Konzertkooperation: „Daktylus Jazz Utopia“ als Support von „LBT“
Psychedelic Revival – Zurück in die Zukunft
BIBERACH – Als Vorband für das Konzert mit dem renommierten Leo Betzl Trio, als Kooperation zwischen dem Verein Lilienthal und dem Jazzclub Biberach, in der Kulturhalle Abdera angetreten, konnte die lokale Formation „Daktylus Jazz Utopia“ bereits eine stattliche Besucherzahl begrüßen und begeistern. Für die älteren Jahrgänge unter den Besuchern war ihre Musik ein „Flashback“ in die 60er und 70er Jahre, als Bandnamen wie „Pink Floyd“, „The Doors“ oder „Deep Purple“ und Musiker wie Jimi Hendrix, Jim Morrison oder Janis Joplin für die Anfänge psychedelischer Rockmusik standen. Der experimentelle Umgang mit dem Sound und zunehmend komplexere Songstrukturen im Rock waren damals neuartig. Ausgedehnte Soloimprovisationen, der freie Umgang mit den Formen und die Besetzung des Orgeltrios aus Hammond-Orgel, Gitarre und Schlagzeug verweisen auf die Wurzeln im Jazz. Oft auch durch Drogen inspiriert, sollte der Horizont erweitert und der Weg in transzendente Sphären gebahnt werden. Woodstock und die Anfänge des legendären Club 27 fallen in diese Zeit. Andi Schnell an der E-Gitarre, Bernward Schäfer an der elektronischen Orgel und Lazzaro Locher am Schlagzeug machten ihre Sache nicht nur handwerklich ganz ordentlich. Spirit und Sound stimmten, die Coverversionen – etwa von Jimi Hendrix aber auch die Eigenkompositionen von Bernward Schäfer heizten dem Publikum bereits kräftig ein. Als Andi Schnell in typischer Hendrix-Manier während eines ausgedehnten, virtuosen Gitarrensolos die Gitarre hochnahm und zärtlich mit der Zunge liebkoste schlugen die Wogen der Begeisterung hoch. Der Begriff „Utopia“ im Bandnamen wird jedoch noch mit Leben und neuen Ideen zu füllen sein. Bisher klingt er noch stark nach „Revival“.
LBT – Leo Betzl Trio – Jazz meets Techno meets Jazz
Gleichförmigkeit und Mechanik im computergenerierten Techno aufzubrechen und mit der Idee des Jazz und der Livemusik zu versöhnen, ist der innovative Ansatz des Leo Betzl Trios – LBT, vor Jahresfrist auch mit dem BMW Welt Jazz Award und dem Burghauser Jazzpreis bedacht. Neben dem Namensgeber, Initiator und Pianist Leo Betzl überzeugte am umgebauten, gestrichenen, gezupften oder auch mal geschlagenen Kontrabass Maximilian Hirning, der auch für einen Teil der Kompositionen verantwortlich zeichnete. Das nimmermüde Kraftwerk der Truppe am höchst fantasievoll erweiterten Schlagzeug war Sebastian Wolfgruber. Gleich die ersten Beats kamen in der mittlerweile gut gefüllten Kulturhalle technotypisch satt und kraftvoll. Eine sonor schmatzende Kickdrum mit fetten Wumms, an der unteren Hörgrenze wummernde Tiefbässe und viele repetitive Elemente, kombiniert mit einem experimentell extrem erweiterten, durchaus auch psychedelischen Klangspektrum, überaus druckvoll abgemischt, ließen die Vorband im Nachgang doch vergleichsweise blass aussehen. „Faszinierend, dass die auch ohne elektronische Instrumente und automatisierte Patterns wie waschechter Techno klingen“ waren Stimmen aus dem verblüfften Publikum zu vernehmen. „Unglaublich, was die aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug herausholen“ war verbreitete Meinung. Oder mit der Stimme eines langjährigen Jazzclub-Stammgastes: „Ich wusste gar nicht, dass ein klassisches Jazzklaviertrio auch so klingen kann“. Aber was den einen vor Verwunderung und Staunen die Ohren und Augen aufgehen ließ, ließ die anderen ungeniert und extroviert sich in Ekstase tanzen. Der kraftvolle Groove ließ die Halle vibrieren und das Blut kochen. Selbst manche der geladenen Honoratioren gingen ab wie Schnitzel. Fast unmerklich für die einen und durchaus erfreulich für die anderen war der in der Livemusikszene häufig geschmähte Techno richtig lebendig geworden, professionell und handgemacht, mit echtem, von Herzen kommendem Puls durchzogen und mit improvisatorischen Elementen virtuos durchsetzt. Dass dabei auch viele fantastische, oft selbstentwickelte akustische Instrumente wie etwa einen auf den Beckenständer montierten Fahrradspeichenkranz oder präparierte, speziell gedämpfte Saiten des Klaviers in der Tradition eines John Cage und vieles mehr eine Rolle spielten, machte das Erlebnis umso frappierender. Dieser Weg könnte durchaus weiter ins Land Utopia führen. Ob die Titel der textlosen Songs – auf der neuen Doppel-CD finden sich solche wie „Zappa“, „Parks Bells“ oder „Changing Moods“ – auch als Verstehungshilfe taugen, muss wohl jeder mit sich selbst ausmachen.
Text und Fotos: Helmut Schönecker