Kritik – Seite 12 – Jazzclub Biberach e.V.

25.06.2021: Florian Betz & Bodek Janke

Verspäteter Saisonauftakt mit Florian Betz und Bodek Janke

Wird jetzt alles besser?

Die dritte Halbjahres-Konzert-Saison unter Pandemiebedingungen wäre für den Biberacher Jazzclub beinahe erneut veranstaltungslos zu Ende gegangen, wenn nicht der Wettergott im letzten Moment doch ein Einsehen gehabt hätte. Nicht nur die epochalen Überflutungen in Biberach haben den ungewohnten Veranstaltungsort auf der Riß-Insel ausgespart, auch die abendlichen Temperaturen lagen entgegen der Ankündigungen der Wetterdienste im annehmbaren Bereich. So konnte zur Freude der kulturell ausgehungerten Besucher und der beiden international renommierten Musiker, Florian Betz & Bodek Janke, die auf Spendenbasis aufspielten, nach langer Pause endlich wieder ein Live-Konzert stattfinden.

Für den heimischen Jazz-Fan war Bodek Janke beileibe kein Unbekannter. Als mehrfacher Preisträger des internationalen Biberacher Jazzpreises und in wechselnden Formationen immer wieder gern gesehener Gast bei den Clubkonzerten gehört Janke mittlerweile auch international zu den ganz großen Jazzdrummern. Kulturamt und Jazzclub schulterten das Rest-Risiko gemeinsam und obwohl auf dem Freigelände noch einige hundert Gäste Platz gefunden hätten und auch das Spendenkässchen der Musiker nicht gerade prall gefüllt war, geriet das konzertante Live-Event zu einem Erfolg.

Die überwiegend der „Silver Generation“ angehörenden Besucher hatten es sich auf mitgebrachten Klappstühlen oder Picknickdecken gemütlich gemacht und genossen sichtlich entspannt die oft meditativ anmutende, stark von „Minimal Music“ und „Fluxus-Bewegung“ inspirierte Weltmusik. Die ausschließlich aus der Inspiration des Augenblicks heraus improvisierte Musik der beiden Perkussionisten lud dazu ein, sich dem graduellen Entwicklungsprozess einer bewusst reduzierten Differenziertheit hinzugeben, sich auf die Suggestion des ruhig fließenden Klangstroms einzulassen und in psychedelischer Entrücktheit die Transzendenz der Metaebene zu erreichen.

Das ohne elektrische Verstärkung auskommende Instrumentarium des Percussion-Duos wurde vor allem durch das neuartige, an Steeldrums erinnernde Pantam oder Handpan geprägt. Florian Betz gehört zu den Pionieren des Instrumentes. Die obertonreichen Klangflächen des aus gehärtetem und gehämmertem Stahlblech bestehenden Klangkörpers werden mit der Hand gespielt und lassen Assoziationen auch zur indonesischen Gamelan-Musik entstehen. Ergänzt durch Marimbaphon, Becken, Zimbeln, Chimes, Talking Drums und viele weitere Effekt- und Geräuschinstrumente entstand ein Klangkontinuum, das in ständiger Permutation rhythmischer oder melodischer Patterns den Zeitstrom anzuhalten schien.

Die durch eine inspirierende Live-Musik ermöglichte, befristete Auszeit aus der pandemiegeprägten Gegenwart, ließ für die Konzertbesucher einen Silberstreif am Horizont erscheinen und die Hoffnung wachsen, in näherer Zukunft wieder ein kulturell erfüllteres Leben genießen zu dürfen. Die Debüt-CD des Duos soll noch im Laufe des Jahres erscheinen.

Text & Fotos: Dr. H. Schönecker

26.09.2020: Doppelkonzert Le Bang Bang + Siyou’n’Hell

Vom Treffen in der Hölle und dem doppelten Urknall

Jazzplosionen im gemischten Doppel mit Stimme und Bass

BIBERACH – In der ausverkauften Gigelberghalle zelebrierte der Jazzclub Biberach den zweiten Teil seines Saisonauftaktes im Rahmen des vom Land geförderten „Kultursommers 2020“ unter strengen Hygieneauflagen. Gleichwohl brandeten Wellen der Begeisterung durch die lichten Reihen. Die Freude und Überraschung auch auf Seiten der Musiker war hör- und spürbar, die anfängliche Skepsis schnell verflogen. Bravorufe, anfeuernde Pfiffe, rauschender Applaus, zahlreiche Zugaben und Worte der Hoffnung auch von Seiten des Veranstalters waren mehr als nur der Silberstreif am Horizont. Die allgemeine Erkenntnis: Wir machen weiter, egal wie. Ohne Kultur wären wir schließlich Barbaren.

