur zu Dokumentationszwecken oder als Erinnerungshilfe sinnvoll. „Until Summer“ ist die klingende Herausforderung ans Publikum, einer guten, weil lebendigen Musik nicht nur wirtschaftliche sondern vor allem ideele Überlebenshilfe zu geben.

 

gez. Helmut Schönecker