Kritik – Jazzclub Biberach e.V.

27.09.2025: Renner

Preisträgerkonzert mit RENNER-Trio

Biberacher Jazzpreisgewinner von 2024 begeistern und überzeugen

BIBERACH – Vor rund eineinhalb Jahren gewannen sie mit ihrer ungewöhnlichen Trio-Besetzung den internationalen Biberacher Jazzpreis gegen eine starke Konkurrenz. Nun ist es endlich gelungen, das überaus gefragte und vielbeschäftigte Trio zum Preisträgerkonzert nach Biberach zu holen. Den fulminanten Abschluss ihrer jüngsten Tournee durch Süddeutschland zur Präsentation ihrer neuen CD „Never Ending Story“ zelebrierte das bestens aufgelegte Trio vor einem hell begeisterten Publikum im gut gefüllten Jazzkeller. Kurzweilig und voller Leidenschaft musizierten die Drei auf Posaune, Kontrabass und Schlagzeug, ohne dass das Fehlen eines Harmonieinstrumentes überhaupt ins Gewicht fiel.

Ganz im Gegensatz zu den Erwartungen an das Standard-Jazztrio mit Klavier, Bass und Schlagzeug nutzten die beiden Brüder Moritz und Valentin Renner aus München mit der gebürtigen Karlsruherin Tabea Kind, ehemalige Schülerin des mehrfachen und in Biberach wohlbekannten Echopreisträgers Dieter Ilg, den harmoniefreien Raum und die dadurch gewonnene Transparenz für die plastische Gestaltung einer mannigfaltigen, stilistisch offenen und unprätentiösen Musik einer hoffentlich niemals endenden Story. Künstlerisch sozialisiert vor allem am Jazzcampus Basel, seelen- und wesensverwandt, in blindem Verständnis interagierend, erklang eine Musik wie aus einem Guss.

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20.09.2025: Sendecki & Spiegel

Hochkarätiger Duo-Jazz zum Saisonauftakt

Sendecki & Spiegel setzen hohe Standards

BIBERACH – Hochkarätiges geht meist Hand in Hand mit einem hohen Anspruch. Genau dies stellt für manchen eher passiven Unterhaltungshörer bei einer Livemusikdarbietung mitunter eine große Herausforderung dar. Gilt es doch bei anspruchsvollerem und besonders bei rein instrumentalem Jazz möglichst genau hinzuhören, sich das Gehörte bewusst zu machen und den Sinngehalt zu entschlüsseln. Glücklicherweise gibt es große Teile des vorgestellten Programmes von dem ausnahmsweise auf Samstag verlegten Konzert des Jazzclubs auch auf der aktuellen Duo-CD „Solace“ zum Nachhören und damit immerhin zum nachträglichen Verstehen. Das „Duo der Superlative“ aus Vladyslav Sendecki und Jürgen Spiegel, oft als „kleinstes Orchester der Welt“ bezeichnet, gab wohl auch aus dieser Erfahrung heraus mit aussagekräftigen Anekdoten zu den einzelnen Songtiteln willkommene Hör- und Verständnishilfen und nach anhaltendem Schlussapplaus des kundigen Publikums gerne auch noch eine Zugabe.

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18.09.2025: Joharpo

„Vive la Blues“ – Auftaktkonzert zu den Französischen Wochen

JOHARPO aus Valence bringen LAVA zum Kochen

BIBERACH – Der Spagat ist reibungslos gelungen. Der Verein Städte Partner, das Lava-Team und der Jazzclub Biberach brachten das gefeierte Blues-Quartett „Joharpo“ aus der Biberacher Partnerstadt Valence auf die Bühne und dieses wiederum die Stimmung im übervollen Lava-Café zum Kochen. Dank der Förderung durch den Deutsch-Französischen Bürgerfonds (DFBF) konnte das Konzert bei freiem Eintritt stattfinden. Cover-Versionen berühmter Bluestitel und kreative Eigenkompositionen fügten sich im bunten Programm-Mix nahtlos aneinander und konnten gleichermaßen überzeugen. Den Programmverantwortlichen, insbesondere Hans-Bernd Sick vom StäPa ist hier ein Glücksgriff gelungen. Der Blues lebt, es lebe der Blues – Vive la Blues!

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23.05.2025: Joo Kraus Quintett

