Archiv – Seite 89 – Jazzclub Biberach e.V.

12.04.2008: Biberacher Jazzpreis 2008 (Konzert: Bodek Janke/Kristjan Randalu)

Die Badekappenband aus Köln gewinnt den Biberacher Jazzpreis 2008

Laupheimer Band Salsaría hat beim Publikum die Nase vorn

Er gehört zu den renommiertesten Preisen für Nachwuchsjazzer hierzulande: der seit 1990 vergebene Biberacher Jazzpreis. Zur diesjährigen Endausscheidung am vergangenen Samstag in der Biberacher Stadthalle hatte die Jury erstmals fünf Bands eingeladen, und noch nie, da waren sich alle einig, war das Niveau so hoch wie bei der diesjährigen Auflage. Selten auch war die Jury so uneins wie diesmal. Doch letztlich konnte der Juryvorsitzende, der Freiburger Bassist Dieter Ilg, dem überaus zahlreich erschienen Publikum im Stadthallenfoyer zur späten Stunde einen klaren Sieger präsentieren: die Kölner Formation Hornstrom mit den beiden Posaunisten Max von Einem und Tobias Wember war nicht nur die musikalisch wagemutigste Formation. Sie war letztlich auch die, in der die Balance innerhalb der Band am besten stimmte. Und zudem hatten die vier Kölner, die während ihres Auftrittes alle Badekappen trugen, die besten Arrangements mit den originellsten Titeln zu bieten. Zu Recht durften sie am Ende aus der Hand von Kulturdezernent Dr. Hans-Peter Biege den Siegerscheck entgegen nehmen.

Doch dahinter wurde es knapp. Das Trio der Stuttgarter Pianistin Olivia Trummer, die in letzter Zeit ja schon mehrfach auf sich aufmerksam machte, glänzte mit ausgefeilten musikalischen Interaktionen und einem klassisch geschulten Klavierspiel abseits ausgetretener Pfade, das vom allzu dominanten Schlagzeug des aktuellen baden-württembergischen Landesjazz-Preisträgers Bodek Janke jedoch oftmals überdeckt wurde.

Atmosphärisch dichter, eine Spur jazziger, vielleicht aber auch konventioneller in den Arrangements: das Trio des saarländischen Pianisten Christian Pabst, der freilich in seinen fein ausgeführten Melodielinien zu wenig Unterstützung von seinen Mitmusikern bekam. Kompositorisch spannend, mit einem überzeugenden Saxophonisten, aber dramatisch letztlich zu gleichförmig: die Mannheimer Band Exchange, die erst in ihrem letzten Stück, “Pearl Point“, so richtig zeigen konnte, was an Substanz in ihr steckt. Und nicht zuletzt das Laupheimer Quartett Salsaría, das mit dem glänzenden Lukas Brenner am Klavier und dem ausgefeilt aufspiel- enden Saxophonisten Alexander Bühl ein wenig Lokalkolorit in den Abend brachte. Sie alle lagen am Ende auf den Stimmzetteln der Juroren nahezu gleichauf. Nach langer Diskussion fand sich eine Lösung, die dem Gehörten am ehesten gerecht wurde: Die Trios von Olivia Trummer und Christian Pabst wurden auf Platz zwei gesetzt, Exchange und Salsaría wurde ein dritter Platz zuerkannt – letztere hatten übrigens, nicht zuletzt aufgrund des stimmstarken mitgereisten „Fanclubs“, bei der Publikumsabstimmung die Nase vorn. Immerhin war deutlich geworden, dass die vier jungen Laupheimer, die durchschnittlich sechs Jahre jünger sind als ihre Mitbewerber, gegenüber dem letzten Jazzpreis, als sie mit einer Wildcard ins Finale gerutscht waren, deutlich an Format gewonnen haben!

Rundum Zufriedenheit denn auch bei Publikum, Bands und Veranstalter, als der estnische Pianist und Biberacher Ex-Preisträger Kristjan Randalu zusammen mit Schlagzeuger Bodek Janke (der hier sehr viel freier und dynamischer agierte als im Zusammenspiel mit Olivia Trummer) mit seinem hoch- virtuosen, klassisch geschulten Spiel den Abend musikalisch dynamisch-entspannt ausklingen ließ.

