20.09.2025: Sendecki & Spiegel – Jazzclub Biberach e.V.

20.09.2025: Sendecki & Spiegel

Hochkarätiger Duo-Jazz zum Saisonauftakt

Sendecki & Spiegel setzen hohe Standards

BIBERACH – Hochkarätiges geht meist Hand in Hand mit einem hohen Anspruch. Genau dies stellt für manchen eher passiven Unterhaltungshörer bei einer Livemusikdarbietung mitunter eine große Herausforderung dar. Gilt es doch bei anspruchsvollerem und besonders bei rein instrumentalem Jazz möglichst genau hinzuhören, sich das Gehörte bewusst zu machen und den Sinngehalt zu entschlüsseln. Glücklicherweise gibt es große Teile des vorgestellten Programmes von dem ausnahmsweise auf Samstag verlegten Konzert des Jazzclubs auch auf der aktuellen Duo-CD „Solace“ zum Nachhören und damit immerhin zum nachträglichen Verstehen. Das „Duo der Superlative“ aus Vladyslav Sendecki und Jürgen Spiegel, oft als „kleinstes Orchester der Welt“ bezeichnet, gab wohl auch aus dieser Erfahrung heraus mit aussagekräftigen Anekdoten zu den einzelnen Songtiteln willkommene Hör- und Verständnishilfen und nach anhaltendem Schlussapplaus des kundigen Publikums gerne auch noch eine Zugabe.

Dem rein emotionalen Erfassen vieler Songinhalte stand, trotz teils pittoresken Titeln wie „Wroong“, „Friendly Garden“ oder „New York Streets“, eine recht komplexe Grundstruktur der Stücke entgegen. Gewissermaßen als Motto eröffnete der einzige „Cover-Song“ des Abends, Quincy Jones „Everything must change“, die vielfach umjubelten Darbietungen. Und tatsächlich war alles danach Dargebotene in beständigem Fluss begriffen. Spontane Variationen, die selbst den Duopartner forderten, häufig wechselnde Patterns sowie permanente Figurenmetamorphose von Begleitmotiven oder -Rhythmen und selbstverständlich die lebendigen Improvisationen, die wie hell leuchtende Edelsteine aus den eher begleitenden Teilen hervortraten. Da bereits die jeweiligen akkordischen Begleitstrukturen des Klaviers mit polyphonen oder ostinaten Teilen durchsetzt waren, die Begleit-Rhythmen des Schlagzeugs durch die häufige Gleichzeitigkeit von geraden und ungeraden Metren unwahrscheinlich dicht gewebt waren, standen die Improvisationen für spielerische Leichtigkeit und Frische, gaben besonderen Raum für Spontaneität und Wandel.

Wenn Jürgen Spiegel in seinem „Furioso“ die Klettertour seines kleinen Sohnes auf einen 20 Meter hohen Baum während eines kurzen Einkaufs seinerseits musikalisch verarbeitete und dabei insbesondere die damit verbundenen Gefühle und den schlussendlich erforderlichen Einsatz der Feuerwehr zur Darstellung brachte, übertrug sich das auch ohne präzises Erfassen der Strukturen genauso eindringlich wie die Gefühle Sendeckis in „A New Day“. Der neue Tag nach einer durchwachten Erdbebennacht im 61. Stock eines schwankenden Hochhauses in Tokio glich für Sendecki einer Wiedergeburt. Diese, aber auch seine Verwunderung darüber, dass kein Japaner dem erschütternden Ereignis tags danach überhaupt nur eine Erwähnung widmete, war musikalisch unmittelbar nachvollziehbar. Bei manch anderen Titeln ging das aber nicht ganz so leicht und für ein tieferes Verständnis hätte es vielleicht wiederholtes Hören oder gar eine eigene verbale Einführungsveranstaltung erfordert. Für den Veranstalter könnte letzteres bei künftigen hochkarätigen Veranstaltungen durchaus eine zweite Überlegung wert sein. Schließlich ist das bei anspruchsvoller moderner Musik oder auch bei Erstaufführungen eine häufig geübte Praxis.

Text und Fotos: Helmut Schönecker