Mit launigen Worten von Moderator Jojo Riedel eingeleitet, startete das gemischte Doppelkonzert mit dem schwäbischen Stimme-Bass-Duo „Siyou’n’Hell“. Die in Kamerun geborene Sängerin Siyou und die Ulmer Basslegende Hellmut Hattler leben in einer engen zwischenmenschlichen Beziehung, zu spüren, zu sehen und zu hören auch auf der Bühne (Closer Me). Dieses innige Verhältnis war wohl auch das Amalgam einer ungewöhnlichen Fusion zwischen Gospel, afrikanischen Wurzeln, Pop, Soul, Rock und Jazz. Eingeleitet mit einer stimmungs- und eindrucksvollen Version von „Sometimes I feel like a motherless child“ folgten überwiegend Eigenkompositionen. Obwohl Hattler nach eigenem Bekunden selten einmal Coverversionen spielt, musste er nach einer mitreißenden und sehr weitgehenden Bearbeitung des Beatles-Songs „Come Together“ gestehen, dass er in dieser Konstellation die Begeisterung des Publikums und seiner temperamentvollen Duo-Partnerin uneingeschränkt teilt. Trotz der räumlichen Abstände heizten die beiden Energiebündel die Stimmung gehörig an. Der satte, druckvolle Bass, knackige Funky-Slaps und Grooves, ergänzt um Shaker oder Kalimba durch die Gospelqueen Siyou, die mit ihrer kraftvollen Stimme das Rock-Jazz-Fusion-Idiom vom E-Bass genretypisch verkörperte, fanden zu einer originellen Einheit mit intensiver positiver Ausstrahlung, die Lust auf mehr machte.

Nach einer ausgiebigen Lüftungspause war das Publikum wieder aufnahmefähig für das, obwohl in gleicher Besetzung aus Stimme und Bass angetretene, völlig kontrastierende Bandkonzept des Münchner Duos „Le Bang Bang“. Trotz zunächst überzogener Lautstärke und gelegentlichen Übersteuerungen wirkte deren Musik filigraner, differenzierter und von größerem Ausdrucks- und Dynamikumfang als die erste Formation. Das „Bang“ des Urknalls stand hier vor allem für die Pulverisierung der gewählten Vorlagen. Aus dem verbleibenden Feinstaub entstand, ganz im Sinne des ursprünglichen Jazz, das Neue, das Ureigene und Besondere. Beinahe noch überzeugender und interessanter erschienen jedoch die Eigenkompositionen von Sven Faller und Stefanie Boltz. Herausragend in ihrer Eindringlichkeit etwa die Komposition „Istanbul“ des Kontrabassisten, entstanden anlässlich eines Konzertes in der quirligen türkischen Millionenstadt. Berührungsängste mit großen Rocktiteln von ACDC oder Radiohead, der schillernden Cindy Lauper oder dem Garagen-Grunge von Nirvana gab es keine. Der dritte Musiker der Formation allerdings lag Sven Faller zu Füßen: Eine umfangreiche Sammlung von, in der Gitarristen-Branche „Tretminen“ genannten Fußschaltern und Effektgeräten, Samplern und Sequenzern als elektronische Helferlein. Natürlich durften auch die Münchner nicht ohne Zugabe von der Bühne. Ein kurzes Interview des Moderators Jojo Riedel mit den Veranstaltern ermöglichte einen Blick auf die aufwändigen Vorbereitungen für Veranstaltungen in Coronazeiten aber auch einen vorsichtigen Ausblick auf künftige Planungen des rührigen Clubs.

