28.11.2014: Alexandra Lehmler Quintett – Jazzclub Biberach e.V.

28.11.2014: Alexandra Lehmler Quintett

Alexandra Lehmler und ihr singender Kontrabassspieler

„Wie im Himmel über Mannheim“

BIBERACH – Die sympathische Landesjazzpreisträgerin des Jahres 2014, Alexandra Lehmler, bot im vollbesetzten Jazzkeller mit ihrem Quintett Fusion á la Lehmler: das Beste aus der populären Musikkultur des letzten Jahrhunderts, teils verschmolzen mit Elementen aus Barock und Klassik in einer frisch und modern wirkenden Melange mit zeitgenössischen Tendenzen auch aus der Weltmusik. Dabei gab es neben den Kompositionen der beiden letzten CDs auch Ausblicke auf die kommende.

Die energiegeladene, eigenständige Mischung aus fetzigen Jazz-Rock Einflüssen der späten 60er und 70er Jahre mit der völligen Gleichberechtigung aller Mitspieler und raffinierten Arrangements führt im ALQ über die Vorbilder hinaus zu einer viel größeren Transparenz der Strukturen. Anstelle des schmatzend druckvollen E-Bass-Sounds aus der Funk- und Rockecke tritt der lebendige, differenzierte Klang des Kontrabasses. Anstelle des harten Rockschlagzeuges wirkt ein filigran verfeinertes und dennoch kraftvoll groovendes Rhythmuskollektiv. In inspirierter Leichtigkeit „arbeiten“ Schlagzeuger Max Mahlert und Perkussionist Rodrigo Villalon zusammen wie ein Mann. Überhaupt ist das Zusammenspiel des seit zehn Jahren gemeinsam musizierenden Quintetts wie aus einem Guss.

Seine extraordinären Improvisationen auf dem Kawaiflügel sowie auf dem legendären Fender Rhodes-Piano, stilsicher verzerrt gespielt über einen Marshall-Gitarren-Amp sind immer für eine Überraschung gut. In seinen Soloteilen spielt der mittlerweile in Belgien lebende Pianist Oliver Maas Jazz wie von einem anderen Stern. Aber auch in den begleitenden Passagen sorgt er immer wieder für stimulierende Impulse, öffnet neue Klangräume, setzt einfühlsame Farbtupfer.

Die stilistische Bandbreite der Kompositionen ist enorm. Vom gegen den Strich gebürsteten „Choral“ über das dem Sohn Bruno gewidmete eigenwillige Stück „Thermoskop“ oder auch der ergreifenden Schlussnummer „Himmel über Mannheim“, in dem – wie jeder anwesende Mannheimer bestätigen könnte – irgendwie die Essenz der nordbadischen Kulturmetropole aufschien, fügt sich alles stimmig zu einem eigenständigen Personalstil zusammen. Vollständig polyphone Passagen wechseln mit homophonen oder ostinaten Teilen ab oder werden kombiniert mit „Vamps“ über wechselnden Harmonien. Klangliche Abwechslung ist meist gepaart mit strukturellen Zäsuren. Wiederholung, Verdichtung, Kontrast und Steigerung kulminieren zu kollektiven Eruptionen, weitgespannte solistische Sequenzen öffnen sich in kosmische Weiten (Snow in Summer). Lehmlers Musik besitzt Tiefe und Biss, schlichte Intensität und ausgeklügelte Raffinesse, sie komprimiert entspannte und dramatische Elemente auf engstem Raum. Kurzum, sie spiegelt einen Mikrokosmos anspruchsvollen Musikerlebens wieder

Neben der dezent führenden Bandleaderin als primus inter pares war es vor allem ihr Lebensgefährte Matthias Debus am Kontrabass, der in polyphon kultivierter Vokalise zu seinem hochvirtuosen Bassspiel einen Ausdrucks- und Gestaltungswillen versprühte, der nur bei den ganz Großen zu finden ist. Albert Mangelsdorff lässt aus dem Jenseits den „singenden Kontrabassspieler“ – so eine Stimme aus dem Publikum – herzlich grüßen. Bei aller Bodenhaftung und natürlichen Ausstrahlung war die gefeierte Preisträgerin  Alexandra Lehmler an ihren diversen Instrumenten aus der Saxophonfamilie ohne den kleinsten Hauch von Starallüren mit ihren Kompositionen und in ihren eindrucksvollen Improvisationen dennoch das musikalisch-kreative Kraftzentrum des Quintetts, Kern und Seele des ALQ, das sich nicht ohne Zugabe von einem begeisterten Publikum verabschieden durfte.