Ausverkauftes Konzert des Joo Kraus Quintetts beim Biberacher Jazzclub

Fulminanter Höhepunkt der Frühjahrs-Konzertreihe

Wer das Glück hatte, noch ein Ticket für das Joo Kraus Quintett zu ergattern, wurde mit dem fulminanten Höhepunkt der Frühjahrs-Konzertreihe im Biberacher Jazzclub belohnt. Dem ausverkauften Haus wurde eine Bandbreite an Klängen und Musikstilen geboten, die man ohne Übertreibung einzigartig nennen darf. Die fünf mit allen musikalischen Wassern gewaschenen Vollblutjazzer übertrugen ihre unbändige Spielfreude auf das Jazzpublikum, welches aus dem Hören und Staunen nicht mehr herauskam. Wer Joo Kraus‘ variantenreichem Trompetenspiel und seinem groovigen Gesang lauscht, merkt recht bald, welches urgewaltige musikalische Potenzial sich hier seinen Weg bahnt. Garniert von launigen Ansagen führt Joo die Band durch ein musikalisches Kaleidoskop der Sonderklasse, egal ob sphärisch entrückt (Hurricane in My Livingroom), ausgelassen funky (Chaka Boom Tic Toc), oder dramatisch rockig (Back to Hell). Egal ob pur oder elektronisch bearbeitet, niemals aufdringlich oder entrückt, fein melodisch arrangiert, da war für jeden was dabei. Und wer meint, kontemporärer Jazz fordert komplizierte Akkordfolgen, wird bei „Hope“ eines Besseren belehrt. Auch einfache „Turn-Arounds“ bieten genügend Material zu feinster Improvisation. Die hört man, keinesfalls zu oft, von den herausragenden Bandmitgliedern, denen es ebenso gelingt, im Tutti einer Bigband das Wasser zu reichen. Neben Joo Kraus brillieren Ralf Schmid am Piano/E-Piano und Jo Ambros an der E-Gitarre. Beiden Ausnahmekünstlern gelingen neben der rhythmischen Basisarbeit ausdrucksstarke Soli, welche ihre instrumentale Kunst meisterhaft unterstreichen. Souverän bedient Veit Hübner den im Jazz wenig gehörten „Five-String-Kontrabass“ und erweitert sein Instrument damit gelegentlich in die hochtönende Soloklasse. Torsten Krill entlockt den Drums sowohl die leisen Nuancierungen als auch knackige Rock Beats. Doch alles überstrahlt Joo Kraus‘, auch mal digital verfremdet, Trompetenklang und Stimme, egal ob swingend gesungen oder im rasanten Scat. Reich an Ideen wird der Coversong „Smooth Operator“ durch seinen Sprechgesang zum Jazztitel geadelt. Herb Alpert widmet er im „Tijuana-Trumpet-Stil“ mit „Alpert Drive“ als Verbeugung vor seinem Vorbild und seinem Publikum die erste von zwei Zugaben. Mit dem ruhigen „Estate“ (ital. Sommer) entlässt er seine rundum begeisterten Zuhörer musikalisch in denselben.

Text: Günter Friedhelm
Fotos: Birgit Kiene

09.05.2025: Lukas Mohl Trio

Krachender Paukenschlag der jungen Jazz-Generation

Lukas Mohl Trio – Sternstunde des neuen Jazz

BIBERACH – Die Live-Präsentation der ersten CD „Speaking From The Heart“ des jungen Komponisten und Pianisten Lukas Mohl im Freitagskonzert des Biberacher Jazzclubs ging vor ausverkauftem Haus unmittelbar unter die Haut. Auch wenn die lokale Fangemeinde und angereiste Verwandtschaft des gebürtigen Untersulmetingers nicht mit Vorschusslorbeeren geizte, konnten die von Mohl mit einleitenden Worten erläuterten Stücke ästhetisch unmittelbar überzeugen. Bereits vor Abschluss seines Bachelor-Studiums in den Niederlanden schaffte es der aufstrebende junge Künstler mit seinem Album in die CD-Reihe „Next Generation“ des Magazins „JazzThing“ aufgenommen zu werden. Sein Weg führt ihn vom Gastspiel in der alten Heimat nun weiter zum Master-Studium nach Bern und wohl bald auch auf die Konzertbühnen der Welt.

Bezeichnenderweise ist sein ehemaliger Dozent für Komposition an der UdK im niederländischen Arnheim, Jasper Somsen, jetzt Mitglied von Mohls Klavier-Trio und spielt auf seinem Kontrabass mit sichtlicher Begeisterung die Kompositionen seines ehemaligen Schülers. Und die haben es durchaus in sich. Ein vielschichtiges Feuerwerk an Einfällen umschreibt das kreisende Suchen nach einer stimmigen Kernaussage. Natürlich lebt manches vom experimentellen Charakter oder dient der Klangerweiterung des Instrumentes (präparierte Klaviersaiten à la John Cage), was für den Jazz jedoch kein Nachteil sein muss. Die überwiegend von einer eher „fröhlichen“ Melancholie durchzogenen Stücke wirken oft impressionistisch, verträumt und nachdenklich, sind aber auch in den eher lyrisch-kontemplativen Teilen voller Leidenschaft und von einer mit Händen zu greifenden Spielfreude durchwirkt.