Text und Fotos: H. Schönecker

25.09.2020: Cornelius Claudio Kreusch

Begeisterung trotz Distanz mit reduziertem Publikum im Jazzkeller

Saisonauftakt macht Hoffnung und gibt neuen Mut

BIBERACH – Nach einleitenden Dankesworten des Künstlers für den Mut von Veranstalter und Publikum, nach der langen pandemiebedingten Auszeit im Rahmen des vom Land Baden-Württemberg geförderten „Kultursommer 2020“ wieder den kulturellen Neueinstieg zu wagen, vorsichtig und unter verantwortungsvoller Beachtung eines aufwändigen Hygienekonzeptes wieder aus dem „social distancing“ hervorzukriechen und in die unverzichtbare Präsenzkultur zurückzukehren, begann das erste Konzert des Jazzclubs seit Anfang März mit dem Finalisten des ersten internationalen Biberacher Jazzpreises 1990, dem international renommierten Münchner Ausnahmepianisten und Weltbürger Cornelius Claudio Kreusch.

Nicht wie angekündigt mit einem Paukenschlag sondern mit einem nachdenklich und verhalten, ja fast zögerlich auftretenden, feinfühlig modellierten Thema, charaktervoll und gestaltkräftig in einer freien Improvisation verarbeitet, eröffnete Cornelius Claudio Kreusch einen Parforceritt durch ein breites stilistisches Spektrum von Jazz und Weltmusik. Unter dem Motto „Heart & Soul“ entfaltete sich in der entspannten, stimmungsvollen Wohnzimmeratmosphäre des auf Teelichtstärke verdunkelten Jazzkellers mit zunehmender Dynamik ein intensiver Kommunikationsprozess zwischen Künstler und Publikum. Wie durch eine lebensrettende Bluttransfusion bekam das bleiche Gespenst der musikalischen Live-Kultur dank des kraftvollen Lebenssaftes des sprühenden Münchner Energiebündels CCK wieder Farbe und Substanz und begann hoffnungsvoll zu pulsieren. Und auch umgekehrt schien die begeisterte Publikumsreaktion den Künstler sichtlich zu stimulieren. Durch seine spontanen Anmoderationen gelang es ihm, unterstützt durch die räumliche Nähe, ein durch sein Spiel vermitteltes Urvertrauen aufzubauen und so einen direkten Kanal zum Innersten seiner Zuhörer zu legen. Diese schienen befreit aufzuatmen und wie ein Schwamm das lange Vermisste aufzusaugen.

Dabei machte es Cornelius Claudio Kreusch seinen Zuhörern durchaus nicht leicht. Seinen unnachahmlichen Personalstil zu fassen, die komplexen, oft auch von Brüchen durchzogene Strukturen zu verfolgen, das Nebeneinander hochvirtuoser Passagen, die auch den geübten Zuhörer schwindlig werden lassen und solchen Stellen, die in ihrer schlichten Eindringlichkeit unmittelbar überzeugen, erfordert permanente Aufmerksamkeit. Andererseits wirken gerade dadurch seine abwechslungsreichen Kompositionen wie ein Fitnessprogramm für das musikalische Erleben, wie eine Frischzellenkur für die ausgedörrten Seelen. Und genau das funktioniert eben nur im lebendigen Miteinander. That’s live, that’s Jazz.

Wer im „Ping Pong Finale“ des ersten Sets schmunzelnd die ins Flügelinnere gelegten Tischtennisbälle unter den synkopierten Akzenten emporspringen sah oder deren charakteristisches Murmeln unter tremolierenden Pianissimo-Akkorden vernommen hat, fühlte sich unvermittelt in die Jugendjahre des genialen Pianisten zurückversetzt, in die Zeit in der das Stück entstand. Einer Zeit in der die Freiheiten des Jazz noch mit jugendlicher Unbekümmertheit einhergingen, unter dem Stichwort „Aleatorik“ experimentierfreudig eine Zufallsmusik in der Tradition eines John Cage generierten und durch die Verwendung der runden Plastikbällchen nach dem Zufallsprinzip (lat. alea = Würfel) eine musikalische Quadratur des Kreises bewirken sollten. Kreusch hat, neben den sich übereinander türmenden, klangmächtigen Akkorden und den rasanten, mitunter aberwitzig virtuosen Sechzehntelketten, sich eben jene spielerische Frische und Spontaneität bewahrt, welche einer überbordenden Dramatik und Schwere ihren Platz zuweist und damit den gereiften Musiker auszeichnet.

