„Eva-Maria Ogrzewalla“ im Biberacher Jazzkeller
„Mit dem Eisbären auf dem fliegenden Teppich“
Wer Inspiration und Themen zur freien Improvisation so demonstrativ aus dem Publikum schöpft, wie dies die in Ulm lebende Pianistin Eva-Maria Ogrzewalla bei ihrem Konzert im gut besuchten Biberacher Jazzkeller am Freitagabend tat, muss natürlich auch auf weniger gut verwertbare Stichworte gefasst sein. Auf diese Art Kreativität schlägt außerdem die jeweilige Tagesform voll durch. Gleichwohl birgt das damit eingegangene Risiko auch die Chance zu Ungewöhnlichem, zu Überraschendem allemal. Ob sich jedoch die mit Plattheit gepaarte Ironie einer Aussage über das „schöne Wetter“ am Veranstaltungstag aus dem Stehgreif so ohne weiteres musikalisch umsetzen ließe, darf wohl bezweifelt werden. Das musikalische Resultat der Aussage war auf jeden Fall entsprechend. Der pädagogische Hinweis der Solistin auf die möglichst bildhafte Beschaffenheit der zu liefernden Stichworte brachte denn auch bald die erhofften Resultate, etwa den brillanten Spruch vom „Eisbären auf dem fliegenden Teppich“. Dessen musikalische Umsetzung mittels sphärisch-schwebender Klänge auf dem Synthesizer, die sich in der Simulation der Flugbewegungen durch auf- und abschwingende, in ganztonaler Schwebe gehaltenen Skalen und Läufen sowie etwas heftigeren tiefen Tönen für den Eisbären auf dem gleichzeitig bearbeiteten Flügel manifestierte, brachten dem Publikum ein erstes Erfolgserlebnis. Die musikalisch-künstlerische Verbindung von drei aus dem Auditorium gelieferten Akkorden geriet jedoch unversehens wieder zur aphoristischen Pflichtübung mit eher geringem musikalischen Aussagewert.
Die während der Pause vom kreativ entflammten Publikum ausgefüllten Spickzettel brachten im zweiten Set Exkurse in die Jahreszeiten Winter und Herbst. Die zufälligen Anklänge an das berühmte Vorbild mündeten – so ist das wohl mit spontanen Eingebungen – in durchaus an Vivaldi gemahnende stürmisch auf- und abwehende Skalen. Besonders stimmungsvoll äußerte sich der Herzenswunsch der Solistin nach „Wind und Wellen“. Witzig und skurril gerieten die Ausführungen über das Huhn, vielleicht mit leichten Anklängen an Mussorgskys „Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen“, in der Synthesizer-Version von Tomita.
Eva-Maria Ogrzewallas Vorlieben für 3er-Metren, sizilianische Volksweisen und argentinische Tangos brachten zwischen den frei improvisierten Teilen zumeist eine melancholische Note ins Spiel. Ihr Gespür für schlichte aber intensive Melodien, für das Weglassen überflüssigen virtuosen Beiwerks und die Beschränkung auf das Essentielle gab dem Abend etwas nachdenklich Seriöses, das jedoch – frei nach Hölderlins „Menschenbeifall“ – nicht „auf den Marktplatz taugt.“ So gab es denn auch nur eine knappe Zugabe zu hören.
Gez. Helmut Schönecker