 

Text und Fotos: Helmut Schönecker

Schwarz-Weiß-Galerie: Wolfgang Volz

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11.04.2025: Ray Gallon Trio (mit Finn Wiest)

Musikalische Grüße aus der Welthauptstadt des Jazz

Ray Gallon Trio mit deutschen Young Lions

BIBERACH – Mit dem seit drei Jahren in New York lebenden Jazzschlagzeuger Finn Wiest aus Biberach und Jakob Obleser am Kontrabass hatte der renommierte New Yorker Jazzpianist Ray Gallon auf seiner Deutschlandtournee zwei junge Ausnahmetalente im Gepäck. Das bereits seit Wochen ausverkaufte Konzert im Jazzkeller konnte die Erwartungen mehr als erfüllen. Unter der dezenten Regie und einer launig-entspannten Moderation des routinierten Jazzcollege-Professors, nach einer knappen Begrüßung in drolligem Deutsch, natürlich auf Amerikanisch gehalten, liefen die Protagonisten zur Hochform auf. Rasante Up-Tempo Stücke, stimmungsvolle Jazz-Balladen, blueslastige Nummern, allesamt klar durchstrukturiert und dabei locker swingend und groovend, in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen auskomponierten und improvisierten Teilen ließen nichts anbrennen.

Mit einer Reminiszenz an Duke Ellingtons „Drop Me Off In Harlem“ aus dem Jahr 1933, setzte das Eröffnungsstück von Ray Gallons aktueller CD „Grand Company“ gleich zum Auftakt des ausverkauften Jazzkonzertes einen Markstein seines ästhetischen Anliegens und Empfindens und definierte gleichzeitig den Ort des künstlerischen Geschehens. Harlem, der quirlige Stadtteil New Yorks, aus dem seit Jahrzehnten immer wieder neue künstlerische Ideen sprudeln, ist „Hot Spot“ und „Melting Pot“ des Jazz, New York, der „Big Apple“, seine Hauptstadt. Ganz klar dem Swing und der Tradition verpflichtet aber auch offen für neuere und neueste, stark bebop-affine Einflüsse, spielte Gallon virtuos mit dem Sujet, entlockte ihm ganz neue Facetten, zertrümmerte das Überkommene und generierte daraus eine neue, zeitgemäße Form des Jazz. Die stilistische Offenheit und starke Differenziertheit seiner Kompositionen und Arrangements werden vor allem zusammengehalten durch elaborierte, synkopisch rhythmisierte und farbig harmonisierte, zerrissen wirkende Strukturelemente, in welchen die melodischen Fragmente des Originals versteckt sind. Fröhliches, vorösterliches Ostereiersuchen für die eingefleischten Jazzfans, die mit dem Original vertraut sind, für ungeübte Hörer durchaus eine Herausforderung.

Die weiteren Titel der neuen CD waren überwiegend Eigenkompositionen, teilweise inspiriert durch persönliche Erlebnisse, die Ray Gallon in seinen Moderationen als Verständnishilfe knapp erläuterte. Manche Nummern waren dabei eher programmatisch zu verstehen, ein pittoresker Wasserfall auf Hawaii rauschte im Glissando über die Tastatur, andere Titel (Zombette) führten mit Ganztonskalen aus der Tonalität heraus oder spielten auf „aus den Fugen geratene“ Strukturen an (Out of Whack) und waren unverkennbar mit Hintergedanken auf die aktuelle amerikanische Politik und Gesellschaft versehen. Wiederkehrendes Element und Kennzeichen von Gallons Personalstil waren jedoch metrisch vielschichtige, von Pausen durchsetzte, komplexe Rhythmen, vielfach in unsymmetrischen, zusammengesetzten Taktarten, gerne in ostinaten, vamp-artige Begleitstrukturen und Patterns eingebettet und durch kürzere oder längere Improvisationen verbunden und aufgelockert.

Dass diese vermeintliche Zerrissenheit als Spiegel unserer Gegenwart in einem kleinen, für eine kurze Tournee ad hoc zusammengestellten Ensemble völlig synchron verläuft und dabei noch munter groovt, setzt eine außergewöhnlich hohe Meisterschaft und Virtuosität der Mitspieler voraus. Waren es bei dem aus Marbach stammenden Jakob Obleser vor allem die rasanten Walking-Bässe, glänzte der junge Ex-Biberacher Weltklasse-Drummer Finn Wiest durch kleinsträumige, feinsinnig differenzierte, sich niemals wiederholende, in höchster Präzision und enger Interaktion mit den Mitspielern eingebundene, filigrane Rhythmen, die in ihrer dezenten Virtuosität dem Meister am Kawaiflügel kaum nachstanden. Von diesem Finn Wiest wird auch künftig noch zu hören sein.

In der Gewissheit, sich am musikalischen Puls der Zeit zu befinden, geizte das begeisterte Publikum nicht mit Applaus, genoß aber auch die ruhigen, entspannten Momente in den wenigen Balladen, blueslastigen oder von relaxten, lateinamerikanischen Rhythmen geprägten Stücken. Diese vermittelten in all dem Trubel die Hoffnung auf bessere Zeiten mit dem Wissen, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde. Hoffnung, die sich in der kulturellen Vielschichtigkeit und Komplexität unserer Zeit versteckt und die geduldig auf fröhlich-zuversichtliche Ostereiersucher und steigende Aktienkurse wartet.

Text und Fotos: Helmut Schönecker