In diese Kategorie fielen auch Stücke wie „Funky Monkey“ aus dem zweiten Set, in denen sich Kreusch unter dem Motto „Here & Now“ in witziger Analogie auf allseits bekannte Standards, wie etwa auf den „Pink Panther“ von Henry Mancini, bezog. Die charakteristischen Quintparallen mit ihrem auftaktigen Beginn und die aus tiefer Lage chromatisch ansteigende Basslinie waren gerade noch erkennbar, jedoch verdichtet, überzeichnet, parodiert und karikiert. Der ursprüngliche Swingcharakter blitzte innerhalb der kraftvoll zupackenden Funky-Rhythmen in einzelnen Improvisationsschnipseln immer wieder durch, gelegentliche Walkingbässe taten ein Übriges zur augenzwinkernden Spielfreude. Der Saisonauftakt des Jazzclubs hielt angesichts dieser ästhetischen Urgewalt nicht nur was er versprach, er setzte einen neuen Höhepunkt in einer schwierigen Zeit und machte Hoffnung und gab neuen Mut.

Text und Fotos: H. Schönecker

06.03.2020: Torsten Zwingenberger Berlin 21

BERLIN 21 trifft auf begeistertes Biberacher Publikum

BIBERACH – Die Triobesetzung von Torsten Zwingenbergers Dreamteam BERLIN 21, angetreten mit vollem Einsatz und voller Energie traf beim Freitagskonzert des Jazzclubs auf ein erwartungsvolles und schnell auch voll begeistertes Publikum im vollbesetzten Jazzkeller. Zwingenberger zeigte sich beeindruckt von der stattlichen Publikumskulisse und bedankte sich in seinen einführenden Worten beim „todesmutigen“ Biberacher Publikum für das, in Coronazeiten nicht unbedingt selbstverständliche, überaus zahlreiche Erscheinen. Der veranstaltende Jazzclub hatte am Eingang auf Empfehlung der LIVEKOMM einen Aushang mit Verhaltens- und Warnhinweisen des Robert-Koch-Institutes angebracht, die auch brav befolgt wurden.

Nach einem gefälligen Opener im Easy-Listening-Stil des Pop- oder Smooth-Jazz ging das Trio in gelöster Stimmung mit Vehemenz zur Sache. Mit Ausnahme der Zugabe gab es im gesamten Programm nur Eigenkompositionen der drei Musiker zu hören. Gleichwohl war die stilistische Vielfalt enorm. Programmatische Aspekte darstellender Musik, wie eine anfahrende Dampflokomotive (Bright Ride) oder die faszinierende Klangwelt der afrikanischen Savanne – in einer fast 20minütigen „symphonischen Dichtung“ eingefangen (Nice Day) – standen neben vertrackten Rhythmen in ungewohnten Taktarten oder plastischen Melodien mit intensiver Ausdruckskraft. Solistische Exerzitien in stupender Technik und höchster Virtuosität standen neben dichten, strukturell vielschichtigen Abschnitten voller Leidenschaft und emotionaler Eindringlichkeit. Den Spagat stilistischer Brückenschläge zwischen Nordmazedonien und Südostafrika (Zimbaterranean) oder Ausflüge in die Karibik (Povo Nuovo), in den Klezmer oder nach Hinteranatolien bewältigte das bestens eingespielte Trio mühelos und ohne hörbare Nahtstellen. Die Spielfreude aller Musiker war mit Händen zu greifen.

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14.02.2020: Cathy Rocco featuring Patrick Bianco

Swingender Mainstream lockt viele Fans in den Biberacher Jazzkeller

New Yorker Jazzikone Cathy Rocco hält nur ein Set durch

BIBERACH – Zum Ende ihrer Europatournee lockte die renommierte US-Sängerin Cathy Rocco mit ihrer international besetzten Begleitband um den italienisch-schweizerischen Altsaxophonisten Patrick Bianco, den Pariser Pianisten Vincent Bourgeyx und den beiden Österreichern Bernd Reiter, als Organisator der Tour am Schlagzeug und dem Wiener Philipp Zarfl als neuer Stern am Kontrabasshimmel zahlreiche Gäste zum Freitagskonzert des Jazzclubs.

Nach einem fulminanten ersten Set mit eindrucksvollen Interpretationen berühmter Songs von Nat „Cannonball“ Adderley und aus dem Great American Songbook musste die Band jedoch zeigen, dass sie auch ohne ihre agile Frontfrau bestehen kann.