 

Dr. Raimund Kast

Schwäbische Zeitung 14.04.2008

16.02.2008: Doug Jay & The Blue Jays

Doug Jay & The Blue Jays im Biberacher Jazzkeller

Doug Jay hat den Blues

Dass der Blues lebt und immer neue Blüten treibt, hat einmal mehr der seit rund acht Jahren in Deutschland lebende Amerikaner Douglas „Doug“ Jay mit seinen Blue Jays am Samstagabend im gut gefüllten Biberacher Jazzkeller eindrucksvoll bewiesen. Selten schlugen in dem honorigen „Gewölbe“ die Wogen der Begeisterung so hoch.

Nur mit einigen zentimetergroßen Mundharmonikas und einer bluestypischen „Alltagsstimme“ ausgestattet, zündete Doug Jay vom ersten Titel an ein wahres Feuerwerk an Emotionen. Überwiegend Eigenkompositionen der letzten 10 Jahre, die sich allesamt auf den wiederholt vom kurzweilig moderierenden Bandleader in drolligem „Germisch“ oder „Denglisch“  angepriesenen CD-Produktionen wieder finden, boten einen authentischen Einblick in die Gefühls- und Erfahrungswelt eines wandernden Blues-Barden. Kongenialer Partner war ihm Jimmy Reiter, dessen Gitarrenspiel und –sound sich hinter den großen amerikanischen Vorbildern nicht verstecken musste. Unter dem Motto „Alles Fender oder was“ kultivierte er den angesagtesten Gitarrensound aller Zeiten in geradezu virtuoser Perfektion. Wie gut Blues und Jazz sich dabei miteinander vertragen, zeigte sich in den wundervollen Dialogimprovisationen zwischen Gitarre und Bluesharp.

Aber nicht da, wo enervierende Rhythmen (Drumset – André Werkmeister), druckvolle Bässe (E-Bass – Udo Hartmann), fetzige Gitarren- und jaulende Bluesharmonika-Sounds kurz unterhalb der Schmerzschwelle dominierten, nein, da wo sich die acht wattstarken Lautsprecherboxen nur als unnötige Staffage erwiesen, ereignete sich das wirklich Bedeutungsvolle des Bluesabends. In einem von Muddy Waters inspirierten Blues über ein junges Mädchen, „She Moves Me“,  verfielen Reiter und Jay in einen intimen musikalischen Dialog im zartesten Pianissimo, in dessen Verlauf Reiter seine Tonabnehmer fast ganz abdrehte und Doug Jay ohne Mikro und Verstärkung, fast verloren am Bühnenrand sitzend, in vielsagend parlierenden Bluesharp-Tönen seinen Erinnerungen nachzuhängen schien. Erinnerungen vielleicht an den archaischen Country-Blues, der mit einfachsten Mitteln ein Maximum an Ausdruck und Glaubwürdigkeit erzielte. Genau hier zeigte sich denn auch die wahre Meisterschaft der beiden Frontmänner, hier wurde klar, dass Doug Jay und Jimmy Reiter den Blues tatsächlich habem und ihn nicht nur geschäftsmäßig interpretieren. Hier leuchtete durch alle Professionalität hindurch die Seele des empfindsamen, verletzlichen  Musikers, dessen sensibler Musikalität es gelingt, einen hoffnungsvollen Schuss Blau in das abgrundtiefe Schwarz verzweifelter Alltäglichkeit zu bringen.

 

Gez. Dr. Helmut Schönecker

 

23.12.2007: Rootbears

Rootbears Weihnachtskonzert 2007

Fans gehen selig nach Hause

BIBERACH – Wenn sich Fans aus drei Generationen eine Stunde vor Be­ginn Plätze sichern, Treppenstufen besetzen, palisadengleich an Wände reihen, kann es nur das „Familienfest mit Musikeinlage“ sein, das seit 18 Jahren unter „Rootbears Weihnachtskonzert“ firmiert.

Die verwitterungsresistent scheinen­den Musiker verstehen es blendend, Swing, Jazz und Pop mit Nonchalance und Charme zu kredenzen, garniert mit Bonmots und Überzeichnungen. Berufsbedingt längst in alle Winde zerstreut, finden sie nur wenige Probentermine. Es ist erstaunlich, was sie daraus machen.

Christoph Reck, für H.U. Gallus jetzt fest im Team, brachte schon 2006 bereichernden Gitarrenklang in den Gruppensound, setzte damit aber nicht nur Akzente, sondern steuerte neben aufhorchenden Soli mit „Do not shoot“ und „What am I here for“ Eigenkompositionen bei.

Rüdiger Przybilla, Saxophon und Klarinette, empfahl sich diesmal zudem als Vocalist und brachte in bürstigem „Italienisch on the rocks“ mit Überzeugung Texte an die Rampe, von deren Inhalt er keine Ahnung hatte. Gelungenes Latin-Kolorit steuerten „Samba Tsigane“ und „Armandos Rumba“ bei. Letztere einem mysteriös entschwundenen Biberacher Gastwirt gewidmet und ihm ins Nirgendwo nachgeschickt.

Hans-Peter Schmid bestach erneut durch warme Klangfülle seiner Posaune, lockeren Ansatz, sensible Tonführung (vor allem im Piano) und stimmiges Zusammenspiel mit den anderen Instrumenten.

Sing-Schauspieler Wilhelm Kächele von der renommierten „Theaterei Herrlingen“ präsentierte als Gast kantig deklamierte Satiresongs wie „Gutes Tun im Kreisverkehr“ oder „Wenn alle Männer Mädchen wären“, nassforsch serviert mit professioneller Körpersprache und cleverem Einsatz seiner sängerischen Möglichkeiten, im Liebeslied „Let it be me“ aber auch mit stilgerechtem Feeling.

Erfreulich oft griff Magnus Schneider zum Akkordeon, absolut kein jazz­typisches Instrument, aber rootbear­obligat. Ebenso gekonnt zeigte er sich am Piano. Mit „Root Blues No. 5“ steuerte er eine Eigenkomposition bei.

Gangartbestimmend zündete Peter Schmid am Schlagzeug rhythmische Schlaglichter, wo immer sie passten, und überzeugte durch die Unaufdringlichkeit, mit der er sich dem klanglichen „Gemeinwohl“ verpflichtet hielt, unterstützt von Bruder Martin Schmid, der in bekannter Zuverlässigkeit per E-Bass die Pflöcke setzte. Prägnant ließ er wieder Soli aufleuchten, wie zum Beispiel in „Arman­dos Rumba“ oder „4 on 6“.

Den Pflicht­Slapstick lieferten die Sechs diesmal per Orgelpfeifen, mit denen sie „Oh du Fröhliche“ intonierten. Ohne das etablierte Posaunensolo von H.P. Schmid mit „Stille-Nacht“-Anmutungen als Zweitzugabe aber wäre wohl niemand rootbearselig nach Hause gegangen.

 

Dieter Schefold

Schwäbische Zeitung, 4. Januar 2008

 

14.12.2007: Swing tanzen verboten!

Swing Tanzen Verboten!

Attraktives Swingprogramm lockt zahlreiche Fans in Jazzkeller

Nein. Verboten ist der in den 1930er und 40er Jahren in Deutschland als „entartete Kunst“  deklarierte staatsfeindliche Swing heute natürlich nicht mehr, auch wenn der Reiz des Verbotenen beim letzten Konzert so viele Gäste in den Jazzkeller lockte, dass Swing Tanzen aus Platzmangel dennoch nicht mehr möglich war.  Möglicherweise waren aber auch die drei singenden Swingladys der  Augsburger Jazzformation – Barbara Frühwald, Andrea Rother und Ute Legner – die noch besseren Attraktoren.

Das Konzept der vier höchst kultivierten Herren in der aus Piano, Gitarre, Bass und Schlagzeug bestehenden musikalischen Backline ging jedenfalls völlig auf. Die drei attraktiven Schönheiten in der Frontline entfalteten, wahlweise im Stil der legendären  Andrew Sisters, eines Dreifachklons von Marika Röck oder den komprimierten Comedian Harmonists, ein Feuerwerk an überzeugender Close Harmony Power.

Die Faszination von in enger Lage geführten Vokalstimmen, stilecht bodenlangen, eng geschnittene roten Abendkleidern mit ellbogenlangen schwarzen Handschuhen und dazu passender Vamp-Mimik und -Gestik, gepaart mit einem schier unglaublichen Swing, der direkt in die Beine ging, ließ keinen Zuhörer unberührt. Die langen, feingliedrigen Finger des brillanten Daniel Mark Eberhard an Piano, Saxophon und Akkordeon trogen ebenso wenig, wie die flinken, aufgeweckten Augen des agilen Schlagzeugers Walter Bittner. Auch der mit perfektem Sound und Timing, gelegentlich zur Trompete wechselnde, Gitarrist Josef Holzhauser und der archetypisch mit vollem Körpereinsatz groovende Uli Fiedler am Kontrabass boten kultmäßig swingenden Jazz vom Allerfeinsten, der auch ohne die drei Damen an der Front sehr gut zu hören war.

Als durchaus instruktiv und erhellend erwiesen sich die in eine launige Anmoderation eingestreuten Informationen von Ute Legner zu den Tricks und Kniffen deutscher Musiker, die sie unternahmen um die verbotene Musik in der damaligen Zeit dennoch in Deutschland aufführen zu können Die Doppeldeutigkeit mancher Neutextung ließ anschaulich werden, dass manche Musiker damals durchaus gefährlich lebten und dennoch mit dem Feuer spielten.

Drei begeistert erklatschte Zugaben des Septetts führten dann allerdings soweit in die emotionalen Untiefen der Swingnostalgie, dass die zumindest bei Ute Legner latente augenzwinkernde ironische Distanz in gefährliche Schräglage geriet, Begeisterung in Euphorie und Rührseligkeit umschlug und mancher gestandene Modern Jazz Fan, so er sich unter die Swinggemeinde verirrt hatte, in konvulsive Zuckungen zu verfallen drohte. Unterhaltsam war das Ganze gleichwohl.

 

Gez. Dr. H. Schönecker

 

 

30.11.2007: Christoph Spendel Trio

Christoph Spendel Trio mit „Christmas Jazz“

Exquisiter Musik-Cocktail für Genießer

Sensibilität, Differenziertheit, Komplexität sind nicht unbedingt die Merkmale einer Musik die Begeisterungsstürme auslöst. Frappierende Virtuosität, zupackender „Drum `n Bass“- Groove, fetzige Schlagzeugsoli hingegen schon eher. Die Performance „Christmas Jazz“ des Christoph-Spendel-Trios am Freitagabend im Jazzkeller enthielt etwas von beidem.

Die illustren Zutaten aus bekannten deutschen und internationalen Weihnachtsliedern, gewürzt mit kontrastierenden Eigenkompositionen von der aktuellen CD-Produktion und abgerundet durch eine sympathisch unaufdringliche Moderation des Frankfurter Klavierprofessors ergaben einen exquisiten Musik-Cocktail für Genießer, gerührt und geschüttelt, und vom sichtlich beeindruckten Publikum genüsslich ausgeschlürft.

Die Intimität des vorweihnachtlich illuminierten Jazzkellers löste im international besetzten Christoph-Spendel-Trio, das am Vormittag bereits rund 200 begeisterten Schülerinnen und Schülern des Wieland-Gymnasiums in der WG-Aula die Geheimnisse des Jazz offenbart hatte, eine inspirierende Kreativität und Spielfreude aus. Mit seiner viel beachteten Performance „Christmas Jazz“ im Spannungsfeld zwischen sentimentbesetzten weihnachtlichen Weisen, jazztypisch erweiterten Farbharmonien und lateinamerikanischen Reggae-, Samba-, Salsa-Rhythmen generierte das Klaviertrio „Cross-Over“ im besten Sinne, mit musikalischen Einflüssen aus allen Teilen der Welt. Spendel gehört seit Jahren zu den Vorkämpfern und herausragenden Vertretern dieses Genres, im Freitagskonzert des Jazzclubs nahm die faszinierende musikalische Melange die Qualität phantasievoller, spannender Geschichten eines weit gereisten, lebenserfahrenen Weltenbummlers an.

Die Schnittmenge zwischen den kalt schillernden „Schanghai City Lights“, dem warmherzigen kubanischen „Cardena“, dem in sentimentaler Sanftheit dahinströmenden „White Christmas“ oder dem zwischen barocker Würde und frechem Rock changierenden  „Herbei, oh ihr Gläubigen“ hieß Christoph Spendel.  Seine stupende Spieltechnik befeuerte einen Funkenregen musikalischer Einfälle, der vor allem im Wechselspiel mit Andreas Neubauers (bekannt durch seine Zusammenarbeit mit der deutschen Rapperin Sabrina Setlur und „Glashaus“) fulminanten Schlagzeughumoresken nicht nur für kurzweilige Unterhaltung des fachkundigen Publikums sorgte, sondern auch einen ebenso vielseitigen wie eigenständigen, ausgereiften Personalstil repräsentierte. Der aus Rom stammende, unter einer starken Erkältung leidende Claudio Zanghieri am fünfsaitigen E-Bass legte ein verlässliches aber eher unauffälliges Fundament, aus dem gelegentlich eine Soloimprovisation hervortrat, ohne jedoch wirklich zu sprühen.