27.02.2015: Markus Harm Quartett – Jazzclub Biberach e.V.

27.02.2015: Markus Harm Quartett

Markus Harm Quartett macht Laune im Jazzkeller

Als Höhepunkt ein Lamento über einen Strafbefehl

BIBERACH – Eine regelrechte Frischzellenkur verpasste der junge Saxophonist Markus Harm mit seinem hochkarätig besetzten Quartett den begeisterten Besuchern im Jazzkeller. Sympathisch, natürlich, ungekünstelt und vor allem mit einer Fülle lyrisch inspirierter Ideen, voll rhetorischer Kraft und mit ausgeprägtem Gestaltungswillen konnten die Musiker von Anfang an überzeugen.

Etwas verspätet aber offenbar gut gestärkt zurück vom Abendessen generierten die vier Jungs aus dem Stand eine verblüffende Dynamik. Mit dem eher programmatischen Opener „Late Delivery“ aus der Feder von Markus Harm schob dieser dann auch gleich die Erklärung hinterher, warum es gerade mal wieder so pressierte. „Fünf vor Zwölf“ – einer der nächsten Titel des gerade dem BUJAZZO (Bundesjazzorchester) entwachsenen, energiegeladenen Ausnahmesaxophonisten machte diesen Charakterzug dann nochmals sinnfällig. Dennoch blieb auch immer wieder Platz für nachdenklich Kontemplatives. Eine Neukomposition von Harm, eine langsame Ballade, die bisher noch keinen Titel trägt, bot Raum für weite, meist rhetorische geprägte Melodielinien voll poetischer Kraft und Anmut. Hier verspricht, nach einigen Jahren der Reife, ein Musiker mit der Gestaltungskraft eines Charlie Mariano heranzureifen.

Auch Christoph Neuhaus an der Gitarre, ehemaliger Schüler von Frank Kuruc an der Musikhochschule Mannheim, Erasmus-Stipendiat in Amsterdam und mittlerweile auch Leiter eines eigenen Quintetts mit gefeierten CD-Einspielungen, steuerte eine ganze Reihe von Kompositionen zum Programm bei. Neben „Gezeitenwende“ und „View over Sibiria“ konnte vor allem sein Titel „505“ (die Anfangszahlen eines Überweisungsträgers für einen der, so Harm, nicht ganz seltenen Strafbefehle wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung) überzeugen. Die künstlerische Umsetzung in ihrer pittoresken Anschaulichkeit, die auch in der leidvollen Mimik des Gitarristen zum Ausdruck kam war einfach köstlich. Überwogen zu Beginn Schock und Ärger in synkopierten, clusterartig dissonanten Akzenten über ostinaten Begleitfiguren, so löste sich schließlich der Frust in den langgezogenen, durch fallende Portamenti und Seufzerfiguren unterbrochenen Melodielinien eines elegischen Lamentos. Auf diese Weise lässt sich selbst einem Strafzettel noch Positives abgewinnen. Ob sich der kreativ geparkte Bandbus an diesem Abend ebenfalls ein „Knöllchen“ einfing, konnte noch nicht geklärt werden.

Jens Loh am Kontrabass, ehemaliger Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg und international gefragter Sideman groovte gemeinsam mit dem Drummer Dominik Raab, der seinerseits zusammen mit Markus Harm im letztjährigen Finale des jungen bayrischen Jazzpreises und in BR-Klassik zu hören war. Loh fand dabei in seinen temperamentvollen Improvisationen eine witzige Mischung zwischen Singstimme und Bass. Raab wirbelte in technischer Perfektion immer wieder den Bandsound auf, war ebenfalls vollwertiger Akteur im Quartett der Gleichwertigen.

gez. Dr. H. Schönecker