Für die kreativen Arrangements der Songs zeichnete der mitgereiste Ehemann und Manager der Künstlerin, Joseph Donofrio, verantwortlich. Eigens für die Tournee auf die spezifische Bandbesetzung eingerichtet, hieß das für die Musiker zunächst einmal ganz präzise nach Noten zu spielen, synchrone Breaks und rasende Unisonoketten, überraschende Einschübe und Brüche in der ursprünglichen Formarchitektur, verfremdete Harmonien und vertrackte Rhythmen in schnellem Wechsel zu meistern. Umso befreiter konnten sie dafür in ihren Improvisationen aufspielen. Der Freiraum hierfür war großzügig bemessen und es spricht für die Professionalität der Musiker, dass sie diesen mit prallem, intensivem Leben erfüllten.

Als Primus inter Pares erwies sich dabei der die aktuelle Pariser Jazzszene eindrucksvoll vertretende Vincent Bourgeyx. Der erste Student, der mit dem Preis des Billboard Magazins ausgezeichnet wurde, lebte lange Zeit in den USA und in Japan. Auf allen namhaften Festivals präsent, musizierte er mit vielen Jazzgrößen, unterrichtete am Koyo Konservatorium in Kobe, Japan, komponiert Filmmusik und lebt seit einigen Jahren wieder im alten Europa, wo er die Pariser Jazzszene aufmischt. Bourgeyx, neben dem modernen Swing auch vernehmlich durch den russischen Komponisten Skriabin inspiriert, lieferte trotz einer starken Erkältung fast schon beiläufig atemberaubende Soloeinlagen in geradezu kosmischen Dimensionen. Überaus abwechslungsreiche Einfälle, glasklare, perlende Tongirlanden, mächtige Akkordtürme in stimulierenden Synkopenrhythmen, im Wechsel mit einer hochsensiblen Begleitung und prägnanten Unisonopassagen boten swingenden Mainstream vom Allerfeinsten.

Der gefeaturete Altsaxophonist Patrick Bianco lieferte vor allem im zweiten Set, nachdem die Frontfrau erkältungsbedingt bedauerlicherweise aufgeben musste, seine Meisterstücke ab. Mit zwei Eigenkompositionen, „Samba de Colores“ und „In front and behind the horizont“ zauberte er nicht nur beseelte Melodien sondern blies auch einen frischen Wind zwischen die, ob des Ausfalls der Sängerin betrübten Zuhörer. Cathy Rocco, deren Großvater – wie sie in ihrer Anmoderation verriet – aus Köln am Rhein stammt, hatte noch zum Ende des ersten Sets mit einer gegen den Strich gebürsteten Version des Standards „Autumn leaves“ von Johnny Mercer einen Meilenstein gesetzt. Außer dem Text und einigen wenigen charakteristischen Motivsprengseln sowie, wenigstens innerhalb der verbliebenen Versatzstücke, originalen aber doch gehörig substituierten Harmoniefolgen blieb dabei kein Stein auf dem anderen. Das war wahrlich keine verklärte Vergangenheit sondern gelebte Gegenwart, wieder erstanden aus Ruinen. Der altüberkommene Titel wurde so zum Humus für das Neue, welches auf dem fruchtbaren Boden glänzend gedieh. Umso trauriger, dass nach diesem Highlight die Stimme der Sängerin nicht mehr mitmachen wollte.

In einer launigen Ansprache warf der Organisator der Tour und quirlige Drummer Bernd Reiter nach ihrem Ausfall das Ruder herum und leitete in einen spontanen, vielleicht etwas blueslastigen zweiten Teil über. Mit viel Platz für Solo-Improvisationen, hier kam auch der Wiener Bassist Philipp Zarfl zu seinen Meriten, zeigten die vier Musiker nach einem rund zweieinhalbstündigen Programm, nicht zuletzt auch noch mit einer Zugabe über „Mercy, mercy, mercy“ von Joe Zawinul, dass Spontaneität im Jazz noch immer die Hauptsache ist.

Text und Fotos: Helmut Schönecker

07.02.2020: Miles & More

Zum Auftritt der Local Heroes von „Miles & More“ im Jazzkeller gibt es leider keinen Pressenachbericht zum Hörgenuss des Abends. Aber Wolfgang Volz hat mit seiner Kamera die Atmosphäre bestens eingefangen: